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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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somit ein Heide. Wie unsre schwarzen Herren alle, die nicht auf ihren Ka¬
techismus schwören, als Pantheisten bezeichnen, so schmähten ihre Vorgänger
damals alle, die sich vom Credo der Scholastik abgewandt, als ruchlose Häre¬
tiker. Diese "Poeten", so klagten die nach alter Regel dressirten und promo-
virten Magister, diese Phantasten verderben die Universitäten; ja nicht einmal
als gute Deutsche wollte man die Störer des wissenschaftlichen Herkommens
gelten lassen, sondern nannte sie Böhmen und Walen.

Es war ein harter Kampf, den der Humanismus bei seinem Austreten in
Deutschland zu bestehen hatte. Indeß vermochte die alte Magisterschast mit
dem ihr verbündeten Troß der Glatzen und Kutten in den meisten Fällen nur
ihre Position vorläufig zu behaupten, nicht zu schaden, da die verhaßten Poeten
und Ncologen sich gewöhnlich des Patronats ihrer Landesherren erfreuten, die
nach dem Vorgang der Fürsten Italiens nach dem Schmuck des Mäcenaten-
thums verlangten und sich mit Behagen in hochtönenden Nachahmungen
horazischer Oden gefeiert sahen, so wenig die meisten unter ihnen auch davon
verstanden. Noch bessere Bundesgenossenschaft war die Wahrheit und Gerechtig¬
keit der Sache, welche die Neuerer verfochten, das mächtige Pathos der Ueber¬
zeugung, mit dem Hütten wie ein Gewittergott gegen die Schaar der Feinde
blitzte, und der glänzende Witz, welcher vielen der Humanisten zu Gebote stand,
und dessen Geißel vor Allem von Crotus Rubeanus in vernichtender
Weise gegen die Finsterlinge geschwungen wurde. Mit den Briefen der Dunkel¬
männer war die negirende Arbeit vor dem großen Publikum in der Hauptsache
gethan, die conservative Partei factisch zu Grunde gerichtet, weil der Lächer¬
lichkeit überliefert, und wenn sie ihr Dasein an den Universitäten und in den
Klöstern weiter fristete, so war es lediglich die vis inertiue, die sie hielt, und
der Umstand, daß sie Einiges von dem Neuen in ihr System, so gut es gehen
wollte, ausnahm. AIs Philister und Schwachlöpfe lebten sie fortan in der
öffentlichen Meinung fort. Wie chinesische Porzellangötzen wackelten sie noch
ein paar Jahrzehnte auf ihren Lehrkanzeln weiter, bis ihnen endlich da, wo
Luthers Lehre durchdrang, ihre Stühle umgestoßen wurden.

Im ersten Jahrzehnt des Säculums der Reformation waren die Humanisten
vorzüglich in Tübingen, Heidelberg und Erfurt mächtig. Letztgenannte Hoch¬
schule genoß bis zum-Ende dieses Decenniums, wo Pest und bürgerliche Un¬
ruhen ihrer Bedeutung für immer ein Ende machten, in Deutschland eines so
großen Ansehens, daß, wie Luther sagt, alle übrigen Universitäten dagegen wie
kleine Schützcnschulen erschienen. Natürlich waren viele Lehrstühle hier noch
mit Professoren alten Schlags besetzt, aber dieselben verhielten sich ziemlich still,
und neben ihnen wirkte der Einfluß Mutians und blühte der lateinische Dichter
Eovan Hesse, der in seiner Kunst damals für den Ersten galt und mit Recht
-- denn er war in der That ein begabter Poet -- selbst jenseits der Grenzen


somit ein Heide. Wie unsre schwarzen Herren alle, die nicht auf ihren Ka¬
techismus schwören, als Pantheisten bezeichnen, so schmähten ihre Vorgänger
damals alle, die sich vom Credo der Scholastik abgewandt, als ruchlose Häre¬
tiker. Diese „Poeten", so klagten die nach alter Regel dressirten und promo-
virten Magister, diese Phantasten verderben die Universitäten; ja nicht einmal
als gute Deutsche wollte man die Störer des wissenschaftlichen Herkommens
gelten lassen, sondern nannte sie Böhmen und Walen.

Es war ein harter Kampf, den der Humanismus bei seinem Austreten in
Deutschland zu bestehen hatte. Indeß vermochte die alte Magisterschast mit
dem ihr verbündeten Troß der Glatzen und Kutten in den meisten Fällen nur
ihre Position vorläufig zu behaupten, nicht zu schaden, da die verhaßten Poeten
und Ncologen sich gewöhnlich des Patronats ihrer Landesherren erfreuten, die
nach dem Vorgang der Fürsten Italiens nach dem Schmuck des Mäcenaten-
thums verlangten und sich mit Behagen in hochtönenden Nachahmungen
horazischer Oden gefeiert sahen, so wenig die meisten unter ihnen auch davon
verstanden. Noch bessere Bundesgenossenschaft war die Wahrheit und Gerechtig¬
keit der Sache, welche die Neuerer verfochten, das mächtige Pathos der Ueber¬
zeugung, mit dem Hütten wie ein Gewittergott gegen die Schaar der Feinde
blitzte, und der glänzende Witz, welcher vielen der Humanisten zu Gebote stand,
und dessen Geißel vor Allem von Crotus Rubeanus in vernichtender
Weise gegen die Finsterlinge geschwungen wurde. Mit den Briefen der Dunkel¬
männer war die negirende Arbeit vor dem großen Publikum in der Hauptsache
gethan, die conservative Partei factisch zu Grunde gerichtet, weil der Lächer¬
lichkeit überliefert, und wenn sie ihr Dasein an den Universitäten und in den
Klöstern weiter fristete, so war es lediglich die vis inertiue, die sie hielt, und
der Umstand, daß sie Einiges von dem Neuen in ihr System, so gut es gehen
wollte, ausnahm. AIs Philister und Schwachlöpfe lebten sie fortan in der
öffentlichen Meinung fort. Wie chinesische Porzellangötzen wackelten sie noch
ein paar Jahrzehnte auf ihren Lehrkanzeln weiter, bis ihnen endlich da, wo
Luthers Lehre durchdrang, ihre Stühle umgestoßen wurden.

