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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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kommnet. Bläser bewies sich dem gegenüber als echter und rechter Zögling der
berliner Schule: er scheute vor keiner Consequenz im Realismus zurück und
wußte das Ganze doch in bedeutender und großer monumentaler Wirkung zu
gestalten. Dies ganze am Brückeneingang postirte Baucollegium besteht aus
lauter Porträts; nicht die Köpfe allein, auch die Gestalten, die in diesen steifen
nüchternen Uniformen stecken, sind direct nach der Natur gemessen und Zug
für Zug. Form für Form porträtirt. Dasselbe gilt von dem Reiterzug des
Königs und der Prinzen. Wer es damals gesehen, vergißt nie den Anblick, als
dies' kolossale Reliefbild erst nackt aufgebaut war, und die Herren Geheimräthe
u. s. w. mit den bereits frappant ähnlichen Gesichtern und porträtgetreuen nackten
Gestalten riesengroß in Thon dastanden, resp, zu Roß saßen!!---

Aber Bläser zwang und bemeisterte in Wahrheit seine Aufgabe. In die,
im Grunde immer langweilige, Scene des officiellen Empfanges wußte er außer
durch die geistreiche Portrcitirung der Betreffenden, noch durch Hineinziehung
eines andern Elements ein frisches Leben und Interesse zu bringen: durch jene
Gruppen lithauisch, ostpreußischer Landleute, welche er dem Könige ihre Grüße
und ihre Gaben bringen läßt. Dieser ganze Theil der Composition ist von
so naiver gesunder, blühender Schönheit, Kraft und Anmuth, daß er selbst für
eine langweilige Behandlung der langweiligsten Hauptscene einigermaßen ent¬
schädigen mußte.

In den Zwickeln über und neben dem Spitzbogen des dirschauer Brücken¬
thores hat Bläser dann noch jene berühmten beiden Gestalten des Ingenieurs
und des Arbeiters gebildet, in welchen eine bekannte berliner demokratische Zei¬
tung die praktisch-künstlerische Lösung der "socialen Frage" sehn wollte. Wir
können uns zwar nicht zu gleicher Siedehitze echauffiren, werden aber immer
diesen beiden durch Conception und geschickte Raumbenutzung gleich trefflichen
Figuren die Anerkennung als Meisterwerke monumental-decorativer Plastik wer¬
den lassen, welche sie unbedingt verdienen. Und in gewiß nicht geringerem
Grade verdient dieselbe jene andre kolossale Gestalt, welche Bläser für das Thor
der kleinern (der marienburger) Eisenbahnbrücke über die Nogat wenig später
modellirte. die Statue des Herzogs Albrecht von Brandenburg-Preußen. Im
vollen reichen Harnisch des sechszehnten Jahrhunderts, das aufgerichtete Nitter-
schwert in der einen, das Bibelbuch in der andern stahlgewappneten Hand steht
er ruhig da, ein Bild ritterlicher Mannhaftigkeit und frommer Glaubensstärke
von unvergleichlicher Wucht und Wirkung.

Alle diese Brückenthordecorationen waren in der marchschen Fabrik in dem
neuerdings bei uns sehr in Aufnahme gekommenen Material, dem gebrannten
Thon, ausgeführt. Man hat ihn praktisch sehr bewährt gefunden; edler bleibt
doch immer die Bronce, Für die Ausführung in diesem classischen Material
der monumentalen Plastik modellirte Bläser unmittelbar danach (1861--63)


kommnet. Bläser bewies sich dem gegenüber als echter und rechter Zögling der
berliner Schule: er scheute vor keiner Consequenz im Realismus zurück und
wußte das Ganze doch in bedeutender und großer monumentaler Wirkung zu
gestalten. Dies ganze am Brückeneingang postirte Baucollegium besteht aus
lauter Porträts; nicht die Köpfe allein, auch die Gestalten, die in diesen steifen
nüchternen Uniformen stecken, sind direct nach der Natur gemessen und Zug
für Zug. Form für Form porträtirt. Dasselbe gilt von dem Reiterzug des
Königs und der Prinzen. Wer es damals gesehen, vergißt nie den Anblick, als
dies' kolossale Reliefbild erst nackt aufgebaut war, und die Herren Geheimräthe
u. s. w. mit den bereits frappant ähnlichen Gesichtern und porträtgetreuen nackten
Gestalten riesengroß in Thon dastanden, resp, zu Roß saßen!!---

Aber Bläser zwang und bemeisterte in Wahrheit seine Aufgabe. In die,
im Grunde immer langweilige, Scene des officiellen Empfanges wußte er außer
durch die geistreiche Portrcitirung der Betreffenden, noch durch Hineinziehung
eines andern Elements ein frisches Leben und Interesse zu bringen: durch jene
Gruppen lithauisch, ostpreußischer Landleute, welche er dem Könige ihre Grüße
und ihre Gaben bringen läßt. Dieser ganze Theil der Composition ist von
so naiver gesunder, blühender Schönheit, Kraft und Anmuth, daß er selbst für
eine langweilige Behandlung der langweiligsten Hauptscene einigermaßen ent¬
schädigen mußte.

