Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.begannen selbst die Reihen der ungarischen Royalisten zu wanken. Ein Appony, Auf der Linken traten die Führer der Bcschlußpartei vom Jahre 1861 hervor, S5*
begannen selbst die Reihen der ungarischen Royalisten zu wanken. Ein Appony, Auf der Linken traten die Führer der Bcschlußpartei vom Jahre 1861 hervor, S5*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284931"/> <p xml:id="ID_1492" prev="#ID_1491"> begannen selbst die Reihen der ungarischen Royalisten zu wanken. Ein Appony,<lb/> ein Barkal. erstrcr ein aus der absolutistischen Periode in die 48er Nechtscontinuität<lb/> übersetzter „Altconservativer", de> zweite ein mit dcakschen Principien gesättigter<lb/> jüngerer Regicrnngsmann, beide die hervorragendsten Kapacitäten der rechten Seite<lb/> im diesmaligen Landtage, hatten sich im Laufe der ersten Adreßdebatte bis hart<lb/> an die Grenze des dcakschen Lagers vorgewagt und standen schon im Begriff, den<lb/> einen Fuß hinüberzusetzen. Herr v. Barkal, Vicepräsident der ungarischen Statthaltern,<lb/> hatte durch die weitläufige Entwicklung eines förmlichen Ausgleichsprogrammes die<lb/> ganze Discussion über den ersten Adreßentwurf provocirt, da sonst die Majorität<lb/> entschlossen war, die Adresse ohne Debatte einstimmig anzunehmen. Mehre Tage<lb/> lang wogte dann der Nedekampf im Landtagssaale, die bedeutendsten Männer der<lb/> einzelnen Parteien traten nach einander in das Gefecht ein, und allmülig gewann<lb/> man einen sichern Ueberblick über die nunmehrige Parteigruvpirung, der, an und<lb/> für sich interessant, ein erhöhtes Interesse dadurch erhielt, daß man dabei zugleich<lb/> die Aussichten auf das wahrscheinliche Resultat des parlamentarischen und staats¬<lb/> rechtlichen Kampfes ermessen konnte. Im Centrum führte Deal und sein geistreicher<lb/> Freund, Baron Eötvös, auf der Rechten avancirte zuerst Edmund v. Zsedenyi, ein<lb/> energischer Altconservativcr, der muthige Vorkämpfer der ungarischen Protestanten<lb/> gegen die thunsche Concordatspolitik im Jahre 1,859, ein geistvoller, schlagfertiger<lb/> Redner. Er war der Einzige, welcher rücksichtslos gegen d>e starre Theorie der 48er<lb/> Nechtscontinuität und die abstracten Conscquenzmncher derselben anging. Graf<lb/> Appony, welchen ich schon oben genannt, zur Zeit Schmerlings >Iuclsx euriae<lb/> (oberster Königsrichter, Justizpräsidcnt) in Ungarn, später wegen seiner eifrigen und<lb/> ausdauernden Vermittlungsintrigucn dem schmerlingschen Einfluß weichend, versuchte<lb/> auch im Landtagssaale eine Brücke zu schlagen, auf welcher sich Regierung und<lb/> Majorität begegnen könnten. Der eigentlich entscheidende Punkt des heutigen Con¬<lb/> flictes, ob die 48er Gesetze vor der Revision — wie die strenge Nechtscoutinuitäts-<lb/> partei fordert — factisch ins Werk gesetzt, oder ob — nach Ansicht der Negierung<lb/> — diese Gesetze erst revidirt, dann activirt werden sollen: diesen Kernpunkt hatte<lb/> Gras Appony nicht direct berührt, sondern mehr umgangen, um nur Hoffnungen<lb/> und Vertrauen nach beiden Seiten zu wecken und sich selbst nach keiner Seite<lb/> unmöglich zu machen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1493" next="#ID_1494"> Auf der Linken traten die Führer der Bcschlußpartei vom Jahre 1861 hervor,<lb/> jener großen, im Lande populären, modern-demokratischen Partei, deren geistiges<lb/> Haupt einst der Emigrant Graf Ladislaus Teleki kurz vor Beginn der Landtags¬<lb/> fession 1861 sein Leben im Selbstmord endete, in verzweifelter Erkenntniß der Un-<lb/> durchsührbarkeit seiner eigenen Ideen und im Persönlichen Conflict zwischen der<lb/> harten politischen Pflicht und dem Gefühle persönlicher Dankbarkeit gegen jenen<lb/> Herrscher, welchen er im offnen Parlamcntskampfe entgegenzutreten berufen war.<lb/> Graf Telckis politische Erbschaft ward von seinen Parteifreunden im Landtage 1861<lb/> angetreten. Sie führte nach Erledigung der ersten Adresse, in welcher dem Kaiser<lb/> selbst der Titel eines legitimen ungarischen Königs vorenthalten war und nach¬<lb/> dem das schmcrlingsche Cabinet der Theorie der Nechtscontinuität die ebenso<lb/> harte Theorie der Rechtsvcrwirkung entgegengestellt, zur Auflösung des Landtages.<lb/> '</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> S5*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0461]
