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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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weiter von der Schwierigkeit des Suchens, von der Verstocktheit vieler Briefe
z. B. in englischen "Raritätenkästen" redet, so nimmt sich diese Klage eigen¬
thümlich aus in dem Munde eines Mannes, dem, wie wir sehen werden, nicht
einmal alle bereits gedruckten Briefe bekannt gewesen sind.

Was die Redaction betrifft, sagt er in der Vorrede weiter, so habe er
orthographische Fehler corrigirt. Beethovens eigenthümliche Schreibart in Gram¬
matik oder vielmehr Syntax aber nicht angetastet. Man steht aber sehr
leicht, wie wenig ihm die Grenze zwischen orthographischen Fehlern und gram¬
matischen Eigenthümlichkeiten der Zeit deutlich ist, und mit welcher Willkür er
oft in Interpunktion und dergleichen Beethoven corrigiren will, selbst in Briefen,
die schon früher von andern gedruckt waren. Wollte er solche Correctur üben,
so mußte er auch gegen sich selbst strenger sein, und nicht z. B. S. 14 schreiben:
"(Beethoven) verfuhr mit den Herren sehr didaktorisch."

Was er dann weiter über den Charakter dieser Briefe und Beethovens
überhaupt in seinen gewöhnlichen unklaren und überspannten Phrasen sagt, in
denen man deutlich den Einfluß Richard Wagners*) merkt, müssen wir über¬
gehen. Interessant ist nur, mit welcher Entschuldigung er sich von der Auf¬
gabe entbindet, neben den Briefen einen erläuternden biographischen Text her¬
gehen zu lassen, dessen Fehlen man bei Beethoven mehr empfindet wie bei
Mozart, der aber hier auch viel schwerer herzustellen war. Ein elektrischer Strom,
sagt er, verbindet diese Blätter, ich -- Rost -- empfand ihn überraschend und
überzeugte mich, daß denselben ein biographischer Commentar nur stören würde.

Wir verlassen die grandiosen Redensarten, unter denen u. a. auch wieder
die Parallele zwischen Beethoven und Napoleon, auftaucht, welche wir schon
aus der Biographie kennen, und wenden uns zu dem Inhalte selbst, um
in sehen, was uns denn nun eigentlich mit so großem Gepränge Neues ge¬
boten wird.

Zunächst müssen wir hier eine Anzahl von Nummern abrechnen, die unserer
Meinung nach in eine Briefsammlung gar nicht gehörten. Von der Dedication
der ersten Sonaten (1) und von einem Entwürfe einer Eingabe (49) ist Rost
selbst der Ansicht, daß Beethoven sie nicht verfaßt habe; trotzdem müssen sie
die Zahl seiner Nummern vermehren helfen. Mehre andere amtliche Eingaben
und Actenstücke, wenn sie auch in gewisser Weise für ihn charakteristisch sind,
gehörten uicht in die Sammlung (Ur. 3. 46. 116, 221. 223. 399). und noch
dick weniger gewisse in Zeitungen erlassene Erklärungen über seine Compositionen
(Ur. 27. 30. 107. 113. 114),**) oder gar die Dedication des Trios 0p. 38




') "Dem Meister Richard Wagner" ist das Buch gewidmet.
Wollte Herr Rost hier vollständig sein, so mußte er auch die Erklärung über das
^-6ur-Qui"tett. die über die <ü-6ur-Ouverture und die Concertanzeige vom 24. Februar 1824
^'t aufnehmen, die er alle bei Thayer finden konnte.

weiter von der Schwierigkeit des Suchens, von der Verstocktheit vieler Briefe
z. B. in englischen „Raritätenkästen" redet, so nimmt sich diese Klage eigen¬
thümlich aus in dem Munde eines Mannes, dem, wie wir sehen werden, nicht
einmal alle bereits gedruckten Briefe bekannt gewesen sind.

Was die Redaction betrifft, sagt er in der Vorrede weiter, so habe er
orthographische Fehler corrigirt. Beethovens eigenthümliche Schreibart in Gram¬
matik oder vielmehr Syntax aber nicht angetastet. Man steht aber sehr
leicht, wie wenig ihm die Grenze zwischen orthographischen Fehlern und gram¬
matischen Eigenthümlichkeiten der Zeit deutlich ist, und mit welcher Willkür er
oft in Interpunktion und dergleichen Beethoven corrigiren will, selbst in Briefen,
die schon früher von andern gedruckt waren. Wollte er solche Correctur üben,
so mußte er auch gegen sich selbst strenger sein, und nicht z. B. S. 14 schreiben:
„(Beethoven) verfuhr mit den Herren sehr didaktorisch."

Was er dann weiter über den Charakter dieser Briefe und Beethovens
überhaupt in seinen gewöhnlichen unklaren und überspannten Phrasen sagt, in
denen man deutlich den Einfluß Richard Wagners*) merkt, müssen wir über¬
gehen. Interessant ist nur, mit welcher Entschuldigung er sich von der Auf¬
gabe entbindet, neben den Briefen einen erläuternden biographischen Text her¬
gehen zu lassen, dessen Fehlen man bei Beethoven mehr empfindet wie bei
Mozart, der aber hier auch viel schwerer herzustellen war. Ein elektrischer Strom,
sagt er, verbindet diese Blätter, ich — Rost — empfand ihn überraschend und
überzeugte mich, daß denselben ein biographischer Commentar nur stören würde.

