Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.Mitte des sechzehnten vergleicht, bei welchen schon die Rückkehr zur classischen Außerdem aber hat die geistige Arbeit, welche dieses später von den Hu¬ Die Scholastik, welche das Mönchslatein erzeugte, hat der Wissenschaft Betrachten wir die Tradition aus dem Alterthum, aus der die mittelalter¬ Dazu trat aber noch ein Zweites. Wie die Religionsphilosophie nach Mitte des sechzehnten vergleicht, bei welchen schon die Rückkehr zur classischen Außerdem aber hat die geistige Arbeit, welche dieses später von den Hu¬ Die Scholastik, welche das Mönchslatein erzeugte, hat der Wissenschaft Betrachten wir die Tradition aus dem Alterthum, aus der die mittelalter¬ Dazu trat aber noch ein Zweites. Wie die Religionsphilosophie nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0483" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284953"/> <p xml:id="ID_1557" prev="#ID_1556"> Mitte des sechzehnten vergleicht, bei welchen schon die Rückkehr zur classischen<lb/> Redeweise mit ihren vielen Umschreibungen eingewirkt hat, wird darüber nicht<lb/> in Zweifel sein. Jedenfalls paßte dieses Latein des Mittelalters sehr wohl für<lb/> den Geist der Zeit und ihrer Wissenschaft, die es sich ja allmälig aus der ihr<lb/> überlieferten, schon stark veränderten Sprache der letzten Jahrhunderte des West¬<lb/> römerreichs durch allerlei Neubildungen vorzüglich abstracter Wörter geschaffen<lb/> hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1558"> Außerdem aber hat die geistige Arbeit, welche dieses später von den Hu¬<lb/> manisten viel verspottete Idiom gestaltete, bei der Umbildung des Deutschen<lb/> aus einer armen und blos sinnlichen Natursprache in eine reiche und des Aus¬<lb/> drucks auch der abstraktesten Begriffe fähige Schrift- und Cultursprache, in<lb/> welcher Eigenschaft es sich bereits, in den mittelhochdeutschen Dichtungen dar¬<lb/> stellt, als ein sehr wesentlicher, ja vielleicht als der wichtigste Factor mit¬<lb/> gewirkt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1559"> Die Scholastik, welche das Mönchslatein erzeugte, hat der Wissenschaft<lb/> direct wenig genützt, indirect aber hat sie für die Heranbildung der Deutschen<lb/> zu dem, was sie jetzt sind, ihren Theil beigetragen; sie war kein Fortschritt<lb/> unseres Wissens im Allgemeinen, aber doch ein erheblicher Fortschritt der ger-<lb/> manischen Völker zu höherem Dasein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1560"> Betrachten wir die Tradition aus dem Alterthum, aus der die mittelalter¬<lb/> liche Wissenschaft zunächst erwuchs, genauer, so war dieselbe erstens, wie be¬<lb/> merkt, nur ein schwacher Abglanz des Strebens, Wissens und Könnens der<lb/> alten Welt, und überdies ein Abglanz fast nur der schon getrübten, verkommenden<lb/> und kraftlos stockenden Epigonenzeit dieser Welt, einer Periode, die mit ihrer<lb/> Trockenheit, ihrer bloßen Wortgelehrsamkeit, ihrer Neigung zum Begriffspalten,<lb/> ihrer Schwulst im Ausdruck, ihrem symbolisiren und Allegorisiren weit mehr<lb/> einen orientalischen als einen der classischen Denk- und Sinnesart verwandten<lb/> Charakter trägt^ Für die rohe Welt, in welche dieser Same siel, war es indeß<lb/> immerhin ein Schatz und ein solcher, dessen Aneignung, Durchdringung und<lb/> Verarbeitung einen mächtigen Aufwand von geistiger Kraft erforderte, zumal<lb/> mit dieser Aufgabe zugleich'die andere gleich schwierige an die germanische<lb/> Weit herantrat, sich die Räthsel zu lösen, als welche die Dogmen der christ¬<lb/> lichen Kirche sich