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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Bundes auf seiner bisherigen Grundlage könnte der östreichischen Machtstellung
neue Stützen schaffen. Eben diese Grundlagen sind es, welche die gemeinsame
Schwäche Deutschlands und Oestreichs herbeigeführt haben. Nicht durch den
deutschen Bund, sondern neben demselben und trotz desselben hat sich Oestreich
seine europäische Bedeutung gewahrt, haben die Gesammtinteressen seiner Völker
von Jahr zu Jahr einen innigeren Verband und einen freieren Verkehr sich
errungen, und trotz gewisser sehr klarer Bestimmungen der Bundesacte andrer¬
seits wieder haben die östreichischen Länder des deutschen Bundes ihre freiheit¬
lichen und verfassungsmäßigen Rechte nicht eher erlangen können, als bis sie
1848 trotz anderer klarer Bundesvorschriften sich die Anerkennung dieser Rechte
auf eigne Hand verschafften. Das Hineinziehen in die allgemeine deutsche Be¬
wegung endlich, die Berufung Dcutschöstreichs auf und nach Frankfurt war es,
was augenblicklich die ganze freiheitliche Entwickelung Oestreichs vom rechten
Wege ablenkte und schließlich zum Stillstand brachte. Die slavischen Nationali¬
täten erhoben sich gegen die parlamentarische Verschmelzung Oestreichs mit
Deutschland, während das kaum zur Selbständigkeit gelangte Ungarn seine
beglaubigten Gesandten an den Sitz der deutschen Centralgewalt schickte. Das
einige Deutschland sollte sich mit dem unabhängigen Magyarenreich verbünden
-- der Staatsbegriff Oestreichs existirte nur noch auf dem Papier. So gewiß
es im Buch der Geschichte verzeichnet ist, daß alle Vortheile, die Oestreich zur
Consolidirung seines gesamtstaatlichen Besitzes seit 1804 gewonnen, neben
und trotz der Bundesacte errungen worden sind, ebenso gewiß ist andrerseits,
daß alle diplomatischen und kriegerischen Niederlagen desselben wenigstens
mittelbar durch das Bundesverhältniß zu Deutschland herbeigeführt worden
sind. Wie glänzend auch die Erfolge aussahen, welche die schwarzenbergsche
Politik mit ihrem Streben nach der Hegemonie Oestreichs in Deutschland er¬
reichte, sie brachte es doch nicht dahin, dem Kaiserstaat die aufrichtige Allianz
Preußens zu verschaffen; nicht einmal den Schein davon erlangte sie. Der
orientalische Krieg fand Oestreich isolirt, der italienische überraschte es, und
zwar mancher deutsche Mund, aber kein deutscher Arm rührte sich, um Hilfe
zu bringen.

Aber die nationalen Sympathien und die Wahrung des östreichischen Ein-
flusses auf Deutschland?

Die Sympathien -- es giebt deren verschiedene, gemüthliche, geistige und
Politische. "Gemüthliche" -- sagt der Verfasser, "allerdings in Worten, im
Gesang und selbst im Turnen zeigen wir unsere Sympathien für die deutschen
Brüder. Aber unsre deutschen Brüder sprechen, singen und turnen schon lange
Zeit und haben Deutschland und den deutschen Bund damit nicht um ein Haar
breit weiter gebracht. Geistig sympathisiren wir mit Deutschland. Unzweifelhaft.
Unsre ganze wissenschaftliche und literarische Bildung, aber auch nur diese, ent"


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Bundes auf seiner bisherigen Grundlage könnte der östreichischen Machtstellung
neue Stützen schaffen. Eben diese Grundlagen sind es, welche die gemeinsame
Schwäche Deutschlands und Oestreichs herbeigeführt haben. Nicht durch den
deutschen Bund, sondern neben demselben und trotz desselben hat sich Oestreich
seine europäische Bedeutung gewahrt, haben die Gesammtinteressen seiner Völker
von Jahr zu Jahr einen innigeren Verband und einen freieren Verkehr sich
errungen, und trotz gewisser sehr klarer Bestimmungen der Bundesacte andrer¬
seits wieder haben die östreichischen Länder des deutschen Bundes ihre freiheit¬
lichen und verfassungsmäßigen Rechte nicht eher erlangen können, als bis sie
1848 trotz anderer klarer Bundesvorschriften sich die Anerkennung dieser Rechte
auf eigne Hand verschafften. Das Hineinziehen in die allgemeine deutsche Be¬
wegung endlich, die Berufung Dcutschöstreichs auf und nach Frankfurt war es,
was augenblicklich die ganze freiheitliche Entwickelung Oestreichs vom rechten
Wege ablenkte und schließlich zum Stillstand brachte. Die slavischen Nationali¬
täten erhoben sich gegen die parlamentarische Verschmelzung Oestreichs mit
Deutschland, während das kaum zur Selbständigkeit gelangte Ungarn seine
beglaubigten Gesandten an den Sitz der deutschen Centralgewalt schickte. Das
einige Deutschland sollte sich mit dem unabhängigen Magyarenreich verbünden
— der Staatsbegriff Oestreichs existirte nur noch auf dem Papier. So gewiß
es im Buch der Geschichte verzeichnet ist, daß alle Vortheile, die Oestreich zur
Consolidirung seines gesamtstaatlichen Besitzes seit 1804 gewonnen, neben
und trotz der Bundesacte errungen worden sind, ebenso gewiß ist andrerseits,
daß alle diplomatischen und kriegerischen Niederlagen desselben wenigstens
mittelbar durch das Bundesverhältniß zu Deutschland herbeigeführt worden
sind. Wie glänzend auch die Erfolge aussahen, welche die schwarzenbergsche
Politik mit ihrem Streben nach der Hegemonie Oestreichs in Deutschland er¬
reichte, sie brachte es doch nicht dahin, dem Kaiserstaat die aufrichtige Allianz
Preußens zu verschaffen; nicht einmal den Schein davon erlangte sie. Der
orientalische Krieg fand Oestreich isolirt, der italienische überraschte es, und
zwar mancher deutsche Mund, aber kein deutscher Arm rührte sich, um Hilfe
zu bringen.

