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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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mehr und nichts weniger als die alte Menschenfresserei, noch verdüstert durch
eine wüste Mystik und verschärft durch einen Haß gegen die Fremden, der selbst
Wohlthäter nicht verschonte.

Wir erzählten soeben, wie die Engländer im April 1864 in dem Gefecht
bei Ahuaha geschlagen wurden, und wie dabei unter anderen der Capitän Lloyd
siel. Die Maori, welche das Feld behaupteten, tranken sein Blut, schnitten
ihm den Kopf ab und begruben ihn dann. Da erschien in der folgenden Nacht
dem Tena aus Ngatiruanni, der angetrunken, der Erzengel Gabriel und offen¬
barte ihm. daß der Kopf des Capitains wieder ausgegraben werden müsse, um
nach altem Brauch geräuchert zu werden. Derselbe werde dann als Vermittler
zwischen den Menschen und Jehova diene" und sofort sagen, was weiter zu
geschehen habe. Man that nach dieser Verkündigung, und siehe da, der Kopf
hob wirklich an zu sprechen. Er predigte einen neuen Glauben und ernannte
zu dessen Oberpriestern drei Maori: jenen Tena, dann den Hepanaia aus Ta-
ranaki und den Matene Nangitauira aus Waganui. Weiter lehrte und weis¬
sagte der Kops: Die Religion, welche die Pakeha als schriftmäßig lehren, ist
falsch, die Bibel muß verbrannt werden, die Sabbaths^i r der Missionäre muß
aufhören; denn alle Tage sind gleich gut und heilig, die Ehe ist abzuschaffen,
Männer und Frauen sollen gemischt durcheinander leben, damit die Kinder sich
mehren wie der Sand an der See. Sacramente sind Wasser, in welches Lloyds
Kopf getaucht ist. und das Wort Hau, Das Wasser wird von den Proselyten
getrunken, auch gießt man es ihnen über den Kopf, während sie sich verpflichten,
von nun an jeden Fremden ohne Unterschied zu todten und nicht eher zu ruhen,
als bis alle Pakeha von den neuseeländischen Inseln verjagt sind. Das Wort
Hau (auf!) ist recht oft und in der Weise des Hundcgebells auszuspreche".
wozu gewisse Bewegungen mit den Händen zu machen sind. Wer sich dieses
Sacraments fleißig bedient, wendet alle Gefahren von sich ab und wird Hieb¬
und schußfest. Den Priestern ist die Macht verliehen, jedem Maori die englische
Sprache in einer einzigen Unterrichtsstunde zu lehren, vorausgesetzt, daß das
Volk sich zu bestimmter Zeit unter einem Flaggenstock mit einer gewissen Flagge
versammelt und in einer besondern Stellung des Körpers verharrt. Daß diese
Procedur probat, bewies vor einiger Zeit der Oberpriester Matene in Waitotara.
Dort nahm er ein Zeitungsblatt, las laut englische Sätze daraus vor und
übertrug sie so gewandt in die Maori-Sprache, daß er sofort mehre Proselyten
machte.

In nicht langer Zeit, so spricht das Todtenkopfsorakel weiter, werden
die Gläubigen überall den Sieg gewinnen. Denn sie stehen unter dem beson¬
dern Schutz der Jungfrau Maria, die persönlich unter ihnen erscheinen wird
(ks giebt auch katholische Missionen auf Neuseeland) und bei dem Werke der
Vertilgung der Pakeha wird der Erzengel Gabriel mit einer Schaar anderer


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mehr und nichts weniger als die alte Menschenfresserei, noch verdüstert durch
eine wüste Mystik und verschärft durch einen Haß gegen die Fremden, der selbst
Wohlthäter nicht verschonte.

Wir erzählten soeben, wie die Engländer im April 1864 in dem Gefecht
bei Ahuaha geschlagen wurden, und wie dabei unter anderen der Capitän Lloyd
siel. Die Maori, welche das Feld behaupteten, tranken sein Blut, schnitten
ihm den Kopf ab und begruben ihn dann. Da erschien in der folgenden Nacht
dem Tena aus Ngatiruanni, der angetrunken, der Erzengel Gabriel und offen¬
barte ihm. daß der Kopf des Capitains wieder ausgegraben werden müsse, um
nach altem Brauch geräuchert zu werden. Derselbe werde dann als Vermittler
zwischen den Menschen und Jehova diene» und sofort sagen, was weiter zu
geschehen habe. Man that nach dieser Verkündigung, und siehe da, der Kopf
hob wirklich an zu sprechen. Er predigte einen neuen Glauben und ernannte
zu dessen Oberpriestern drei Maori: jenen Tena, dann den Hepanaia aus Ta-
ranaki und den Matene Nangitauira aus Waganui. Weiter lehrte und weis¬
sagte der Kops: Die Religion, welche die Pakeha als schriftmäßig lehren, ist
falsch, die Bibel muß verbrannt werden, die Sabbaths^i r der Missionäre muß
aufhören; denn alle Tage sind gleich gut und heilig, die Ehe ist abzuschaffen,
Männer und Frauen sollen gemischt durcheinander leben, damit die Kinder sich
mehren wie der Sand an der See. Sacramente sind Wasser, in welches Lloyds
Kopf getaucht ist. und das Wort Hau, Das Wasser wird von den Proselyten
getrunken, auch gießt man es ihnen über den Kopf, während sie sich verpflichten,
von nun an jeden Fremden ohne Unterschied zu todten und nicht eher zu ruhen,
als bis alle Pakeha von den neuseeländischen Inseln verjagt sind. Das Wort
Hau (auf!) ist recht oft und in der Weise des Hundcgebells auszuspreche».
wozu gewisse Bewegungen mit den Händen zu machen sind. Wer sich dieses
Sacraments fleißig bedient, wendet alle Gefahren von sich ab und wird Hieb¬
und schußfest. Den Priestern ist die Macht verliehen, jedem Maori die englische
Sprache in einer einzigen Unterrichtsstunde zu lehren, vorausgesetzt, daß das
Volk sich zu bestimmter Zeit unter einem Flaggenstock mit einer gewissen Flagge
versammelt und in einer besondern Stellung des Körpers verharrt. Daß diese
Procedur probat, bewies vor einiger Zeit der Oberpriester Matene in Waitotara.
Dort nahm er ein Zeitungsblatt, las laut englische Sätze daraus vor und
übertrug sie so gewandt in die Maori-Sprache, daß er sofort mehre Proselyten
machte.

In nicht langer Zeit, so spricht das Todtenkopfsorakel weiter, werden
die Gläubigen überall den Sieg gewinnen. Denn sie stehen unter dem beson¬
dern Schutz der Jungfrau Maria, die persönlich unter ihnen erscheinen wird
(ks giebt auch katholische Missionen auf Neuseeland) und bei dem Werke der
Vertilgung der Pakeha wird der Erzengel Gabriel mit einer Schaar anderer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/453>, abgerufen am 22.12.2024.