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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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xrolocutor), Ausrufer oder dialektisch Ausriefer. Treten vornehme Personen
auf, so vertritt diese Stelle ein Herold, neben dem dann Wohl noch ein be¬
sonderer Narr und eine Närrin figuriren. Weil man nicht an öffentlichen Orten
spielte, sondern in Privathäusern und in dieselben ungeladen eintrat, so
bedürfte es einer Person, die zum Plcchmachcn auffordert, die Anwesenden
begrüßt, den Inhalt des aufzuführenden Spiels ankündigt, für Ruhe sorgt und
am Schlüsse Urlaub nimmt. Insofern dieser Abschied mit guten Wünschen für
das Haus schließt, heißt der Epilogus auch der Gesegner, der Urlaub der
Gesegnereim.

Sobald die Spieler ein Haus betreten, wird für sie Platz geschafft. Kinder
und Wiegen und alles im Wege stehende Mobiliar weggeräumt, die Hunde
hinausgejagt, Bänke aufgestellt, damit die Zuschauer darauf treten und allen
geboten "die Mäuler" zu halten, den Ruhestörern wird die Thür gewiesen.
Was zu dem Hause gehört, hört dem Spiele zu, daher die Mannigfaltigkeit
in den Anreden des Vorläufers: her wirt, wirt und frau, Wirt und Wirtin;
Wirt, frau und alles, das do in dem Haus ist; der wirt und sein gefind, frau,
kind, hausdirn. Und da das Schellengcklingel die Aufmerksamkeit der Nachbarn
erweckte, so fanden sich auch Gäste ein, wirt und geht, und daher kommen die
weiter gehenden Anreden: ir Herren und ir frauen, ir mannen und ir werden
flauen, selten wohl umgekehrt ir frauen und ir mannen, auch ir lieben freunt
oder nu verneinend alle, Weib und man, die sich hier gesammt dann, oder
IV, 216:

Daß die Frauen zugegen gewesen sind, ist hiernach unzweifelhaft; ein moderner
Leser vieler Spiele wird es sonst kaum für möglich halten.

War das Spiel zu Ende, so folgte Gesang und Tanz; denn Geigen und
Flöten, Pfeifen und Pauken hatten die Spielleute, welche die Schauspieler be¬
gleiteten, mitgebracht. Je länger Frauen und Mädchen, auch das Gesinde,
auf diese Lustbarkeit wegen der Länge des Spiels haben warten müssen, um
so lustiger und lauter ertönt der Zuruf: pfeif auf, spilmann, mach uns ein
reien oder: pank auf und mach die feiten klingen. Reihen, also Springtänze
wurden getanzt, von denen der neunauf (Siebensprung in Schwaben) und der
kiüenpein beiläufig genannt werden. Daß die Spieler sich hauptsächlich an
dem Tanze betheiligen, ist selbstverständlich.

Erst nach dem Tanze folgte das Schlußwort des Ausschreiers: nie ohne
Entschuldigung für etwa zu grob gesponnene Späße und mit den besten Wün¬
schen für daS ganze Haus. Geschenke werden nicht gegeben, nur Wein wird


xrolocutor), Ausrufer oder dialektisch Ausriefer. Treten vornehme Personen
auf, so vertritt diese Stelle ein Herold, neben dem dann Wohl noch ein be¬
sonderer Narr und eine Närrin figuriren. Weil man nicht an öffentlichen Orten
spielte, sondern in Privathäusern und in dieselben ungeladen eintrat, so
bedürfte es einer Person, die zum Plcchmachcn auffordert, die Anwesenden
begrüßt, den Inhalt des aufzuführenden Spiels ankündigt, für Ruhe sorgt und
am Schlüsse Urlaub nimmt. Insofern dieser Abschied mit guten Wünschen für
das Haus schließt, heißt der Epilogus auch der Gesegner, der Urlaub der
Gesegnereim.

Sobald die Spieler ein Haus betreten, wird für sie Platz geschafft. Kinder
und Wiegen und alles im Wege stehende Mobiliar weggeräumt, die Hunde
hinausgejagt, Bänke aufgestellt, damit die Zuschauer darauf treten und allen
geboten „die Mäuler" zu halten, den Ruhestörern wird die Thür gewiesen.
Was zu dem Hause gehört, hört dem Spiele zu, daher die Mannigfaltigkeit
in den Anreden des Vorläufers: her wirt, wirt und frau, Wirt und Wirtin;
Wirt, frau und alles, das do in dem Haus ist; der wirt und sein gefind, frau,
kind, hausdirn. Und da das Schellengcklingel die Aufmerksamkeit der Nachbarn
erweckte, so fanden sich auch Gäste ein, wirt und geht, und daher kommen die
weiter gehenden Anreden: ir Herren und ir frauen, ir mannen und ir werden
flauen, selten wohl umgekehrt ir frauen und ir mannen, auch ir lieben freunt
oder nu verneinend alle, Weib und man, die sich hier gesammt dann, oder
IV, 216:

Daß die Frauen zugegen gewesen sind, ist hiernach unzweifelhaft; ein moderner
Leser vieler Spiele wird es sonst kaum für möglich halten.

War das Spiel zu Ende, so folgte Gesang und Tanz; denn Geigen und
Flöten, Pfeifen und Pauken hatten die Spielleute, welche die Schauspieler be¬
gleiteten, mitgebracht. Je länger Frauen und Mädchen, auch das Gesinde,
auf diese Lustbarkeit wegen der Länge des Spiels haben warten müssen, um
so lustiger und lauter ertönt der Zuruf: pfeif auf, spilmann, mach uns ein
reien oder: pank auf und mach die feiten klingen. Reihen, also Springtänze
wurden getanzt, von denen der neunauf (Siebensprung in Schwaben) und der
kiüenpein beiläufig genannt werden. Daß die Spieler sich hauptsächlich an
dem Tanze betheiligen, ist selbstverständlich.

Erst nach dem Tanze folgte das Schlußwort des Ausschreiers: nie ohne
Entschuldigung für etwa zu grob gesponnene Späße und mit den besten Wün¬
schen für daS ganze Haus. Geschenke werden nicht gegeben, nur Wein wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/412>, abgerufen am 29.09.2024.