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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Sinn, der sich überall ausspricht, höchst wohlthuend. Ausstellungen im Einzelnen
können sich wohl nur gegen das für eine solche Situation nicht ganz genügend
stürmische und momentan zuckend bewegte Pferd richten. Der ganz nackte Jüng-
lingMrper ist an edelstem Rhythmus der Linien, an wundervoller heldenhaft
kräftiger Schönheit von der neuern Sculptur wenigstens noch unübertroffen.
In der prächtigen Behandlung des tödtlich verwundet am Boden liegenden, die
eine Tatze noch über sich in des Pferdes Leib einschlagenden Löwen macht sich
die unschätzbare Schule Rauchs in der besten Weise geltend: es ist auch hier
die von dem Meister selbst so oft bekundete großartig plastisch vereinfachende
Behandlung charakteristischer Thierformen, bei welcher doch der lebendigen In¬
dividualität derselben kein Abbruch geschieht, wahrhaft bewundernswerth.

Von den gleichzeitigen größeren Arbeiten A. Wolffs nenne ich hier: das
Relief, welches, ursprünglich als umlaufender Fries einer Base componirt. spä¬
ter an der 1854 im Jnvalidenpark zu Berlin aufgestellten Denksäule für die
in den Revolutionskämpfen gefallnen Soldaten seine Verwendung in kolossalen
Maßstab gefunden hat. Borussia empfängt die Trophäen der Sieger und
nimmt die "reuigen Verirrten" wieder zu Gnaden an. Das Ganze ist durch¬
aus in den künstlerischen Ausdrucksformen der Antike gegeben, reich an glück¬
lichen Motiven und Gestalten voll reiner Schönheit und doch, wie es der Sache
nach kaum anders sein kann, innerlich frostig. Die höchst treffliche Skizze zu
einem Denkmal für Beuth, welche dessen sitzend aus breitem Postament
dargestellte Gestalt mit einem reichen architektonisch-plastischen Aufbau (einer
der schönsten Gruppen von symbolischen Frauengestalten mit daran anschließen¬
den Lehnsitzen :c.) umgeben und in decorative Zusammenwirkung gebracht zeigte,
kam, es bleibt schade für den Platz an der Bauakademie, nicht zur großen Aus¬
führung; wurde aber doch wenigstens in Würdigung ihrer hohen Schönheit
in kleinem Maßstab in Bronce für das Gewerbinstitut gearbeitet. Eins seiner
reizvollsten und liebenswürdigsten Werke jener fünfziger Jahre gehört der deco-
rativer Gattung an: zur Herstellung in vergoldetem Zink modellirte er als
einen vielarmigen Candelaber die schwebende Gestalt der Nacht von kleinen
Traumgenien gestützt und getragen, hoch über ihr holdes träumerisches Haupt
in den Händen die Mohnranken erhebend, aus denen sich die Lichter tragenden
Blüthenstengel und Kelche entwickelten. Das hier in so reizender Form zu
Tage tretende romantische Element ist Wolffs ernst angelegter und streng ge¬
schulter Natur gewöhnlich fremd. Er erschien in diesem Werk als ein ganz
Anderer, und man sah wieder daran, wie precär es ist, aus der Mehrheit des
von einer künstlerischen Persönlichkeit Geschaffenen genau die Grenzen derselben,
das was sie kann und nicht kann, feststellen, und sie als die so oder so gear¬
tete in dies oder jenes Fach allein hineinpassende ein für allemal stempeln zu
wollen. -- Vorzügliche decorative Stafuen, eines ganz andern Gepräges waren


Sinn, der sich überall ausspricht, höchst wohlthuend. Ausstellungen im Einzelnen
können sich wohl nur gegen das für eine solche Situation nicht ganz genügend
stürmische und momentan zuckend bewegte Pferd richten. Der ganz nackte Jüng-
lingMrper ist an edelstem Rhythmus der Linien, an wundervoller heldenhaft
kräftiger Schönheit von der neuern Sculptur wenigstens noch unübertroffen.
In der prächtigen Behandlung des tödtlich verwundet am Boden liegenden, die
eine Tatze noch über sich in des Pferdes Leib einschlagenden Löwen macht sich
die unschätzbare Schule Rauchs in der besten Weise geltend: es ist auch hier
die von dem Meister selbst so oft bekundete großartig plastisch vereinfachende
Behandlung charakteristischer Thierformen, bei welcher doch der lebendigen In¬
dividualität derselben kein Abbruch geschieht, wahrhaft bewundernswerth.