In den Zwickeln über und neben dem Spitzbogen des dirschauer Brücken¬
thores hat Bläser dann noch jene berühmten beiden Gestalten des Ingenieurs
und des Arbeiters gebildet, in welchen eine bekannte berliner demokratische Zei¬
tung die praktisch-künstlerische Lösung der „socialen Frage" sehn wollte. Wir
können uns zwar nicht zu gleicher Siedehitze echauffiren, werden aber immer
diesen beiden durch Conception und geschickte Raumbenutzung gleich trefflichen
Figuren die Anerkennung als Meisterwerke monumental-decorativer Plastik wer¬
den lassen, welche sie unbedingt verdienen. Und in gewiß nicht geringerem
Grade verdient dieselbe jene andre kolossale Gestalt, welche Bläser für das Thor
der kleinern (der marienburger) Eisenbahnbrücke über die Nogat wenig später
modellirte. die Statue des Herzogs Albrecht von Brandenburg-Preußen. Im
vollen reichen Harnisch des sechszehnten Jahrhunderts, das aufgerichtete Nitter-
schwert in der einen, das Bibelbuch in der andern stahlgewappneten Hand steht
er ruhig da, ein Bild ritterlicher Mannhaftigkeit und frommer Glaubensstärke
von unvergleichlicher Wucht und Wirkung.

Alle diese Brückenthordecorationen waren in der marchschen Fabrik in dem
neuerdings bei uns sehr in Aufnahme gekommenen Material, dem gebrannten
Thon, ausgeführt. Man hat ihn praktisch sehr bewährt gefunden; edler bleibt
doch immer die Bronce, Für die Ausführung in diesem classischen Material
der monumentalen Plastik modellirte Bläser unmittelbar danach (1861—63)


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[0376] kommnet. Bläser bewies sich dem gegenüber als echter und rechter Zögling der berliner Schule: er scheute vor keiner Consequenz im Realismus zurück und wußte das Ganze doch in bedeutender und großer monumentaler Wirkung zu gestalten. Dies ganze am Brückeneingang postirte Baucollegium besteht aus lauter Porträts; nicht die Köpfe allein, auch die Gestalten, die in diesen steifen nüchternen Uniformen stecken, sind direct nach der Natur gemessen und Zug für Zug. Form für Form porträtirt. Dasselbe gilt von dem Reiterzug des Königs und der Prinzen. Wer es damals gesehen, vergißt nie den Anblick, als dies' kolossale Reliefbild erst nackt aufgebaut war, und die Herren Geheimräthe u. s. w. mit den bereits frappant ähnlichen Gesichtern und porträtgetreuen nackten Gestalten riesengroß in Thon dastanden, resp, zu Roß saßen!!--- Aber Bläser zwang und bemeisterte in Wahrheit seine Aufgabe. In die, im Grunde immer langweilige, Scene des officiellen Empfanges wußte er außer durch die geistreiche Portrcitirung der Betreffenden, noch durch Hineinziehung eines andern Elements ein frisches Leben und Interesse zu bringen: durch jene Gruppen lithauisch, ostpreußischer Landleute, welche er dem Könige ihre Grüße und ihre Gaben bringen läßt. Dieser ganze Theil der Composition ist von so naiver gesunder, blühender Schönheit, Kraft und Anmuth, daß er selbst für eine langweilige Behandlung der langweiligsten Hauptscene einigermaßen ent¬ schädigen mußte. In den Zwickeln über und neben dem Spitzbogen des dirschauer Brücken¬ thores hat Bläser dann noch jene berühmten beiden Gestalten des Ingenieurs und des Arbeiters gebildet, in welchen eine bekannte berliner demokratische Zei¬ tung die praktisch-künstlerische Lösung der „socialen Frage" sehn wollte. Wir können uns zwar nicht zu gleicher Siedehitze echauffiren, werden aber immer diesen beiden durch Conception und geschickte Raumbenutzung gleich trefflichen Figuren die Anerkennung als Meisterwerke monumental-decorativer Plastik wer¬ den lassen, welche sie unbedingt verdienen. Und in gewiß nicht geringerem Grade verdient dieselbe jene andre kolossale Gestalt, welche Bläser für das Thor der kleinern (der marienburger) Eisenbahnbrücke über die Nogat wenig später modellirte. die Statue des Herzogs Albrecht von Brandenburg-Preußen. Im vollen reichen Harnisch des sechszehnten Jahrhunderts, das aufgerichtete Nitter- schwert in der einen, das Bibelbuch in der andern stahlgewappneten Hand steht er ruhig da, ein Bild ritterlicher Mannhaftigkeit und frommer Glaubensstärke von unvergleichlicher Wucht und Wirkung. Alle diese Brückenthordecorationen waren in der marchschen Fabrik in dem neuerdings bei uns sehr in Aufnahme gekommenen Material, dem gebrannten Thon, ausgeführt. Man hat ihn praktisch sehr bewährt gefunden; edler bleibt doch immer die Bronce, Für die Ausführung in diesem classischen Material der monumentalen Plastik modellirte Bläser unmittelbar danach (1861—63)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/376>, abgerufen am 22.12.2024.