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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Geleisen der alten Schulweisheit fort, und wenigstens im zweiten Decennium
des sechszehnten Jahrhunderts wurde sicher noch in ähnlicher Weise docirt und
disputirt, wie zu Lebzeiten des heiligen Thomas. Was das für eine Weise
war. mag uns die Karrikatur andeuten, welche der erste Brief der Lxistolae
olZLeuroruln virorum von einer Unterhaltung leipziger Magister nach einem
?ranäium ^riswtölis giebt, und die, da jene Satirenreihe nach Aufzeichnungen
aus dem Leben verfaßt ist*), ohne Zweifel mehr Wirklichkeit als Eifindung, ja
vielleicht nichts von Erfindung enthält.

Der Baccalaureus der Theologie Thomas Langschneidcr erzählt in dieser
Epistel seinem frühern Lehrer Ortwin Gratius**), wie ihn eine wichtige Frage
plage, und bittet ihn um Auskunft über dieselbe. Bei einem leipziger Magister¬
schmause sei nämlich die Quästion aufgeworfen worden, ob jemand, der ander
Universität "Magister rroster" (d. h. im damaligen Sprachgebrauch Doctor der
Theologie) zu werden im Begriff stehe, als Magister nostrauäus oder als
rroster Nagistrauclus zu bezeichnen sei. Einer der Herren habe sich entschieden
für letzteres erklärt; denn, habe er gesagt, wagistrare ist ein Verbum, es heißt
zum Magister machen, und davon kommt dann magistrauäus; ein Wort
rwstrare dagegen ist uns unbekannt. Ein Andrer aber, N. Deutsch, Mit¬
glied der artistischen, juristischen und medicinischen Facultät, habe hiergegen
geltend gemacht, daß es nicht gleichgültig, ob noster vor oder nach Magister
stehe; denn nur die Reihenfolge Magister rwster bezeichne nach dem Herkommen
einen Doctor der Theologie, rwster Magister könne jeder Meister in irgend¬
welcher Kunst titulirt werden, und so wäre denn unbestreitbar nur Magister
vostraväus zu sagen erlaubt. Wenn hiergegen bemerkt würde, daß es ein
Zeitwort uostrare nicht gäbe, so ließe sich dagegen wieder die ^.rs xoeties. des
Horciz anführen, welche neue Worte zu schaffen gestatte. Der Briefschreiber
bittet nun, zu entscheiden, welche von beiden Ansichten den Vorzug verdiene.

Ein anderes Beispiel der damals noch allenthalben unter den Konservativen
der Universitäten üblichen und wachgehaltenen scholastischen Düftelei, wie jenes
sicher nicht sehr karrikirt, ist gleichfalls in den Briefen der Dunkelmänner zu
lesen. Ortwin hat von einem Magister geäußert, derselbe sei ein Glied von zehn
Universitäten. Darauf weist ihm der scharfsinnige Doctor Klorbius nach, daß
es nicht angehe, von einem Gliede mehrer Körper zu reden, da allerdings ein
Körper mehre Glieder haben, nicht aber ein Glied mehren Körpern angehören
könne. Andrerseits sei freilich auch nicht statthaft, jenen Magister einen Körper
von zehn Hochschulen zu nennen, da letztere dann ja seine Glieder, mithin ihm
untergeordnet und weniger als er wären. Was bleibt daher übrig? fragt der




-) Vgl. üpist. ^von^wi g.ä vrotum Rubsallui", 12. Strauß, u. v. Hütten, I. 2S6.
Der letztere existirte wirklich und zwar zu Köln, wo er die bon^ö Utsras lehrte, aber
zugleich gegen die Humanisten stritt.

Geleisen der alten Schulweisheit fort, und wenigstens im zweiten Decennium
des sechszehnten Jahrhunderts wurde sicher noch in ähnlicher Weise docirt und
disputirt, wie zu Lebzeiten des heiligen Thomas. Was das für eine Weise
war. mag uns die Karrikatur andeuten, welche der erste Brief der Lxistolae
olZLeuroruln virorum von einer Unterhaltung leipziger Magister nach einem
?ranäium ^riswtölis giebt, und die, da jene Satirenreihe nach Aufzeichnungen
aus dem Leben verfaßt ist*), ohne Zweifel mehr Wirklichkeit als Eifindung, ja
vielleicht nichts von Erfindung enthält.

Der Baccalaureus der Theologie Thomas Langschneidcr erzählt in dieser
Epistel seinem frühern Lehrer Ortwin Gratius**), wie ihn eine wichtige Frage
plage, und bittet ihn um Auskunft über dieselbe. Bei einem leipziger Magister¬
schmause sei nämlich die Quästion aufgeworfen worden, ob jemand, der ander
Universität „Magister rroster" (d. h. im damaligen Sprachgebrauch Doctor der
Theologie) zu werden im Begriff stehe, als Magister nostrauäus oder als
rroster Nagistrauclus zu bezeichnen sei. Einer der Herren habe sich entschieden
für letzteres erklärt; denn, habe er gesagt, wagistrare ist ein Verbum, es heißt
zum Magister machen, und davon kommt dann magistrauäus; ein Wort
rwstrare dagegen ist uns unbekannt. Ein Andrer aber, N. Deutsch, Mit¬
glied der artistischen, juristischen und medicinischen Facultät, habe hiergegen
geltend gemacht, daß es nicht gleichgültig, ob noster vor oder nach Magister
stehe; denn nur die Reihenfolge Magister rwster bezeichne nach dem Herkommen
einen Doctor der Theologie, rwster Magister könne jeder Meister in irgend¬
welcher Kunst titulirt werden, und so wäre denn unbestreitbar nur Magister
vostraväus zu sagen erlaubt. Wenn hiergegen bemerkt würde, daß es ein
Zeitwort uostrare nicht gäbe, so ließe sich dagegen wieder die ^.rs xoeties. des
Horciz anführen, welche neue Worte zu schaffen gestatte. Der Briefschreiber
bittet nun, zu entscheiden, welche von beiden Ansichten den Vorzug verdiene.

Ein anderes Beispiel der damals noch allenthalben unter den Konservativen
der Universitäten üblichen und wachgehaltenen scholastischen Düftelei, wie jenes
sicher nicht sehr karrikirt, ist gleichfalls in den Briefen der Dunkelmänner zu
lesen. Ortwin hat von einem Magister geäußert, derselbe sei ein Glied von zehn
Universitäten. Darauf weist ihm der scharfsinnige Doctor Klorbius nach, daß
es nicht angehe, von einem Gliede mehrer Körper zu reden, da allerdings ein
Körper mehre Glieder haben, nicht aber ein Glied mehren Körpern angehören
könne. Andrerseits sei freilich auch nicht statthaft, jenen Magister einen Körper
von zehn Hochschulen zu nennen, da letztere dann ja seine Glieder, mithin ihm
untergeordnet und weniger als er wären. Was bleibt daher übrig? fragt der




-) Vgl. üpist. ^von^wi g.ä vrotum Rubsallui», 12. Strauß, u. v. Hütten, I. 2S6.
Der letztere existirte wirklich und zwar zu Köln, wo er die bon^ö Utsras lehrte, aber
zugleich gegen die Humanisten stritt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/520>, abgerufen am 24.12.2024.