begannen selbst die Reihen der ungarischen Royalisten zu wanken. Ein Appony,
ein Barkal. erstrcr ein aus der absolutistischen Periode in die 48er Nechtscontinuität
übersetzter „Altconservativer", de> zweite ein mit dcakschen Principien gesättigter
jüngerer Regicrnngsmann, beide die hervorragendsten Kapacitäten der rechten Seite
im diesmaligen Landtage, hatten sich im Laufe der ersten Adreßdebatte bis hart
an die Grenze des dcakschen Lagers vorgewagt und standen schon im Begriff, den
einen Fuß hinüberzusetzen. Herr v. Barkal, Vicepräsident der ungarischen Statthaltern,
hatte durch die weitläufige Entwicklung eines förmlichen Ausgleichsprogrammes die
ganze Discussion über den ersten Adreßentwurf provocirt, da sonst die Majorität
entschlossen war, die Adresse ohne Debatte einstimmig anzunehmen. Mehre Tage
lang wogte dann der Nedekampf im Landtagssaale, die bedeutendsten Männer der
einzelnen Parteien traten nach einander in das Gefecht ein, und allmülig gewann
man einen sichern Ueberblick über die nunmehrige Parteigruvpirung, der, an und
für sich interessant, ein erhöhtes Interesse dadurch erhielt, daß man dabei zugleich
die Aussichten auf das wahrscheinliche Resultat des parlamentarischen und staats¬
rechtlichen Kampfes ermessen konnte. Im Centrum führte Deal und sein geistreicher
Freund, Baron Eötvös, auf der Rechten avancirte zuerst Edmund v. Zsedenyi, ein
energischer Altconservativcr, der muthige Vorkämpfer der ungarischen Protestanten
gegen die thunsche Concordatspolitik im Jahre 1,859, ein geistvoller, schlagfertiger
Redner. Er war der Einzige, welcher rücksichtslos gegen d>e starre Theorie der 48er
Nechtscontinuität und die abstracten Conscquenzmncher derselben anging. Graf
Appony, welchen ich schon oben genannt, zur Zeit Schmerlings >Iuclsx euriae
(oberster Königsrichter, Justizpräsidcnt) in Ungarn, später wegen seiner eifrigen und
ausdauernden Vermittlungsintrigucn dem schmerlingschen Einfluß weichend, versuchte
auch im Landtagssaale eine Brücke zu schlagen, auf welcher sich Regierung und
Majorität begegnen könnten. Der eigentlich entscheidende Punkt des heutigen Con¬
flictes, ob die 48er Gesetze vor der Revision — wie die strenge Nechtscoutinuitäts-
partei fordert — factisch ins Werk gesetzt, oder ob — nach Ansicht der Negierung
— diese Gesetze erst revidirt, dann activirt werden sollen: diesen Kernpunkt hatte
Gras Appony nicht direct berührt, sondern mehr umgangen, um nur Hoffnungen
und Vertrauen nach beiden Seiten zu wecken und sich selbst nach keiner Seite
unmöglich zu machen.
Auf der Linken traten die Führer der Bcschlußpartei vom Jahre 1861 hervor,
jener großen, im Lande populären, modern-demokratischen Partei, deren geistiges
Haupt einst der Emigrant Graf Ladislaus Teleki kurz vor Beginn der Landtags¬
fession 1861 sein Leben im Selbstmord endete, in verzweifelter Erkenntniß der Un-
durchsührbarkeit seiner eigenen Ideen und im Persönlichen Conflict zwischen der
harten politischen Pflicht und dem Gefühle persönlicher Dankbarkeit gegen jenen
Herrscher, welchen er im offnen Parlamcntskampfe entgegenzutreten berufen war.
Graf Telckis politische Erbschaft ward von seinen Parteifreunden im Landtage 1861
angetreten. Sie führte nach Erledigung der ersten Adresse, in welcher dem Kaiser
selbst der Titel eines legitimen ungarischen Königs vorenthalten war und nach¬
dem das schmcrlingsche Cabinet der Theorie der Nechtscontinuität die ebenso
harte Theorie der Rechtsvcrwirkung entgegengestellt, zur Auflösung des Landtages.
'
S5*
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |