Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.des Schönen gebildete Künstlernatur, aus der ihm, wie aus einem klaren 44*
des Schönen gebildete Künstlernatur, aus der ihm, wie aus einem klaren 44*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0369" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284839"/> <p xml:id="ID_1225" prev="#ID_1224" next="#ID_1226"> des Schönen gebildete Künstlernatur, aus der ihm, wie aus einem klaren<lb/> Spiegel, jede Erscheinung und Gestalt des Menschlichen und Schönen,<lb/> das sie zusammen geschaut und genossen, rein und klar wiederstrahlte". —<lb/> Von selbständig unter seinem Namen ausgeführten Arbeiten wird als erste eine<lb/> Statue der Unschuld genannt (1838), die ich nicht aus eigner Anschauung<lb/> kenne. Von Italien heimgekehrt, erhielt er den Auftrag zur Ausführung<lb/> einer der Schloßbrückengruppen: Pallas ruft den jungen Krieger zum Kampf<lb/> auf. Modell und Marmor haben ihn bis zum Jahr 18S3 beschäftigt. Das<lb/> Werk nimmt durch den Adel seiner Linien, durch die schöne Ruhe und Hoheit<lb/> in seiner Conception, die große Solidität und Sorgfalt seiner Arbeit einen sehr<lb/> ehrenvollen Platz unter den Achten ein. Der Künstler steht darin durchaus<lb/> unter der starken Einwirkung der Antike. Sie gab ihm seine Formensprache,<lb/> das gehaltne Maß in der Bewegung, während sich Rauchs Schule in der strengen<lb/> Gewissenhaftigkeit deutlich genug bekundet. An Schwung und Feuer hat sie<lb/> eher zu wenig, als zu viel. Pallas ist eine Gestalt voll kühler Majestät, wie<lb/> sie ihr zukommt; in dem zum Kampfe vorstürzenden nackten Kriegerjüngling er¬<lb/> scheint die heroische Leidenschaft vielleicht mehr als nöthig gebändigt durch die<lb/> Plastische Ruhe. Noch ehe dies große und schwierige Werk vollendet war, trat<lb/> eine andre, noch kolossalere Aufgabe an Wolfs heran, welche die dort mehr zu¬<lb/> rücktretenden Eigenschaften, leidenschaftliche Bewegtheit lebendiger Gestalten, und<lb/> Zwar nicht allein der menschlichen, als die ersten und wichtigsten erforderte. Die<lb/> Amazonengruppe von Kiß hatte ihre Aufstellung auf der östlichen Treppen-<lb/> Wange des Museums erhalten; es mußte für sie ein Gegenüber auf der west¬<lb/> lichen gefunden werden. Rauch hatte bereits verschiedentlich Skizzen zu einem<lb/> solchen Pendant, der Gruppe eines Löwenkampfs, entworfen. Als die Sache<lb/> definitiv beschlossen war, überließ er indeß das ganze Werk seinem Lieblings¬<lb/> schüler, der in dessen Entwurf und Ausführung durchaus selbständig Verfahren<lb/> durfte. Die Gruppe steht erst seit fünf bis sechs Jahren in Bronce an dem<lb/> ihr zugewiesenen Platz. Gleichzeitig mit einer immer mehr anwachsenden<lb/> Menge monumentaler Arbeiten entstehend, ist zumal das erste kleine Hilfs¬<lb/> Modell nur langsam zum Abschluß gefördert worden. Dem Kampf des schönen<lb/> jugendlichen Amazonenweibes mit dem angreifenden Panther ist hier der eines<lb/> jungen Heroen mit dem von ihm angegriffnen Löwen gegenübergestellt. Das<lb/> genialische Feuer in der Composition der kißschen Gruppe vermißt man in<lb/> Wolffs Werk nicht mit Unrecht. Es ist die Schöpfung eines klaren, ruhigen,<lb/> schönheitsvollen Geistes, einer gründlichen Kunde der Menschen- und Thierfor-<lb/> men, deren Auseinanderwirken es hier zu schildern galt; nach wohlgezeitigtem<lb/> durchdachten Plan ausgebaut. Seine Wirkung im Ganzen ist daher im Ver¬<lb/> gleich zu der der Amazonengruppe eine mehr kühle als hinreißende. Die künst¬<lb/> lerische Gestaltungskraft darin immer sehr imponirend, der geläuterte Formen-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 44*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0369]