Im ersten Jahrzehnt des Säculums der Reformation waren die Humanisten
vorzüglich in Tübingen, Heidelberg und Erfurt mächtig. Letztgenannte Hoch¬
schule genoß bis zum-Ende dieses Decenniums, wo Pest und bürgerliche Un¬
ruhen ihrer Bedeutung für immer ein Ende machten, in Deutschland eines so
großen Ansehens, daß, wie Luther sagt, alle übrigen Universitäten dagegen wie
kleine Schützcnschulen erschienen. Natürlich waren viele Lehrstühle hier noch
mit Professoren alten Schlags besetzt, aber dieselben verhielten sich ziemlich still,
und neben ihnen wirkte der Einfluß Mutians und blühte der lateinische Dichter
Eovan Hesse, der in seiner Kunst damals für den Ersten galt und mit Recht
— denn er war in der That ein begabter Poet — selbst jenseits der Grenzen


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[0518] somit ein Heide. Wie unsre schwarzen Herren alle, die nicht auf ihren Ka¬ techismus schwören, als Pantheisten bezeichnen, so schmähten ihre Vorgänger damals alle, die sich vom Credo der Scholastik abgewandt, als ruchlose Häre¬ tiker. Diese „Poeten", so klagten die nach alter Regel dressirten und promo- virten Magister, diese Phantasten verderben die Universitäten; ja nicht einmal als gute Deutsche wollte man die Störer des wissenschaftlichen Herkommens gelten lassen, sondern nannte sie Böhmen und Walen. Es war ein harter Kampf, den der Humanismus bei seinem Austreten in Deutschland zu bestehen hatte. Indeß vermochte die alte Magisterschast mit dem ihr verbündeten Troß der Glatzen und Kutten in den meisten Fällen nur ihre Position vorläufig zu behaupten, nicht zu schaden, da die verhaßten Poeten und Ncologen sich gewöhnlich des Patronats ihrer Landesherren erfreuten, die nach dem Vorgang der Fürsten Italiens nach dem Schmuck des Mäcenaten- thums verlangten und sich mit Behagen in hochtönenden Nachahmungen horazischer Oden gefeiert sahen, so wenig die meisten unter ihnen auch davon verstanden. Noch bessere Bundesgenossenschaft war die Wahrheit und Gerechtig¬ keit der Sache, welche die Neuerer verfochten, das mächtige Pathos der Ueber¬ zeugung, mit dem Hütten wie ein Gewittergott gegen die Schaar der Feinde blitzte, und der glänzende Witz, welcher vielen der Humanisten zu Gebote stand, und dessen Geißel vor Allem von Crotus Rubeanus in vernichtender Weise gegen die Finsterlinge geschwungen wurde. Mit den Briefen der Dunkel¬ männer war die negirende Arbeit vor dem großen Publikum in der Hauptsache gethan, die conservative Partei factisch zu Grunde gerichtet, weil der Lächer¬ lichkeit überliefert, und wenn sie ihr Dasein an den Universitäten und in den Klöstern weiter fristete, so war es lediglich die vis inertiue, die sie hielt, und der Umstand, daß sie Einiges von dem Neuen in ihr System, so gut es gehen wollte, ausnahm. AIs Philister und Schwachlöpfe lebten sie fortan in der öffentlichen Meinung fort. Wie chinesische Porzellangötzen wackelten sie noch ein paar Jahrzehnte auf ihren Lehrkanzeln weiter, bis ihnen endlich da, wo Luthers Lehre durchdrang, ihre Stühle umgestoßen wurden. Im ersten Jahrzehnt des Säculums der Reformation waren die Humanisten vorzüglich in Tübingen, Heidelberg und Erfurt mächtig. Letztgenannte Hoch¬ schule genoß bis zum-Ende dieses Decenniums, wo Pest und bürgerliche Un¬ ruhen ihrer Bedeutung für immer ein Ende machten, in Deutschland eines so großen Ansehens, daß, wie Luther sagt, alle übrigen Universitäten dagegen wie kleine Schützcnschulen erschienen. Natürlich waren viele Lehrstühle hier noch mit Professoren alten Schlags besetzt, aber dieselben verhielten sich ziemlich still, und neben ihnen wirkte der Einfluß Mutians und blühte der lateinische Dichter Eovan Hesse, der in seiner Kunst damals für den Ersten galt und mit Recht — denn er war in der That ein begabter Poet — selbst jenseits der Grenzen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/518>, abgerufen am 23.12.2024.