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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Heuchler, der Andre ein bigotter Verehrer irgendeiner greulichen Gottheit mit
sechs Köpfen und neun Armen, ein Dritter ein stumpfsinniger Bauer, ein Vierter
ein Schriftgelehrter, der.nicht um zu hören, sondern um zu disputiren gekommen
ist. Manche erklären sich beifällig, wenn ihnen gesagt wird, daß im Herzen
allerlei arge Dinge und Gedanken wohnen, oder daß Gangeswasser ihnen wohl
den Leib, aber nicht die Seele rein waschen könne, oder daß Götter, welche
sich bei einer Feuersbrunst in ihrem Hause nicht einmal selbst retten könnten,
noch viel weniger im Stande wären, ihre Anbeter vom ewigen Feuer zu be¬
freien. "Wenn sie aber nachher sehen," sagt unser Missionär, "was wir mit
unsrer Predigt beabsichtigen, so macht sich bei ihnen allmälig Haß und Feind¬
schaft geltend."

"Bisweilen sind auch solche zugegen, welche ohne viel darauf zu achten,
was der Patri vorträgt, ihn mit den (beiläufig nickt durchaus unverständigen)
Worten unterbrechen: "Eure Religion ist gut für Euch, die unsre gut für uns,
bleib Du bei der Deinen, wir wollen bei der unfein bleiben. Ein jedes Land
hat seinen Glauben, andre Völker, andre Sitten." Predigt der Missionär bei
einem Feste über den Gott, dem zu Ehren es gefeiert wird, und weist er dann
etwa nach, "daß Krischna kein Gott ist, sondern ein Hurer, ein Dieb, ein
Zauberer, ein Lügner, ein Säufer und Mörder, der sich zuletzt selbst ermordet
hat und im Walde von Vögeln und Schakals gefressen worden ist", so nimmt
man das in der Regel nicht übel, sondern lacht und giebt den Gott preis,
meint aber, das Fest sei ein Volksvergnügen, und das Ganze sei einmal so
Brauch und Sitte. Häusig wird der Redner auch mit Fragen unterbrochen
wie: "Was lehrst Du da? -- Was-ist die christliche Religion? -- Wer war
dieser Jesus? -- hat er sich, als er lebte, wirklich als Sohn Gottes erwiesen?"
Der Missionär bittet dann die Frager, sich bis zu Ende seines Vertrags zu
gedulden, dann werde er Rede stehen, und in diesem Falle schließt sich dann
bisweilen an die Predigt eine lange und lebhafte Disputation. Zwei sehr
gewöhnliche Fragen der Hindus sind dann: "Wie ist die Welt entstanden?"
und: "Wie ist die Sünde in sie gekommen?" wo sie dann von dem Grundsatz
ausgehen: "Gott ist die Welt, und die Welt ist Gott. Es giebt keine Sünde;
denn Gott wohnt in mir und thut alles." Der Muhammedaner dagegen macht
häufig Einwendungen gegen die Gottheit Christi und sagt: "Wie kann Gott
einen Sohn haben? Wo ist seine Frau?" Nur selten finden sich solche, welche
ihre Zweifel bescheiden vorbringen und sich nähere Erklärung ausbitten. Oft
sagen die Hauptopponenten, rasch müde werdend, zu den Umstehenden - "Warum
hört ihr denn zu? Geht doch eures Wegs. Die verführen euch nur." Doch
bleibt man gewöhnlich da, indem man begierig ist, auf wessen Seite sich bei
dem Disput der Sieg neigen wird. Ist der Missionar geschickt, so erringt er
sich wohl den Beifall, den ein gewandter Klopffechter gewinnt. Bisweilen aber


Heuchler, der Andre ein bigotter Verehrer irgendeiner greulichen Gottheit mit
sechs Köpfen und neun Armen, ein Dritter ein stumpfsinniger Bauer, ein Vierter
ein Schriftgelehrter, der.nicht um zu hören, sondern um zu disputiren gekommen
ist. Manche erklären sich beifällig, wenn ihnen gesagt wird, daß im Herzen
allerlei arge Dinge und Gedanken wohnen, oder daß Gangeswasser ihnen wohl
den Leib, aber nicht die Seele rein waschen könne, oder daß Götter, welche
sich bei einer Feuersbrunst in ihrem Hause nicht einmal selbst retten könnten,
noch viel weniger im Stande wären, ihre Anbeter vom ewigen Feuer zu be¬
freien. „Wenn sie aber nachher sehen," sagt unser Missionär, „was wir mit
unsrer Predigt beabsichtigen, so macht sich bei ihnen allmälig Haß und Feind¬
schaft geltend."