des Schönen gebildete Künstlernatur, aus der ihm, wie aus einem klaren
Spiegel, jede Erscheinung und Gestalt des Menschlichen und Schönen,
das sie zusammen geschaut und genossen, rein und klar wiederstrahlte". —
Von selbständig unter seinem Namen ausgeführten Arbeiten wird als erste eine
Statue der Unschuld genannt (1838), die ich nicht aus eigner Anschauung
kenne. Von Italien heimgekehrt, erhielt er den Auftrag zur Ausführung
einer der Schloßbrückengruppen: Pallas ruft den jungen Krieger zum Kampf
auf. Modell und Marmor haben ihn bis zum Jahr 18S3 beschäftigt. Das
Werk nimmt durch den Adel seiner Linien, durch die schöne Ruhe und Hoheit
in seiner Conception, die große Solidität und Sorgfalt seiner Arbeit einen sehr
ehrenvollen Platz unter den Achten ein. Der Künstler steht darin durchaus
unter der starken Einwirkung der Antike. Sie gab ihm seine Formensprache,
das gehaltne Maß in der Bewegung, während sich Rauchs Schule in der strengen
Gewissenhaftigkeit deutlich genug bekundet. An Schwung und Feuer hat sie
eher zu wenig, als zu viel. Pallas ist eine Gestalt voll kühler Majestät, wie
sie ihr zukommt; in dem zum Kampfe vorstürzenden nackten Kriegerjüngling er¬
scheint die heroische Leidenschaft vielleicht mehr als nöthig gebändigt durch die
Plastische Ruhe. Noch ehe dies große und schwierige Werk vollendet war, trat
eine andre, noch kolossalere Aufgabe an Wolfs heran, welche die dort mehr zu¬
rücktretenden Eigenschaften, leidenschaftliche Bewegtheit lebendiger Gestalten, und
Zwar nicht allein der menschlichen, als die ersten und wichtigsten erforderte. Die
Amazonengruppe von Kiß hatte ihre Aufstellung auf der östlichen Treppen-
Wange des Museums erhalten; es mußte für sie ein Gegenüber auf der west¬
lichen gefunden werden. Rauch hatte bereits verschiedentlich Skizzen zu einem
solchen Pendant, der Gruppe eines Löwenkampfs, entworfen. Als die Sache
definitiv beschlossen war, überließ er indeß das ganze Werk seinem Lieblings¬
schüler, der in dessen Entwurf und Ausführung durchaus selbständig Verfahren
durfte. Die Gruppe steht erst seit fünf bis sechs Jahren in Bronce an dem
ihr zugewiesenen Platz. Gleichzeitig mit einer immer mehr anwachsenden
Menge monumentaler Arbeiten entstehend, ist zumal das erste kleine Hilfs¬
Modell nur langsam zum Abschluß gefördert worden. Dem Kampf des schönen
jugendlichen Amazonenweibes mit dem angreifenden Panther ist hier der eines
jungen Heroen mit dem von ihm angegriffnen Löwen gegenübergestellt. Das
genialische Feuer in der Composition der kißschen Gruppe vermißt man in
Wolffs Werk nicht mit Unrecht. Es ist die Schöpfung eines klaren, ruhigen,
schönheitsvollen Geistes, einer gründlichen Kunde der Menschen- und Thierfor-
men, deren Auseinanderwirken es hier zu schildern galt; nach wohlgezeitigtem
durchdachten Plan ausgebaut. Seine Wirkung im Ganzen ist daher im Ver¬
gleich zu der der Amazonengruppe eine mehr kühle als hinreißende. Die künst¬
lerische Gestaltungskraft darin immer sehr imponirend, der geläuterte Formen-
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