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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Schrotblätter sind also gleichsam Weiße Bilder auf einer schwarzen Tafel. In¬
zwischen ist dieses Princip der Darstellung in der Praxis gemildert. Man hat
nämlich die Figur zwar contourirt und dadurch vom Grunde scharf abgehoben,
auch die scharfen Falten innerhalb der Figur durch schwarze Striche bestimmt
hervorgehoben, allein die übrigen Massen, namentlich der Gewänder, nicht ganz
ausgeschnitten, sondern nur durch größere oder kleinere weiße Punkte oder Ringe,
durch Sternchen oder Kreuzchen, endlich durch schraffirende Striche mehr oder minder
gehöht oder schattirt, und so sind statt der monotonen weißen Massen schattirte
Partien erzeugt. Auch wo der Grund in Mangel einer Figur einfarbig schwarz
sein würde, hat man durch Einschneiden von Blumen, Arabesken oder rhom¬
bisch zwischen Stäbe gestellte Rosetten die Monotonie unterbrochen.*) Das Princip
wird auch gelegentlich umgekehrt angewandt, der Grund wird ganz ausgeschnitten
und die Figur mit Ausnahme der Fieischparthien schwarz mit weißen schattiren-
den Punkten dargestellt.

Hieran schließen sich zwei Teigdrucke, Iwxression en Ms, d. h. Drucke,
welche auf Papier, das mit einer weichen Masse überzogen ist, so ausgeführt
sind, daß entweder die darzustellende Figur eingedrückt und der Hintergrund er¬
haben und mit Wollstaub veloutirt ist, oder- daß die Figur erhaben und in
Golddruck ausgeführt ist. Infolge der Zerbrechlichkeit des Teiges sind nur
wenige Exemplare erhalten Und aus uns gekommen.

Es folgt nun die Beschreibung der ältesten Kupferstiche mit zahlreichen Fac¬
similes erläutert. Der werthvollste Stich ist eine Madonna vom Meister P
mit der Jahreszahl NLLeei.V. welcher, bis die deutsche Passion von 1447
bekannt wurde, für den Kupferstich mit der frühesten Jahrzahl galt. Er ist
in Oberdeutschland gefunden und deutschen Ursprungs, wie sich aus der
ganzen Behandlung der Gewände ergiebt. Außerdem fehlt es nicht an alt¬
italienischen und niederländischen Stichen und N>aliis. Den Schluß machen die
Beschreibungen von alten Mainzer, bamberger und italienischen, von deutschen
Meistern ausgeführten typographischen Drucken. Unter ihnen sind auch fünf
kaiserliche und päpstliche Erlasse .in Sachen der Absetzung des Erzbischofs von
Mainz, Diethers von Jsenburg, in deren Folge bekanntlich der neugewählte Erz-
bischof Adolf der Zweite von Nassau Mainz stürmen, plündern und zum Theil
verbrennen ließ. Dieses Unglück der Stadt Mainz trieb die Jünger der typo¬
graphischen Kunst in die weite Welt, und die Typographie wurde von nun an
Gemeingut aller gebildeten Länder.

Diese Uebersicht des Inhalts zeigt einigermaßen den Reichthum an Gegen-



') Wegen der weißen Punkte, welche die damit bedeckte Fläche wie ein Sieb erscheinen
lassen, nennen die Franzosen diese Kunstform Nanisl-s oriblss und die Engländer Le^Is ok
elf Ng,2Arme erucitixioll, weil sich an dem Einbande der berühmten Mazarinbibel ein
Schrotblatt, eine Kreuzigung eingeklebt findet. Englisch heißen sie auch äotted Miss.

Schrotblätter sind also gleichsam Weiße Bilder auf einer schwarzen Tafel. In¬
zwischen ist dieses Princip der Darstellung in der Praxis gemildert. Man hat
nämlich die Figur zwar contourirt und dadurch vom Grunde scharf abgehoben,
auch die scharfen Falten innerhalb der Figur durch schwarze Striche bestimmt
hervorgehoben, allein die übrigen Massen, namentlich der Gewänder, nicht ganz
ausgeschnitten, sondern nur durch größere oder kleinere weiße Punkte oder Ringe,
durch Sternchen oder Kreuzchen, endlich durch schraffirende Striche mehr oder minder
gehöht oder schattirt, und so sind statt der monotonen weißen Massen schattirte
Partien erzeugt. Auch wo der Grund in Mangel einer Figur einfarbig schwarz
sein würde, hat man durch Einschneiden von Blumen, Arabesken oder rhom¬
bisch zwischen Stäbe gestellte Rosetten die Monotonie unterbrochen.*) Das Princip
wird auch gelegentlich umgekehrt angewandt, der Grund wird ganz ausgeschnitten
und die Figur mit Ausnahme der Fieischparthien schwarz mit weißen schattiren-
den Punkten dargestellt.

Hieran schließen sich zwei Teigdrucke, Iwxression en Ms, d. h. Drucke,
welche auf Papier, das mit einer weichen Masse überzogen ist, so ausgeführt
sind, daß entweder die darzustellende Figur eingedrückt und der Hintergrund er¬
haben und mit Wollstaub veloutirt ist, oder- daß die Figur erhaben und in
Golddruck ausgeführt ist. Infolge der Zerbrechlichkeit des Teiges sind nur
wenige Exemplare erhalten Und aus uns gekommen.

