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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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phischen Bücher ferner nicht mehr, wie man bisher allgemein glaubte, als Vor¬
läufer der Typographie anzunehmen, sondern für jünger als die ältesten Typen¬
drucke zu hallen sind, daß also Guttenberg nicht durch die xylographischen
Bücher, folglich am wenigsten durch die Holländer, deren xylographische
Bücher nicht früher als 1460--1480 anzusetzen sind, zu seiner Erfindung ge¬
führt worden sein kann. Ja es scheint sich die Sache sogar umgekehrt so zu
stellen, daß Guttenberg, welcher nach Trithemius und andern Quellen zuerst
ein ^.Lo und später einen Donat in Tafeln schnitt und druckte, auch
den H olztafelschnitt und Druck erfunden zu haben scheint. Es treibt
sonach die Bestimmung des Alters der xylographischen Werke zu einer-neuen
Untersuchung über die Anfänge der Typographie, bei welcher hauptsächlich die
Schlußschriften der ersten Drucker zum Ausgange zu nehmen sein werden. Man
hat nämlich an denselben bisher immer nur auf die Angabe der Drucker, des
Druckortes und der Druckzeit geachtet, und dabei ganz unbeachtet gelassen, daß
die nova ars die Bücher herzustellen, wie die Typographie genannt wird,
immer nur der Schrift mit Nohr, Griffel und Feder, als der alten
Art, Bücher zu fertigen, entgegengesetzt wird, und daß man den Typendruck
niemals dem Tafeldrucke als der ältern Art des Drückens gegenübergestellt
findet. Man hat also kein Recht, den Tafeldruck als vor Guttenberg vor¬
handen anzunehmen und vor Guttenberg für ein Vervielfältigungsmittel neben
der Schrift zu halten. Darum wird man kaum umhin können, auch die Er¬
findung des Tafelschriftdruckes zur Herstellung xylographischer
Bücher dem Guttenberg zuzuschreiben. Die Verfasser haben keine Veranlassung
genommen, diese Untersuchung zu führen, es konnte auch zweifelhaft sein, diese
kritische wissenschaftliche Frage in einem so luxuriös gedruckten Werke abzu¬
handeln, aber sie haben ihre Lösung factisch angebahnt.

Ein wesentliches Verdienst des Werkes glauben wir auch darein setzen zu
müssen, daß dasselbe einen Kunstzweig, der ohne alle Frage die Grundlage der
chalkographischen und xylographischen Kunst seit dem sechzehnten Jahrhunderte
bildet, der Aufmerksamkeit des gebildeten Publikums empfohlen, und das
Studium desselben in einer Weise ermöglicht hat, die bisher nur frommer
Wunsch war.

Für die Berichtigung des von Hein eater gegebenen Textes und Sinnes
der xylographischen Bücher mußte und konnte ziemlich viel gethan werden, da
die Nachfolger dieses berühmten Bibliographen insgesammt. Berjeau aus¬
genommen, die Originale nicht nachgelesen zu haben und die Irrthümer, in die
Heinecken damals noch leicht verfallen konnte, gläubig fortgepflanzt zu haben
scheinen.

Die Culturgeschichte wird ebenfalls manchen Gewinn aus dem Buche ziehen
können. Die Bilder lehren, wie die Kunst hauptsächlich sittlichen Zwecken diente


phischen Bücher ferner nicht mehr, wie man bisher allgemein glaubte, als Vor¬
läufer der Typographie anzunehmen, sondern für jünger als die ältesten Typen¬
drucke zu hallen sind, daß also Guttenberg nicht durch die xylographischen
Bücher, folglich am wenigsten durch die Holländer, deren xylographische
Bücher nicht früher als 1460—1480 anzusetzen sind, zu seiner Erfindung ge¬
führt worden sein kann. Ja es scheint sich die Sache sogar umgekehrt so zu
stellen, daß Guttenberg, welcher nach Trithemius und andern Quellen zuerst
ein ^.Lo und später einen Donat in Tafeln schnitt und druckte, auch
den H olztafelschnitt und Druck erfunden zu haben scheint. Es treibt
sonach die Bestimmung des Alters der xylographischen Werke zu einer-neuen
Untersuchung über die Anfänge der Typographie, bei welcher hauptsächlich die
Schlußschriften der ersten Drucker zum Ausgange zu nehmen sein werden. Man
hat nämlich an denselben bisher immer nur auf die Angabe der Drucker, des
Druckortes und der Druckzeit geachtet, und dabei ganz unbeachtet gelassen, daß
die nova ars die Bücher herzustellen, wie die Typographie genannt wird,
immer nur der Schrift mit Nohr, Griffel und Feder, als der alten
Art, Bücher zu fertigen, entgegengesetzt wird, und daß man den Typendruck
niemals dem Tafeldrucke als der ältern Art des Drückens gegenübergestellt
findet. Man hat also kein Recht, den Tafeldruck als vor Guttenberg vor¬
handen anzunehmen und vor Guttenberg für ein Vervielfältigungsmittel neben
der Schrift zu halten. Darum wird man kaum umhin können, auch die Er¬
findung des Tafelschriftdruckes zur Herstellung xylographischer
Bücher dem Guttenberg zuzuschreiben. Die Verfasser haben keine Veranlassung
genommen, diese Untersuchung zu führen, es konnte auch zweifelhaft sein, diese
kritische wissenschaftliche Frage in einem so luxuriös gedruckten Werke abzu¬
handeln, aber sie haben ihre Lösung factisch angebahnt.