Von den gleichzeitigen größeren Arbeiten A. Wolffs nenne ich hier: das
Relief, welches, ursprünglich als umlaufender Fries einer Base componirt. spä¬
ter an der 1854 im Jnvalidenpark zu Berlin aufgestellten Denksäule für die
in den Revolutionskämpfen gefallnen Soldaten seine Verwendung in kolossalen
Maßstab gefunden hat. Borussia empfängt die Trophäen der Sieger und
nimmt die „reuigen Verirrten" wieder zu Gnaden an. Das Ganze ist durch¬
aus in den künstlerischen Ausdrucksformen der Antike gegeben, reich an glück¬
lichen Motiven und Gestalten voll reiner Schönheit und doch, wie es der Sache
nach kaum anders sein kann, innerlich frostig. Die höchst treffliche Skizze zu
einem Denkmal für Beuth, welche dessen sitzend aus breitem Postament
dargestellte Gestalt mit einem reichen architektonisch-plastischen Aufbau (einer
der schönsten Gruppen von symbolischen Frauengestalten mit daran anschließen¬
den Lehnsitzen :c.) umgeben und in decorative Zusammenwirkung gebracht zeigte,
kam, es bleibt schade für den Platz an der Bauakademie, nicht zur großen Aus¬
führung; wurde aber doch wenigstens in Würdigung ihrer hohen Schönheit
in kleinem Maßstab in Bronce für das Gewerbinstitut gearbeitet. Eins seiner
reizvollsten und liebenswürdigsten Werke jener fünfziger Jahre gehört der deco-
rativer Gattung an: zur Herstellung in vergoldetem Zink modellirte er als
einen vielarmigen Candelaber die schwebende Gestalt der Nacht von kleinen
Traumgenien gestützt und getragen, hoch über ihr holdes träumerisches Haupt
in den Händen die Mohnranken erhebend, aus denen sich die Lichter tragenden
Blüthenstengel und Kelche entwickelten. Das hier in so reizender Form zu
Tage tretende romantische Element ist Wolffs ernst angelegter und streng ge¬
schulter Natur gewöhnlich fremd. Er erschien in diesem Werk als ein ganz
Anderer, und man sah wieder daran, wie precär es ist, aus der Mehrheit des
von einer künstlerischen Persönlichkeit Geschaffenen genau die Grenzen derselben,
das was sie kann und nicht kann, feststellen, und sie als die so oder so gear¬
tete in dies oder jenes Fach allein hineinpassende ein für allemal stempeln zu
wollen. — Vorzügliche decorative Stafuen, eines ganz andern Gepräges waren


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[0370] Sinn, der sich überall ausspricht, höchst wohlthuend. Ausstellungen im Einzelnen können sich wohl nur gegen das für eine solche Situation nicht ganz genügend stürmische und momentan zuckend bewegte Pferd richten. Der ganz nackte Jüng- lingMrper ist an edelstem Rhythmus der Linien, an wundervoller heldenhaft kräftiger Schönheit von der neuern Sculptur wenigstens noch unübertroffen. In der prächtigen Behandlung des tödtlich verwundet am Boden liegenden, die eine Tatze noch über sich in des Pferdes Leib einschlagenden Löwen macht sich die unschätzbare Schule Rauchs in der besten Weise geltend: es ist auch hier die von dem Meister selbst so oft bekundete großartig plastisch vereinfachende Behandlung charakteristischer Thierformen, bei welcher doch der lebendigen In¬ dividualität derselben kein Abbruch geschieht, wahrhaft bewundernswerth. Von den gleichzeitigen größeren Arbeiten A. Wolffs nenne ich hier: das Relief, welches, ursprünglich als umlaufender Fries einer Base componirt. spä¬ ter an der 1854 im Jnvalidenpark zu Berlin aufgestellten Denksäule für die in den Revolutionskämpfen gefallnen Soldaten seine Verwendung in kolossalen Maßstab gefunden hat. Borussia empfängt die Trophäen der Sieger und nimmt die „reuigen Verirrten" wieder zu Gnaden an. Das Ganze ist durch¬ aus in den künstlerischen Ausdrucksformen der Antike gegeben, reich an glück¬ lichen Motiven und Gestalten voll reiner Schönheit und doch, wie es der Sache nach kaum anders sein kann, innerlich frostig. Die höchst treffliche Skizze zu einem Denkmal für Beuth, welche dessen sitzend aus breitem Postament dargestellte Gestalt mit einem reichen architektonisch-plastischen Aufbau (einer der schönsten Gruppen von symbolischen Frauengestalten mit daran anschließen¬ den Lehnsitzen :c.) umgeben und in decorative Zusammenwirkung gebracht zeigte, kam, es bleibt schade für den Platz an der Bauakademie, nicht zur großen Aus¬ führung; wurde aber doch wenigstens in Würdigung ihrer hohen Schönheit in kleinem Maßstab in Bronce für das Gewerbinstitut gearbeitet. Eins seiner reizvollsten und liebenswürdigsten Werke jener fünfziger Jahre gehört der deco- rativer Gattung an: zur Herstellung in vergoldetem Zink modellirte er als einen vielarmigen Candelaber die schwebende Gestalt der Nacht von kleinen Traumgenien gestützt und getragen, hoch über ihr holdes träumerisches Haupt in den Händen die Mohnranken erhebend, aus denen sich die Lichter tragenden Blüthenstengel und Kelche entwickelten. Das hier in so reizender Form zu Tage tretende romantische Element ist Wolffs ernst angelegter und streng ge¬ schulter Natur gewöhnlich fremd. Er erschien in diesem Werk als ein ganz Anderer, und man sah wieder daran, wie precär es ist, aus der Mehrheit des von einer künstlerischen Persönlichkeit Geschaffenen genau die Grenzen derselben, das was sie kann und nicht kann, feststellen, und sie als die so oder so gear¬ tete in dies oder jenes Fach allein hineinpassende ein für allemal stempeln zu wollen. — Vorzügliche decorative Stafuen, eines ganz andern Gepräges waren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/370>, abgerufen am 22.07.2024.