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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Solchen und ähnlichen Arbeiten sind später größere und umfassendere monu¬
mentaler Bestimmung gefolgt; zwei von den mehrerwähnten "Facultäten und
Wissenschaften" am neuen Gebäude der königsberger Universität, eine weit-
schichtige Neliefcomposition für die Altarwand, ich weiß nicht welcher Kirche, die
Himmelfahrt der Maria, für welche complicirte und großartige Ausgabe indeß
eine mächtigere BeHandlungsweise als die ihr hier gewordne nöthig und er¬
wünscht gewesen wäre, und die Kolossalstatue Ernst Moritz Arndts. für Bonn,
welche in Bronce gegossen kürzlich dort enthüllt worden ist. Asinger ging bei
dieser Gelegenheit aus dem Wettstreit mit sehr begabten Mitbewerbern als
Sieger hervor. Das auch hier wieder ungemein Frappante der individuellen
Ähnlichkeit, welches doch nicht verhinderte, durch Stellung und Bewegung der
Gestalt eine gewisse über das blos vergänglich Persönliche hinausgehende, all¬
gemeinere Bedeutung und Würde zu verleihen, wie sie dem Vertreter des
idealen deutschen Volksthums hier gebührte, hat zu dieser Entscheidung gewiß
höchst wesentlich beigetragen. Jedes äußerliche Hilfsmittel plastischer Wirkung
ist übrigens in der Statue verschmäht. Kein Mantelwurs verhüllt und ver¬
schönt die durchaus realistisch behandelte charakteristische Gestalt des alten
Vater Arndt.

Eine originelle Erscheinung in der von Rauch gebildeten Künstlerschaft ist
Jan da aus Oberschlesien, so gut wie der große Giotto vom Schafchüten zur
Kunst gelangt. Seine erstaunliche Gabe der Nachbildung der natürlichen
lebendigen Vorbilder, welche die Wirklichkeit seinem Auge zeigte, in einer
gänzlich unerlernten, angebornen und doch merkwürdig entwickelten Technik des
Schnitzmessers zog die Aufmerksamkeit auf ihn, wodurch es ihm ermöglicht
wurde, sich dem wirklichen Studium der Bildhauerei hinzugeben. Das Beste,
was er während seiner späteren Künstlerlausbahn geleistet hat, gehört immer
der Gattung der Plastik ein,--aus welche seine naiven und naturwüchsigen ersten
Versuche als die ihm natürlichste hinwiesen. Seine Büsten, und seine Pvrträt-
statuetten erreichen in solcher, ganz treu in das Detail des Wiederzugebenden
sich einlebender Arbeit, in der zierlichen Wahrheit und Präcision das Außer¬
ordentlichste. Es ist immer eine interessante und, bis zu solchem Grad der
Ausbildung gebracht, sehr erfreuliche Specialität. Wo Janda sich an größere
plastische Aufgaben wagte, reichte seine gestaltende Kraft wohl nicht in gleicher
Weise aus. Als frommer Katholik hat er Themata der christlichen Mythologie
mehrfach für kirchliche Zwecke bearbeitet. Aber auch das gläubigste Herz hat
doch seine Hand nicht zu Bildungen von durchgreifender künstlerischer Bedeutung
und zwingender Kraft der heiligen Schönheit zu leiten vermocht. Für die
specifisch christlich-katholischen Glaubenswunder und Mythcngestaltcn ist die
moderne Skulptur nun einmal nicht das wirklich berufene Darstellungs- und
Kunstmittel, und am wenigsten dürfte die berliner Schule den rechten Boden


Grenzboten I. 1866. 64

Solchen und ähnlichen Arbeiten sind später größere und umfassendere monu¬
mentaler Bestimmung gefolgt; zwei von den mehrerwähnten „Facultäten und
Wissenschaften" am neuen Gebäude der königsberger Universität, eine weit-
schichtige Neliefcomposition für die Altarwand, ich weiß nicht welcher Kirche, die
Himmelfahrt der Maria, für welche complicirte und großartige Ausgabe indeß
eine mächtigere BeHandlungsweise als die ihr hier gewordne nöthig und er¬
wünscht gewesen wäre, und die Kolossalstatue Ernst Moritz Arndts. für Bonn,
welche in Bronce gegossen kürzlich dort enthüllt worden ist. Asinger ging bei
dieser Gelegenheit aus dem Wettstreit mit sehr begabten Mitbewerbern als
Sieger hervor. Das auch hier wieder ungemein Frappante der individuellen
Ähnlichkeit, welches doch nicht verhinderte, durch Stellung und Bewegung der
Gestalt eine gewisse über das blos vergänglich Persönliche hinausgehende, all¬
gemeinere Bedeutung und Würde zu verleihen, wie sie dem Vertreter des
idealen deutschen Volksthums hier gebührte, hat zu dieser Entscheidung gewiß
höchst wesentlich beigetragen. Jedes äußerliche Hilfsmittel plastischer Wirkung
ist übrigens in der Statue verschmäht. Kein Mantelwurs verhüllt und ver¬
schönt die durchaus realistisch behandelte charakteristische Gestalt des alten
Vater Arndt.