Ein wesentliches Verdienst des Werkes glauben wir auch darein setzen zu
müssen, daß dasselbe einen Kunstzweig, der ohne alle Frage die Grundlage der
chalkographischen und xylographischen Kunst seit dem sechzehnten Jahrhunderte
bildet, der Aufmerksamkeit des gebildeten Publikums empfohlen, und das
Studium desselben in einer Weise ermöglicht hat, die bisher nur frommer
Wunsch war.

Für die Berichtigung des von Hein eater gegebenen Textes und Sinnes
der xylographischen Bücher mußte und konnte ziemlich viel gethan werden, da
die Nachfolger dieses berühmten Bibliographen insgesammt. Berjeau aus¬
genommen, die Originale nicht nachgelesen zu haben und die Irrthümer, in die
Heinecken damals noch leicht verfallen konnte, gläubig fortgepflanzt zu haben
scheinen.

Die Culturgeschichte wird ebenfalls manchen Gewinn aus dem Buche ziehen
können. Die Bilder lehren, wie die Kunst hauptsächlich sittlichen Zwecken diente


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[0278] phischen Bücher ferner nicht mehr, wie man bisher allgemein glaubte, als Vor¬ läufer der Typographie anzunehmen, sondern für jünger als die ältesten Typen¬ drucke zu hallen sind, daß also Guttenberg nicht durch die xylographischen Bücher, folglich am wenigsten durch die Holländer, deren xylographische Bücher nicht früher als 1460—1480 anzusetzen sind, zu seiner Erfindung ge¬ führt worden sein kann. Ja es scheint sich die Sache sogar umgekehrt so zu stellen, daß Guttenberg, welcher nach Trithemius und andern Quellen zuerst ein ^.Lo und später einen Donat in Tafeln schnitt und druckte, auch den H olztafelschnitt und Druck erfunden zu haben scheint. Es treibt sonach die Bestimmung des Alters der xylographischen Werke zu einer-neuen Untersuchung über die Anfänge der Typographie, bei welcher hauptsächlich die Schlußschriften der ersten Drucker zum Ausgange zu nehmen sein werden. Man hat nämlich an denselben bisher immer nur auf die Angabe der Drucker, des Druckortes und der Druckzeit geachtet, und dabei ganz unbeachtet gelassen, daß die nova ars die Bücher herzustellen, wie die Typographie genannt wird, immer nur der Schrift mit Nohr, Griffel und Feder, als der alten Art, Bücher zu fertigen, entgegengesetzt wird, und daß man den Typendruck niemals dem Tafeldrucke als der ältern Art des Drückens gegenübergestellt findet. Man hat also kein Recht, den Tafeldruck als vor Guttenberg vor¬ handen anzunehmen und vor Guttenberg für ein Vervielfältigungsmittel neben der Schrift zu halten. Darum wird man kaum umhin können, auch die Er¬ findung des Tafelschriftdruckes zur Herstellung xylographischer Bücher dem Guttenberg zuzuschreiben. Die Verfasser haben keine Veranlassung genommen, diese Untersuchung zu führen, es konnte auch zweifelhaft sein, diese kritische wissenschaftliche Frage in einem so luxuriös gedruckten Werke abzu¬ handeln, aber sie haben ihre Lösung factisch angebahnt. Ein wesentliches Verdienst des Werkes glauben wir auch darein setzen zu müssen, daß dasselbe einen Kunstzweig, der ohne alle Frage die Grundlage der chalkographischen und xylographischen Kunst seit dem sechzehnten Jahrhunderte bildet, der Aufmerksamkeit des gebildeten Publikums empfohlen, und das Studium desselben in einer Weise ermöglicht hat, die bisher nur frommer Wunsch war. Für die Berichtigung des von Hein eater gegebenen Textes und Sinnes der xylographischen Bücher mußte und konnte ziemlich viel gethan werden, da die Nachfolger dieses berühmten Bibliographen insgesammt. Berjeau aus¬ genommen, die Originale nicht nachgelesen zu haben und die Irrthümer, in die Heinecken damals noch leicht verfallen konnte, gläubig fortgepflanzt zu haben scheinen. Die Culturgeschichte wird ebenfalls manchen Gewinn aus dem Buche ziehen können. Die Bilder lehren, wie die Kunst hauptsächlich sittlichen Zwecken diente

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/278>, abgerufen am 22.07.2024.