Wir verlassen die grandiosen Redensarten, unter denen u. a. auch wieder
die Parallele zwischen Beethoven und Napoleon, auftaucht, welche wir schon
aus der Biographie kennen, und wenden uns zu dem Inhalte selbst, um
in sehen, was uns denn nun eigentlich mit so großem Gepränge Neues ge¬
boten wird.

Zunächst müssen wir hier eine Anzahl von Nummern abrechnen, die unserer
Meinung nach in eine Briefsammlung gar nicht gehörten. Von der Dedication
der ersten Sonaten (1) und von einem Entwürfe einer Eingabe (49) ist Rost
selbst der Ansicht, daß Beethoven sie nicht verfaßt habe; trotzdem müssen sie
die Zahl seiner Nummern vermehren helfen. Mehre andere amtliche Eingaben
und Actenstücke, wenn sie auch in gewisser Weise für ihn charakteristisch sind,
gehörten uicht in die Sammlung (Ur. 3. 46. 116, 221. 223. 399). und noch
dick weniger gewisse in Zeitungen erlassene Erklärungen über seine Compositionen
(Ur. 27. 30. 107. 113. 114),**) oder gar die Dedication des Trios 0p. 38




') „Dem Meister Richard Wagner" ist das Buch gewidmet.
Wollte Herr Rost hier vollständig sein, so mußte er auch die Erklärung über das
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[0389] weiter von der Schwierigkeit des Suchens, von der Verstocktheit vieler Briefe z. B. in englischen „Raritätenkästen" redet, so nimmt sich diese Klage eigen¬ thümlich aus in dem Munde eines Mannes, dem, wie wir sehen werden, nicht einmal alle bereits gedruckten Briefe bekannt gewesen sind. Was die Redaction betrifft, sagt er in der Vorrede weiter, so habe er orthographische Fehler corrigirt. Beethovens eigenthümliche Schreibart in Gram¬ matik oder vielmehr Syntax aber nicht angetastet. Man steht aber sehr leicht, wie wenig ihm die Grenze zwischen orthographischen Fehlern und gram¬ matischen Eigenthümlichkeiten der Zeit deutlich ist, und mit welcher Willkür er oft in Interpunktion und dergleichen Beethoven corrigiren will, selbst in Briefen, die schon früher von andern gedruckt waren. Wollte er solche Correctur üben, so mußte er auch gegen sich selbst strenger sein, und nicht z. B. S. 14 schreiben: „(Beethoven) verfuhr mit den Herren sehr didaktorisch." Was er dann weiter über den Charakter dieser Briefe und Beethovens überhaupt in seinen gewöhnlichen unklaren und überspannten Phrasen sagt, in denen man deutlich den Einfluß Richard Wagners*) merkt, müssen wir über¬ gehen. Interessant ist nur, mit welcher Entschuldigung er sich von der Auf¬ gabe entbindet, neben den Briefen einen erläuternden biographischen Text her¬ gehen zu lassen, dessen Fehlen man bei Beethoven mehr empfindet wie bei Mozart, der aber hier auch viel schwerer herzustellen war. Ein elektrischer Strom, sagt er, verbindet diese Blätter, ich — Rost — empfand ihn überraschend und überzeugte mich, daß denselben ein biographischer Commentar nur stören würde. Wir verlassen die grandiosen Redensarten, unter denen u. a. auch wieder die Parallele zwischen Beethoven und Napoleon, auftaucht, welche wir schon aus der Biographie kennen, und wenden uns zu dem Inhalte selbst, um in sehen, was uns denn nun eigentlich mit so großem Gepränge Neues ge¬ boten wird. Zunächst müssen wir hier eine Anzahl von Nummern abrechnen, die unserer Meinung nach in eine Briefsammlung gar nicht gehörten. Von der Dedication der ersten Sonaten (1) und von einem Entwürfe einer Eingabe (49) ist Rost selbst der Ansicht, daß Beethoven sie nicht verfaßt habe; trotzdem müssen sie die Zahl seiner Nummern vermehren helfen. Mehre andere amtliche Eingaben und Actenstücke, wenn sie auch in gewisser Weise für ihn charakteristisch sind, gehörten uicht in die Sammlung (Ur. 3. 46. 116, 221. 223. 399). und noch dick weniger gewisse in Zeitungen erlassene Erklärungen über seine Compositionen (Ur. 27. 30. 107. 113. 114),**) oder gar die Dedication des Trios 0p. 38 ') „Dem Meister Richard Wagner" ist das Buch gewidmet. Wollte Herr Rost hier vollständig sein, so mußte er auch die Erklärung über das ^-6ur-Qui»tett. die über die <ü-6ur-Ouverture und die Concertanzeige vom 24. Februar 1824 ^'t aufnehmen, die er alle bei Thayer finden konnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/389>, abgerufen am 22.07.2024.