„Bisweilen sind auch solche zugegen, welche ohne viel darauf zu achten,
was der Patri vorträgt, ihn mit den (beiläufig nickt durchaus unverständigen)
Worten unterbrechen: „Eure Religion ist gut für Euch, die unsre gut für uns,
bleib Du bei der Deinen, wir wollen bei der unfein bleiben. Ein jedes Land
hat seinen Glauben, andre Völker, andre Sitten." Predigt der Missionär bei
einem Feste über den Gott, dem zu Ehren es gefeiert wird, und weist er dann
etwa nach, „daß Krischna kein Gott ist, sondern ein Hurer, ein Dieb, ein
Zauberer, ein Lügner, ein Säufer und Mörder, der sich zuletzt selbst ermordet
hat und im Walde von Vögeln und Schakals gefressen worden ist", so nimmt
man das in der Regel nicht übel, sondern lacht und giebt den Gott preis,
meint aber, das Fest sei ein Volksvergnügen, und das Ganze sei einmal so
Brauch und Sitte. Häusig wird der Redner auch mit Fragen unterbrochen
wie: „Was lehrst Du da? — Was-ist die christliche Religion? — Wer war
dieser Jesus? — hat er sich, als er lebte, wirklich als Sohn Gottes erwiesen?"
Der Missionär bittet dann die Frager, sich bis zu Ende seines Vertrags zu
gedulden, dann werde er Rede stehen, und in diesem Falle schließt sich dann
bisweilen an die Predigt eine lange und lebhafte Disputation. Zwei sehr
gewöhnliche Fragen der Hindus sind dann: „Wie ist die Welt entstanden?"
und: „Wie ist die Sünde in sie gekommen?" wo sie dann von dem Grundsatz
ausgehen: „Gott ist die Welt, und die Welt ist Gott. Es giebt keine Sünde;
denn Gott wohnt in mir und thut alles." Der Muhammedaner dagegen macht
häufig Einwendungen gegen die Gottheit Christi und sagt: „Wie kann Gott
einen Sohn haben? Wo ist seine Frau?" Nur selten finden sich solche, welche
ihre Zweifel bescheiden vorbringen und sich nähere Erklärung ausbitten. Oft
sagen die Hauptopponenten, rasch müde werdend, zu den Umstehenden - „Warum
hört ihr denn zu? Geht doch eures Wegs. Die verführen euch nur." Doch
bleibt man gewöhnlich da, indem man begierig ist, auf wessen Seite sich bei
dem Disput der Sieg neigen wird. Ist der Missionar geschickt, so erringt er
sich wohl den Beifall, den ein gewandter Klopffechter gewinnt. Bisweilen aber


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[0288] Heuchler, der Andre ein bigotter Verehrer irgendeiner greulichen Gottheit mit sechs Köpfen und neun Armen, ein Dritter ein stumpfsinniger Bauer, ein Vierter ein Schriftgelehrter, der.nicht um zu hören, sondern um zu disputiren gekommen ist. Manche erklären sich beifällig, wenn ihnen gesagt wird, daß im Herzen allerlei arge Dinge und Gedanken wohnen, oder daß Gangeswasser ihnen wohl den Leib, aber nicht die Seele rein waschen könne, oder daß Götter, welche sich bei einer Feuersbrunst in ihrem Hause nicht einmal selbst retten könnten, noch viel weniger im Stande wären, ihre Anbeter vom ewigen Feuer zu be¬ freien. „Wenn sie aber nachher sehen," sagt unser Missionär, „was wir mit unsrer Predigt beabsichtigen, so macht sich bei ihnen allmälig Haß und Feind¬ schaft geltend." „Bisweilen sind auch solche zugegen, welche ohne viel darauf zu achten, was der Patri vorträgt, ihn mit den (beiläufig nickt durchaus unverständigen) Worten unterbrechen: „Eure Religion ist gut für Euch, die unsre gut für uns, bleib Du bei der Deinen, wir wollen bei der unfein bleiben. Ein jedes Land hat seinen Glauben, andre Völker, andre Sitten." Predigt der Missionär bei einem Feste über den Gott, dem zu Ehren es gefeiert wird, und weist er dann etwa nach, „daß Krischna kein Gott ist, sondern ein Hurer, ein Dieb, ein Zauberer, ein Lügner, ein Säufer und Mörder, der sich zuletzt selbst ermordet hat und im Walde von Vögeln und Schakals gefressen worden ist", so nimmt man das in der Regel nicht übel, sondern lacht und giebt den Gott preis, meint aber, das Fest sei ein Volksvergnügen, und das Ganze sei einmal so Brauch und Sitte. Häusig wird der Redner auch mit Fragen unterbrochen wie: „Was lehrst Du da? — Was-ist die christliche Religion? — Wer war dieser Jesus? — hat er sich, als er lebte, wirklich als Sohn Gottes erwiesen?" Der Missionär bittet dann die Frager, sich bis zu Ende seines Vertrags zu gedulden, dann werde er Rede stehen, und in diesem Falle schließt sich dann bisweilen an die Predigt eine lange und lebhafte Disputation. Zwei sehr gewöhnliche Fragen der Hindus sind dann: „Wie ist die Welt entstanden?" und: „Wie ist die Sünde in sie gekommen?" wo sie dann von dem Grundsatz ausgehen: „Gott ist die Welt, und die Welt ist Gott. Es giebt keine Sünde; denn Gott wohnt in mir und thut alles." Der Muhammedaner dagegen macht häufig Einwendungen gegen die Gottheit Christi und sagt: „Wie kann Gott einen Sohn haben? Wo ist seine Frau?" Nur selten finden sich solche, welche ihre Zweifel bescheiden vorbringen und sich nähere Erklärung ausbitten. Oft sagen die Hauptopponenten, rasch müde werdend, zu den Umstehenden - „Warum hört ihr denn zu? Geht doch eures Wegs. Die verführen euch nur." Doch bleibt man gewöhnlich da, indem man begierig ist, auf wessen Seite sich bei dem Disput der Sieg neigen wird. Ist der Missionar geschickt, so erringt er sich wohl den Beifall, den ein gewandter Klopffechter gewinnt. Bisweilen aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/288>, abgerufen am 22.12.2024.