einem Naturvolke gegenüberstellten. An diesen Aufgaben hat<lb/> das ganze Mittelalter, soweit es in unsre Betrachtung gehört, mit allen Kräften<lb/> gearbeitet, und so blieben ihm keine übrig für anderweite Thätigkeit auf dem<lb/> Gebiete des Wissens. Die Folge war. daß die Schule den ihr zugeführten<lb/> geistigen Besitz trotz größter Anstrengung nur innerhalb der Grenzen weiter<lb/> entwickelte, die ihr durch die Tradition und einiges später Hinzugekommene<lb/> gezogen waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_1561" next="#ID_1562"> Dazu trat aber noch ein Zweites. Wie die Religionsphilosophie nach</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0483]
Mitte des sechzehnten vergleicht, bei welchen schon die Rückkehr zur classischen
Redeweise mit ihren vielen Umschreibungen eingewirkt hat, wird darüber nicht
in Zweifel sein. Jedenfalls paßte dieses Latein des Mittelalters sehr wohl für
den Geist der Zeit und ihrer Wissenschaft, die es sich ja allmälig aus der ihr
überlieferten, schon stark veränderten Sprache der letzten Jahrhunderte des West¬
römerreichs durch allerlei Neubildungen vorzüglich abstracter Wörter geschaffen
hatte.
Außerdem aber hat die geistige Arbeit, welche dieses später von den Hu¬
manisten viel verspottete Idiom gestaltete, bei der Umbildung des Deutschen
aus einer armen und blos sinnlichen Natursprache in eine reiche und des Aus¬
drucks auch der abstraktesten Begriffe fähige Schrift- und Cultursprache, in
welcher Eigenschaft es sich bereits, in den mittelhochdeutschen Dichtungen dar¬
stellt, als ein sehr wesentlicher, ja vielleicht als der wichtigste Factor mit¬
gewirkt.
Die Scholastik, welche das Mönchslatein erzeugte, hat der Wissenschaft
direct wenig genützt, indirect aber hat sie für die Heranbildung der Deutschen
zu dem, was sie jetzt sind, ihren Theil beigetragen; sie war kein Fortschritt
unseres Wissens im Allgemeinen, aber doch ein erheblicher Fortschritt der ger-
manischen Völker zu höherem Dasein.
Betrachten wir die Tradition aus dem Alterthum, aus der die mittelalter¬
liche Wissenschaft zunächst erwuchs, genauer, so war dieselbe erstens, wie be¬
merkt, nur ein schwacher Abglanz des Strebens, Wissens und Könnens der
alten Welt, und überdies ein Abglanz fast nur der schon getrübten, verkommenden
und kraftlos stockenden Epigonenzeit dieser Welt, einer Periode, die mit ihrer
Trockenheit, ihrer bloßen Wortgelehrsamkeit, ihrer Neigung zum Begriffspalten,
ihrer Schwulst im Ausdruck, ihrem symbolisiren und Allegorisiren weit mehr
einen orientalischen als einen der classischen Denk- und Sinnesart verwandten
Charakter trägt^ Für die rohe Welt, in welche dieser Same siel, war es indeß
immerhin ein Schatz und ein solcher, dessen Aneignung, Durchdringung und
Verarbeitung einen mächtigen Aufwand von geistiger Kraft erforderte, zumal
mit dieser Aufgabe zugleich'die andere gleich schwierige an die germanische
Weit herantrat, sich die Räthsel zu lösen, als welche die Dogmen der christ¬
lichen Kirche sich einem Naturvolke gegenüberstellten. An diesen Aufgaben hat
das ganze Mittelalter, soweit es in unsre Betrachtung gehört, mit allen Kräften
gearbeitet, und so blieben ihm keine übrig für anderweite Thätigkeit auf dem
Gebiete des Wissens. Die Folge war. daß die Schule den ihr zugeführten
geistigen Besitz trotz größter Anstrengung nur innerhalb der Grenzen weiter
entwickelte, die ihr durch die Tradition und einiges später Hinzugekommene
gezogen waren.
Dazu trat aber noch ein Zweites. Wie die Religionsphilosophie nach
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |