Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.Nun mach' ich mich an die Ausführung. Das Stück muß aussehen, als Ware So dacht' ich in meiner Jsolirung. Meine poetischen Menschen machten's, Nun mach' ich mich an die Ausführung. Das Stück muß aussehen, als Ware So dacht' ich in meiner Jsolirung. Meine poetischen Menschen machten's, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284531"/> <p xml:id="ID_133" prev="#ID_132"> Nun mach' ich mich an die Ausführung. Das Stück muß aussehen, als Ware<lb/> es blos aus dem Jnstinct hervorgegangen. Die psychologischen Züge, alles Ab-<lb/> stracte wird in Concretes verwandelt. Die Person darf nicht mehr absttaete Be¬<lb/> merkungen über ihre EntwickelungSmomcnte machen, aus welchen bei Hebbel oft<lb/> der ganze Dialog besteht. Man muß an der Geberde der Rede, wenn<lb/> ich so sagen darf, merken, was in der Person vorgeht, aber sie muß es nicht<lb/> mit dürren Worten sagen, denn wer kann in solchem Zustande solche Be¬<lb/> merkungen über sich machen? Man Hort dann eine Marionette und keinen<lb/> Menschen, eine Figur, die sagt, Mas der Dichter will, aber nicht, was sie selbst.<lb/> Es ist das freilich schwer, denn man hat immer zwei Gedankenreihen bei dieser<lb/> Umwandlung festzuhalten, nämlich erstens die Neben, die der Person natürlich<lb/> und die einen Inhalt und Zusammenhang für sich haben, zweitens die Psycho¬<lb/> logischen Entwickelungsnromcute, die so zu sagen ohne Wissen, ja oft wider<lb/> den Willen der Figur durch jene hindurchscheinen. Es ist nicht allein technisch<lb/> schwer, sondern es verlangt auch wenigstens im Anfang einen schweren Sieg<lb/> über die Eitelkeit, denn die blendenden Rcihcnsaden der rohen Stoffe werden<lb/> zu gebrochenen, die Einfälle verlieren das Pikante, das Nafsinute M)t aus<lb/> wie das Gewöhnliche. Am schwierigsten ist dieses^bei leichteren psychologischen<lb/> Momenten, die die Oberfläche der Rede nur so leicht afficiren dürfen, wie ein<lb/> leises Lüftchensast unsichtbar die Wellen säuselt, bei den ersten Keimen innerer<lb/> Zustände, die dann stetig gesteigert der Person selbst erst später klar werden, manchmal<lb/> ihr gar nicht klar werden. So ists mit dem Charaktensiren; bei Hebbel erzählen die<lb/> Personen ihre Charakterzüge in kleinen Anekdoten, und wissen sich selbst etwas damit,<lb/> was für ganz eigene Menschen sie sind, während meiner Meinung nach sich der<lb/> Charakter einer Person ohne ihr Wissen, ja wider ihren Willen zeigen muß, die<lb/> Personen selber ihren Charakter meist nicht kennen, und indem sie ihren vermeinten<lb/> schildern wollen, unwillkürlich und ohne es zu wissen, ihren wirklichen schildern<lb/> müssen. Denn wem, der die Menschen und.den Menschen kennt, muß nicht<lb/> all dies absichtliche, abstracte Auskramen psychologischer und charakteristischer<lb/> Züge, die jedem bekannt sind, lächerlich vorkommen? Die Personen soll man<lb/> für Menschen halten, sie müssen sich also doch einigermaßen als Menschen ge-<lb/> berden. Wenn ein Schicksal auf uns Eindruck machen soll, darf es doch kein<lb/> Thcatcrschicksat sein. Solche Charaktere giebts, die sich und ihre Entwicklungen<lb/> stets selber beobachten. Warum soll der Dichter nicht auch einen solchen zeichnen?<lb/> Er darf aber nicht vergessen, daß dieses Sichselbstbcobachtcn eben ein individueller<lb/> Zug ist und kein allgemeiner, den er allen Charakteren beilegen darf. Des<lb/> Philosophen, des Mannes der Wissenschaft ist es, das Gesetz aus der Fülle<lb/> seiner Erscheinungen herauszuschälen; des Dichters, das Gesetz wieder hinter<lb/> der Erscheinung zu verwerfen.</p><lb/> <p xml:id="ID_134" next="#ID_135"> So dacht' ich in meiner Jsolirung. Meine poetischen Menschen machten's,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0061]
Nun mach' ich mich an die Ausführung. Das Stück muß aussehen, als Ware
es blos aus dem Jnstinct hervorgegangen. Die psychologischen Züge, alles Ab-
stracte wird in Concretes verwandelt. Die Person darf nicht mehr absttaete Be¬
merkungen über ihre EntwickelungSmomcnte machen, aus welchen bei Hebbel oft
der ganze Dialog besteht. Man muß an der Geberde der Rede, wenn
ich so sagen darf, merken, was in der Person vorgeht, aber sie muß es nicht
mit dürren Worten sagen, denn wer kann in solchem Zustande solche Be¬
merkungen über sich machen? Man Hort dann eine Marionette und keinen
Menschen, eine Figur, die sagt, Mas der Dichter will, aber nicht, was sie selbst.
Es ist das freilich schwer, denn man hat immer zwei Gedankenreihen bei dieser
Umwandlung festzuhalten, nämlich erstens die Neben, die der Person natürlich
und die einen Inhalt und Zusammenhang für sich haben, zweitens die Psycho¬
logischen Entwickelungsnromcute, die so zu sagen ohne Wissen, ja oft wider
den Willen der Figur durch jene hindurchscheinen. Es ist nicht allein technisch
schwer, sondern es verlangt auch wenigstens im Anfang einen schweren Sieg
über die Eitelkeit, denn die blendenden Rcihcnsaden der rohen Stoffe werden
zu gebrochenen, die Einfälle verlieren das Pikante, das Nafsinute M)t aus
wie das Gewöhnliche. Am schwierigsten ist dieses^bei leichteren psychologischen
Momenten, die die Oberfläche der Rede nur so leicht afficiren dürfen, wie ein
leises Lüftchensast unsichtbar die Wellen säuselt, bei den ersten Keimen innerer
Zustände, die dann stetig gesteigert der Person selbst erst später klar werden, manchmal
ihr gar nicht klar werden. So ists mit dem Charaktensiren; bei Hebbel erzählen die
Personen ihre Charakterzüge in kleinen Anekdoten, und wissen sich selbst etwas damit,
was für ganz eigene Menschen sie sind, während meiner Meinung nach sich der
Charakter einer Person ohne ihr Wissen, ja wider ihren Willen zeigen muß, die
Personen selber ihren Charakter meist nicht kennen, und indem sie ihren vermeinten
schildern wollen, unwillkürlich und ohne es zu wissen, ihren wirklichen schildern
müssen. Denn wem, der die Menschen und.den Menschen kennt, muß nicht
all dies absichtliche, abstracte Auskramen psychologischer und charakteristischer
Züge, die jedem bekannt sind, lächerlich vorkommen? Die Personen soll man
für Menschen halten, sie müssen sich also doch einigermaßen als Menschen ge-
berden. Wenn ein Schicksal auf uns Eindruck machen soll, darf es doch kein
Thcatcrschicksat sein. Solche Charaktere giebts, die sich und ihre Entwicklungen
stets selber beobachten. Warum soll der Dichter nicht auch einen solchen zeichnen?
Er darf aber nicht vergessen, daß dieses Sichselbstbcobachtcn eben ein individueller
Zug ist und kein allgemeiner, den er allen Charakteren beilegen darf. Des
Philosophen, des Mannes der Wissenschaft ist es, das Gesetz aus der Fülle
seiner Erscheinungen herauszuschälen; des Dichters, das Gesetz wieder hinter
der Erscheinung zu verwerfen.
So dacht' ich in meiner Jsolirung. Meine poetischen Menschen machten's,
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