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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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den war ihm, der ihn in einer köstlichen Büste noch nach dem Leben modellirt
hatte, völlig vertraut. So wurde es ihm ohne lange Vorbereitungen und ver¬
gebliche Versuche bald genug möglich, jenes vorzügliche Reiterstandbild hinzu¬
stellen, das in ganz merkwürdiger Weise mit den Forderungen einer nüchternen
prosaisch-realistischen, gänzlich äußerlichen Anschauung, welche auf die Schnüre
der Uniform, den Sitz der Militärhose und der Husarenpelzmütze ihr Haupt¬
augenmerk richtete, zugleich die ewig giltigen künstlerischen an ein derartiges
Monumentalwerk befriedigt. Da das Postament ganz glatt und schmucklos
blieb, so war an dem Ganzen freilich für die freischaffende poetisch-plastische
Phantasie auch nicht der geringste Spielraum sich zu bethätigen gelassen. Die¬
ser sollte Wolff um so reichlicher vergönnt sein an der großen Hauptarbeit
seines Lebens, welche ihn nun seit zwei Jahren beschäftigt, wie sie wohl noch
während des folgenden letzten Jahrzehnts seines eigentlichen Mannesalters seine
gesammte Kraft in Anspruch nehmen wird: das Denkmal für König Friedrich
Wilhelm den Dritten, das demselben im Lustgarten zu Berlin errichtet werden
soll. Auch diese Aufgabe ist gewissermaßen eine Erbschaft Rauchs, der sich
während seiner letzten Lebensjahre vielfach mit Plänen zu einem solchen Mo¬
nument getragen hatte. Unmittelbarer noch siel Wolff eine andre des Meisters
zu. Als letzterer im December 1857 zu Dresden starb, stand seines Lebens
letztes kolossales Jdealwerk, die Mosesgruppe, eben erst als Gipsmodell voll¬
endet da. Albert Wolff wurde die dem Geschiedenen nicht mehr vergönnt ge¬
wesene Ausführung derselben in Marmor übertragen. Um diese zu bewerkstel¬
ligen, bezog er nun dieselben Werkstatträume im Lagerhause, in die er einst
als junger Schüler zu dem Geliebten und Befürchteten eingetreten war. Er
versteht den Marmor zu behandeln wie den Thon, die Arbeit aus dem Rohen
zu leiten und die der letzten Vollendung mit eigner Hand zu üben, und so ist
das riesige Werk in einer Weise zur dauernden Verkörperung durch ihn ge¬
langt, wie sie sein Schöpfer selbst nicht schöner gedacht und vollführt haben
könnte.

Um das Königsdenkmal würde eine allgemeine Concurrenz ausgeschrieben.
Die Entscheidung der Preisrichter traf diesmal nur mit der aller Urteils¬
fähigen so gut wie mit der instinctiven Meinung des ganzen Publikums zu¬
sammen, als sie Albert Wolffs Entwurf krönten. Freilich mußte dieser noch
so mannigfaltige Wandlungen durchmachen, ehe er einerseits dem Künstler selbst,
andrerseits allen denen genügen sollte, welche hier mit oft genug sehr geringer
innerer Berechtigung dazu darein zu reden, zu rathen und zu fordern hatten,
daß die schließlich erhaltne Gestalt des Ganzen heut kaum noch eine Ähnlich¬
keit mit der des ursprünglich gekrönten zeigt. Es wird wieder ein Monument
von ganz ungeheurer Größe. Das Mißverhältniß des Piedestals, wie beim
Friedrichsdenkmal, ist hier glücklich vermieden und die Ueberhäufung mit Ani-


den war ihm, der ihn in einer köstlichen Büste noch nach dem Leben modellirt
hatte, völlig vertraut. So wurde es ihm ohne lange Vorbereitungen und ver¬
gebliche Versuche bald genug möglich, jenes vorzügliche Reiterstandbild hinzu¬
stellen, das in ganz merkwürdiger Weise mit den Forderungen einer nüchternen
prosaisch-realistischen, gänzlich äußerlichen Anschauung, welche auf die Schnüre
der Uniform, den Sitz der Militärhose und der Husarenpelzmütze ihr Haupt¬
augenmerk richtete, zugleich die ewig giltigen künstlerischen an ein derartiges
Monumentalwerk befriedigt. Da das Postament ganz glatt und schmucklos
blieb, so war an dem Ganzen freilich für die freischaffende poetisch-plastische
Phantasie auch nicht der geringste Spielraum sich zu bethätigen gelassen. Die¬
ser sollte Wolff um so reichlicher vergönnt sein an der großen Hauptarbeit
seines Lebens, welche ihn nun seit zwei Jahren beschäftigt, wie sie wohl noch
während des folgenden letzten Jahrzehnts seines eigentlichen Mannesalters seine
gesammte Kraft in Anspruch nehmen wird: das Denkmal für König Friedrich
Wilhelm den Dritten, das demselben im Lustgarten zu Berlin errichtet werden
soll. Auch diese Aufgabe ist gewissermaßen eine Erbschaft Rauchs, der sich
während seiner letzten Lebensjahre vielfach mit Plänen zu einem solchen Mo¬
nument getragen hatte. Unmittelbarer noch siel Wolff eine andre des Meisters
zu. Als letzterer im December 1857 zu Dresden starb, stand seines Lebens
letztes kolossales Jdealwerk, die Mosesgruppe, eben erst als Gipsmodell voll¬
endet da. Albert Wolff wurde die dem Geschiedenen nicht mehr vergönnt ge¬
wesene Ausführung derselben in Marmor übertragen. Um diese zu bewerkstel¬
ligen, bezog er nun dieselben Werkstatträume im Lagerhause, in die er einst
als junger Schüler zu dem Geliebten und Befürchteten eingetreten war. Er
versteht den Marmor zu behandeln wie den Thon, die Arbeit aus dem Rohen
zu leiten und die der letzten Vollendung mit eigner Hand zu üben, und so ist
das riesige Werk in einer Weise zur dauernden Verkörperung durch ihn ge¬
langt, wie sie sein Schöpfer selbst nicht schöner gedacht und vollführt haben
könnte.

Um das Königsdenkmal würde eine allgemeine Concurrenz ausgeschrieben.
Die Entscheidung der Preisrichter traf diesmal nur mit der aller Urteils¬
fähigen so gut wie mit der instinctiven Meinung des ganzen Publikums zu¬
sammen, als sie Albert Wolffs Entwurf krönten. Freilich mußte dieser noch
so mannigfaltige Wandlungen durchmachen, ehe er einerseits dem Künstler selbst,
andrerseits allen denen genügen sollte, welche hier mit oft genug sehr geringer
innerer Berechtigung dazu darein zu reden, zu rathen und zu fordern hatten,
daß die schließlich erhaltne Gestalt des Ganzen heut kaum noch eine Ähnlich¬
keit mit der des ursprünglich gekrönten zeigt. Es wird wieder ein Monument
von ganz ungeheurer Größe. Das Mißverhältniß des Piedestals, wie beim
Friedrichsdenkmal, ist hier glücklich vermieden und die Ueberhäufung mit Ani-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/372>, abgerufen am 22.12.2024.