Aber die nationalen Sympathien und die Wahrung des östreichischen Ein-
flusses auf Deutschland?

Die Sympathien — es giebt deren verschiedene, gemüthliche, geistige und
Politische. „Gemüthliche" — sagt der Verfasser, „allerdings in Worten, im
Gesang und selbst im Turnen zeigen wir unsere Sympathien für die deutschen
Brüder. Aber unsre deutschen Brüder sprechen, singen und turnen schon lange
Zeit und haben Deutschland und den deutschen Bund damit nicht um ein Haar
breit weiter gebracht. Geistig sympathisiren wir mit Deutschland. Unzweifelhaft.
Unsre ganze wissenschaftliche und literarische Bildung, aber auch nur diese, ent»


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[0353] Bundes auf seiner bisherigen Grundlage könnte der östreichischen Machtstellung neue Stützen schaffen. Eben diese Grundlagen sind es, welche die gemeinsame Schwäche Deutschlands und Oestreichs herbeigeführt haben. Nicht durch den deutschen Bund, sondern neben demselben und trotz desselben hat sich Oestreich seine europäische Bedeutung gewahrt, haben die Gesammtinteressen seiner Völker von Jahr zu Jahr einen innigeren Verband und einen freieren Verkehr sich errungen, und trotz gewisser sehr klarer Bestimmungen der Bundesacte andrer¬ seits wieder haben die östreichischen Länder des deutschen Bundes ihre freiheit¬ lichen und verfassungsmäßigen Rechte nicht eher erlangen können, als bis sie 1848 trotz anderer klarer Bundesvorschriften sich die Anerkennung dieser Rechte auf eigne Hand verschafften. Das Hineinziehen in die allgemeine deutsche Be¬ wegung endlich, die Berufung Dcutschöstreichs auf und nach Frankfurt war es, was augenblicklich die ganze freiheitliche Entwickelung Oestreichs vom rechten Wege ablenkte und schließlich zum Stillstand brachte. Die slavischen Nationali¬ täten erhoben sich gegen die parlamentarische Verschmelzung Oestreichs mit Deutschland, während das kaum zur Selbständigkeit gelangte Ungarn seine beglaubigten Gesandten an den Sitz der deutschen Centralgewalt schickte. Das einige Deutschland sollte sich mit dem unabhängigen Magyarenreich verbünden — der Staatsbegriff Oestreichs existirte nur noch auf dem Papier. So gewiß es im Buch der Geschichte verzeichnet ist, daß alle Vortheile, die Oestreich zur Consolidirung seines gesamtstaatlichen Besitzes seit 1804 gewonnen, neben und trotz der Bundesacte errungen worden sind, ebenso gewiß ist andrerseits, daß alle diplomatischen und kriegerischen Niederlagen desselben wenigstens mittelbar durch das Bundesverhältniß zu Deutschland herbeigeführt worden sind. Wie glänzend auch die Erfolge aussahen, welche die schwarzenbergsche Politik mit ihrem Streben nach der Hegemonie Oestreichs in Deutschland er¬ reichte, sie brachte es doch nicht dahin, dem Kaiserstaat die aufrichtige Allianz Preußens zu verschaffen; nicht einmal den Schein davon erlangte sie. Der orientalische Krieg fand Oestreich isolirt, der italienische überraschte es, und zwar mancher deutsche Mund, aber kein deutscher Arm rührte sich, um Hilfe zu bringen. Aber die nationalen Sympathien und die Wahrung des östreichischen Ein- flusses auf Deutschland? Die Sympathien — es giebt deren verschiedene, gemüthliche, geistige und Politische. „Gemüthliche" — sagt der Verfasser, „allerdings in Worten, im Gesang und selbst im Turnen zeigen wir unsere Sympathien für die deutschen Brüder. Aber unsre deutschen Brüder sprechen, singen und turnen schon lange Zeit und haben Deutschland und den deutschen Bund damit nicht um ein Haar breit weiter gebracht. Geistig sympathisiren wir mit Deutschland. Unzweifelhaft. Unsre ganze wissenschaftliche und literarische Bildung, aber auch nur diese, ent» 42 >

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/353>, abgerufen am 22.12.2024.