Eine originelle Erscheinung in der von Rauch gebildeten Künstlerschaft ist
Jan da aus Oberschlesien, so gut wie der große Giotto vom Schafchüten zur
Kunst gelangt. Seine erstaunliche Gabe der Nachbildung der natürlichen
lebendigen Vorbilder, welche die Wirklichkeit seinem Auge zeigte, in einer
gänzlich unerlernten, angebornen und doch merkwürdig entwickelten Technik des
Schnitzmessers zog die Aufmerksamkeit auf ihn, wodurch es ihm ermöglicht
wurde, sich dem wirklichen Studium der Bildhauerei hinzugeben. Das Beste,
was er während seiner späteren Künstlerlausbahn geleistet hat, gehört immer
der Gattung der Plastik ein,--aus welche seine naiven und naturwüchsigen ersten
Versuche als die ihm natürlichste hinwiesen. Seine Büsten, und seine Pvrträt-
statuetten erreichen in solcher, ganz treu in das Detail des Wiederzugebenden
sich einlebender Arbeit, in der zierlichen Wahrheit und Präcision das Außer¬
ordentlichste. Es ist immer eine interessante und, bis zu solchem Grad der
Ausbildung gebracht, sehr erfreuliche Specialität. Wo Janda sich an größere
plastische Aufgaben wagte, reichte seine gestaltende Kraft wohl nicht in gleicher
Weise aus. Als frommer Katholik hat er Themata der christlichen Mythologie
mehrfach für kirchliche Zwecke bearbeitet. Aber auch das gläubigste Herz hat
doch seine Hand nicht zu Bildungen von durchgreifender künstlerischer Bedeutung
und zwingender Kraft der heiligen Schönheit zu leiten vermocht. Für die
specifisch christlich-katholischen Glaubenswunder und Mythcngestaltcn ist die
moderne Skulptur nun einmal nicht das wirklich berufene Darstellungs- und
Kunstmittel, und am wenigsten dürfte die berliner Schule den rechten Boden


Grenzboten I. 1866. 64
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[0535] Solchen und ähnlichen Arbeiten sind später größere und umfassendere monu¬ mentaler Bestimmung gefolgt; zwei von den mehrerwähnten „Facultäten und Wissenschaften" am neuen Gebäude der königsberger Universität, eine weit- schichtige Neliefcomposition für die Altarwand, ich weiß nicht welcher Kirche, die Himmelfahrt der Maria, für welche complicirte und großartige Ausgabe indeß eine mächtigere BeHandlungsweise als die ihr hier gewordne nöthig und er¬ wünscht gewesen wäre, und die Kolossalstatue Ernst Moritz Arndts. für Bonn, welche in Bronce gegossen kürzlich dort enthüllt worden ist. Asinger ging bei dieser Gelegenheit aus dem Wettstreit mit sehr begabten Mitbewerbern als Sieger hervor. Das auch hier wieder ungemein Frappante der individuellen Ähnlichkeit, welches doch nicht verhinderte, durch Stellung und Bewegung der Gestalt eine gewisse über das blos vergänglich Persönliche hinausgehende, all¬ gemeinere Bedeutung und Würde zu verleihen, wie sie dem Vertreter des idealen deutschen Volksthums hier gebührte, hat zu dieser Entscheidung gewiß höchst wesentlich beigetragen. Jedes äußerliche Hilfsmittel plastischer Wirkung ist übrigens in der Statue verschmäht. Kein Mantelwurs verhüllt und ver¬ schönt die durchaus realistisch behandelte charakteristische Gestalt des alten Vater Arndt. Eine originelle Erscheinung in der von Rauch gebildeten Künstlerschaft ist Jan da aus Oberschlesien, so gut wie der große Giotto vom Schafchüten zur Kunst gelangt. Seine erstaunliche Gabe der Nachbildung der natürlichen lebendigen Vorbilder, welche die Wirklichkeit seinem Auge zeigte, in einer gänzlich unerlernten, angebornen und doch merkwürdig entwickelten Technik des Schnitzmessers zog die Aufmerksamkeit auf ihn, wodurch es ihm ermöglicht wurde, sich dem wirklichen Studium der Bildhauerei hinzugeben. Das Beste, was er während seiner späteren Künstlerlausbahn geleistet hat, gehört immer der Gattung der Plastik ein,--aus welche seine naiven und naturwüchsigen ersten Versuche als die ihm natürlichste hinwiesen. Seine Büsten, und seine Pvrträt- statuetten erreichen in solcher, ganz treu in das Detail des Wiederzugebenden sich einlebender Arbeit, in der zierlichen Wahrheit und Präcision das Außer¬ ordentlichste. Es ist immer eine interessante und, bis zu solchem Grad der Ausbildung gebracht, sehr erfreuliche Specialität. Wo Janda sich an größere plastische Aufgaben wagte, reichte seine gestaltende Kraft wohl nicht in gleicher Weise aus. Als frommer Katholik hat er Themata der christlichen Mythologie mehrfach für kirchliche Zwecke bearbeitet. Aber auch das gläubigste Herz hat doch seine Hand nicht zu Bildungen von durchgreifender künstlerischer Bedeutung und zwingender Kraft der heiligen Schönheit zu leiten vermocht. Für die specifisch christlich-katholischen Glaubenswunder und Mythcngestaltcn ist die moderne Skulptur nun einmal nicht das wirklich berufene Darstellungs- und Kunstmittel, und am wenigsten dürfte die berliner Schule den rechten Boden Grenzboten I. 1866. 64

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/535>, abgerufen am 26.12.2024.