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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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geschmückt waren, so scheint man auch Tafeln geschnitten zu haben, um dergleichen
Bilder auf Büchereinbände zu drucken. Das besprochene Pergamentblatt zeigt
nämlich auf der Rückseite noch ganz deutlich die Spuren des Druckes in dem
Kleister, womit das Pergament aufgeklebt war.

Das Blatt hat keine Jahreszahl, es konnte also die Zeit seiner Entstehung
nur aus der Art der Darstellung ermittelt werden. Der Gegenstand der Dar¬
stellung ist eine Kreuzigung mit Maria links und Se. Johannes rechts unter
d"n Kreuze, wie sie gewöhnlich stehen. Ueber dem Kreuze ist links das Bild
der Sonne, rechts das des Mondes als menschliches Brustbild, welche ihr Antlitz
verhüllen. Die Darstellung umgiebt ein Rahmen, auf welchem oben in der
Mitte das göttliche Lamm mit der Siegesfahne, unten Moses, auf beiden Seiten
in der Mitte links David, rechts die Sibylle, in den vier Ecken aber die Symbole
der vier Evangelisten angebracht sind. Der Sinn dieser reichen Komposition
des Rahmens ist nach den Verfassern folgender. In Moses ist, weil er das
Gesetz gab, durch dessen Uebertretung die Sünde entstand, die Nothwendig¬
keit, in David und in der Sibylle die Ankündigung, im Gottes-
lamme die Ausführung und in den vier Evangelisten die Ausbrei¬
tung der Erlösung angedeutet. Die romanische Kunst, in deren Zeit unser
Bild noch gehört, liebte diese Symbolik vorzugsweise, wie man u. a. aus den
Denkmälern der Baukunst in den obersächsischen Ländern, herausgegeben von
Puttrich, Geifer und Zestermann, sehen kann. Zur Zeitbestimmung dient haupt¬
sächlich die Haltung und Gestaltung des Gekreuzigten, welche genau mit der
dogmatischen Auffassung des Werkes und der Person Jesu zusammenhängt.
Man hat nämlich zu bemerken, daß von der doppelten Natur Christi im frü¬
heren Alterthume mehr die göttliche als die menschliche hervorgehoben wurde,
und daß auch in der Darstellung der Erlösung durch die Kreuzigung in früherer
Zeit mehr der Sieg der göttlichen Natur über Sünde und Tod, als die schmerz¬
lichen menschlichen Leiden, welche der Gottmensch infolge der menschlichen Sünde
zu tragen hatte, hervortreten. Daher erscheint Christus in frühester Zeit jugend¬
lich schön, ohne Dornenkrone, ohne Nägel, die ihn ans Kreuz zwingen, mit
offenen Augen und gehobenem Haupte, gewissermaßen freiwillig als allmächtiger
unsterblicher Gott am Kreuze schwebend, um anzudeuten, daß freier Wille die
Gottheit zum Opfer für die sündige Menschheit geführt habe. Ein Kreuzesbild
solcher Art ist das der weigelschcn Sammlung. Später wird die menschliche
Natur und der qualvolle Tod Christi mehr hervorgehoben; der Körper unter¬
liegt der Last der Leiden, er sinkt schlaff am Kreuze zusammen, das Haupt ist
gesenkt und das Auge gebrochen, die göttliche Schönheit ist vernichtet; alt und
jammervoll erscheint der Dornengekrönte. Diese Vorstellung macht sich schon
sehr deutlich geltend in einer Kreuzigung von 1184 auf dem berühmten Altare
von Verdün in der Se. Leopoldskapelle des regulirten Chorherrnstifts zu Kloster-


geschmückt waren, so scheint man auch Tafeln geschnitten zu haben, um dergleichen
Bilder auf Büchereinbände zu drucken. Das besprochene Pergamentblatt zeigt
nämlich auf der Rückseite noch ganz deutlich die Spuren des Druckes in dem
Kleister, womit das Pergament aufgeklebt war.

Das Blatt hat keine Jahreszahl, es konnte also die Zeit seiner Entstehung
nur aus der Art der Darstellung ermittelt werden. Der Gegenstand der Dar¬
stellung ist eine Kreuzigung mit Maria links und Se. Johannes rechts unter
d«n Kreuze, wie sie gewöhnlich stehen. Ueber dem Kreuze ist links das Bild
der Sonne, rechts das des Mondes als menschliches Brustbild, welche ihr Antlitz
verhüllen. Die Darstellung umgiebt ein Rahmen, auf welchem oben in der
Mitte das göttliche Lamm mit der Siegesfahne, unten Moses, auf beiden Seiten
in der Mitte links David, rechts die Sibylle, in den vier Ecken aber die Symbole
der vier Evangelisten angebracht sind. Der Sinn dieser reichen Komposition
des Rahmens ist nach den Verfassern folgender. In Moses ist, weil er das
Gesetz gab, durch dessen Uebertretung die Sünde entstand, die Nothwendig¬
keit, in David und in der Sibylle die Ankündigung, im Gottes-
lamme die Ausführung und in den vier Evangelisten die Ausbrei¬
tung der Erlösung angedeutet. Die romanische Kunst, in deren Zeit unser
Bild noch gehört, liebte diese Symbolik vorzugsweise, wie man u. a. aus den
Denkmälern der Baukunst in den obersächsischen Ländern, herausgegeben von
Puttrich, Geifer und Zestermann, sehen kann. Zur Zeitbestimmung dient haupt¬
sächlich die Haltung und Gestaltung des Gekreuzigten, welche genau mit der
dogmatischen Auffassung des Werkes und der Person Jesu zusammenhängt.
Man hat nämlich zu bemerken, daß von der doppelten Natur Christi im frü¬
heren Alterthume mehr die göttliche als die menschliche hervorgehoben wurde,
und daß auch in der Darstellung der Erlösung durch die Kreuzigung in früherer
Zeit mehr der Sieg der göttlichen Natur über Sünde und Tod, als die schmerz¬
lichen menschlichen Leiden, welche der Gottmensch infolge der menschlichen Sünde
zu tragen hatte, hervortreten. Daher erscheint Christus in frühester Zeit jugend¬
lich schön, ohne Dornenkrone, ohne Nägel, die ihn ans Kreuz zwingen, mit
offenen Augen und gehobenem Haupte, gewissermaßen freiwillig als allmächtiger
unsterblicher Gott am Kreuze schwebend, um anzudeuten, daß freier Wille die
Gottheit zum Opfer für die sündige Menschheit geführt habe. Ein Kreuzesbild
solcher Art ist das der weigelschcn Sammlung. Später wird die menschliche
Natur und der qualvolle Tod Christi mehr hervorgehoben; der Körper unter¬
liegt der Last der Leiden, er sinkt schlaff am Kreuze zusammen, das Haupt ist
gesenkt und das Auge gebrochen, die göttliche Schönheit ist vernichtet; alt und
jammervoll erscheint der Dornengekrönte. Diese Vorstellung macht sich schon
sehr deutlich geltend in einer Kreuzigung von 1184 auf dem berühmten Altare
von Verdün in der Se. Leopoldskapelle des regulirten Chorherrnstifts zu Kloster-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/270>, abgerufen am 22.12.2024.