Es folgt nun die Beschreibung der ältesten Kupferstiche mit zahlreichen Fac¬
similes erläutert. Der werthvollste Stich ist eine Madonna vom Meister P
mit der Jahreszahl NLLeei.V. welcher, bis die deutsche Passion von 1447
bekannt wurde, für den Kupferstich mit der frühesten Jahrzahl galt. Er ist
in Oberdeutschland gefunden und deutschen Ursprungs, wie sich aus der
ganzen Behandlung der Gewände ergiebt. Außerdem fehlt es nicht an alt¬
italienischen und niederländischen Stichen und N>aliis. Den Schluß machen die
Beschreibungen von alten Mainzer, bamberger und italienischen, von deutschen
Meistern ausgeführten typographischen Drucken. Unter ihnen sind auch fünf
kaiserliche und päpstliche Erlasse .in Sachen der Absetzung des Erzbischofs von
Mainz, Diethers von Jsenburg, in deren Folge bekanntlich der neugewählte Erz-
bischof Adolf der Zweite von Nassau Mainz stürmen, plündern und zum Theil
verbrennen ließ. Dieses Unglück der Stadt Mainz trieb die Jünger der typo¬
graphischen Kunst in die weite Welt, und die Typographie wurde von nun an
Gemeingut aller gebildeten Länder.

Diese Uebersicht des Inhalts zeigt einigermaßen den Reichthum an Gegen-



') Wegen der weißen Punkte, welche die damit bedeckte Fläche wie ein Sieb erscheinen
lassen, nennen die Franzosen diese Kunstform Nanisl-s oriblss und die Engländer Le^Is ok
elf Ng,2Arme erucitixioll, weil sich an dem Einbande der berühmten Mazarinbibel ein
Schrotblatt, eine Kreuzigung eingeklebt findet. Englisch heißen sie auch äotted Miss.
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[0276] Schrotblätter sind also gleichsam Weiße Bilder auf einer schwarzen Tafel. In¬ zwischen ist dieses Princip der Darstellung in der Praxis gemildert. Man hat nämlich die Figur zwar contourirt und dadurch vom Grunde scharf abgehoben, auch die scharfen Falten innerhalb der Figur durch schwarze Striche bestimmt hervorgehoben, allein die übrigen Massen, namentlich der Gewänder, nicht ganz ausgeschnitten, sondern nur durch größere oder kleinere weiße Punkte oder Ringe, durch Sternchen oder Kreuzchen, endlich durch schraffirende Striche mehr oder minder gehöht oder schattirt, und so sind statt der monotonen weißen Massen schattirte Partien erzeugt. Auch wo der Grund in Mangel einer Figur einfarbig schwarz sein würde, hat man durch Einschneiden von Blumen, Arabesken oder rhom¬ bisch zwischen Stäbe gestellte Rosetten die Monotonie unterbrochen.*) Das Princip wird auch gelegentlich umgekehrt angewandt, der Grund wird ganz ausgeschnitten und die Figur mit Ausnahme der Fieischparthien schwarz mit weißen schattiren- den Punkten dargestellt. Hieran schließen sich zwei Teigdrucke, Iwxression en Ms, d. h. Drucke, welche auf Papier, das mit einer weichen Masse überzogen ist, so ausgeführt sind, daß entweder die darzustellende Figur eingedrückt und der Hintergrund er¬ haben und mit Wollstaub veloutirt ist, oder- daß die Figur erhaben und in Golddruck ausgeführt ist. Infolge der Zerbrechlichkeit des Teiges sind nur wenige Exemplare erhalten Und aus uns gekommen. Es folgt nun die Beschreibung der ältesten Kupferstiche mit zahlreichen Fac¬ similes erläutert. Der werthvollste Stich ist eine Madonna vom Meister P mit der Jahreszahl NLLeei.V. welcher, bis die deutsche Passion von 1447 bekannt wurde, für den Kupferstich mit der frühesten Jahrzahl galt. Er ist in Oberdeutschland gefunden und deutschen Ursprungs, wie sich aus der ganzen Behandlung der Gewände ergiebt. Außerdem fehlt es nicht an alt¬ italienischen und niederländischen Stichen und N>aliis. Den Schluß machen die Beschreibungen von alten Mainzer, bamberger und italienischen, von deutschen Meistern ausgeführten typographischen Drucken. Unter ihnen sind auch fünf kaiserliche und päpstliche Erlasse .in Sachen der Absetzung des Erzbischofs von Mainz, Diethers von Jsenburg, in deren Folge bekanntlich der neugewählte Erz- bischof Adolf der Zweite von Nassau Mainz stürmen, plündern und zum Theil verbrennen ließ. Dieses Unglück der Stadt Mainz trieb die Jünger der typo¬ graphischen Kunst in die weite Welt, und die Typographie wurde von nun an Gemeingut aller gebildeten Länder. Diese Uebersicht des Inhalts zeigt einigermaßen den Reichthum an Gegen- ') Wegen der weißen Punkte, welche die damit bedeckte Fläche wie ein Sieb erscheinen lassen, nennen die Franzosen diese Kunstform Nanisl-s oriblss und die Engländer Le^Is ok elf Ng,2Arme erucitixioll, weil sich an dem Einbande der berühmten Mazarinbibel ein Schrotblatt, eine Kreuzigung eingeklebt findet. Englisch heißen sie auch äotted Miss.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/276>, abgerufen am 23.07.2024.