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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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nachkommt. Und ebenfalls bezeichnend für ihn ist, daß er der Versuchung nicht
wiederstehn kann, das Scherzgedicht, welches er auf solche Forderung verfertiget
hat, selbstgefällig einem andern Gönner im Vertrauen mitzutheilen.
Der Brief lautet nach dem Original folgendermaßen:


Hochedelgebohrner, Hochzuchrender Herr Rath.

Ich hätte Ihnen schon längstens mein Mitleiden wegen des Absterbens
Ihrer Frau Schwiegermutter bezeigen sollen. Und wenn ich der Mode hätte
folgen wollen, so würde ichs gewiß gethan haben. Allein ich bin zu bescheiden,
als daß ich Sie mit einer Condolenz hätte beunruhigen sollen. So aufrichtig
diese Leidbezeigungen oft sind: so sind sie doch nichts anders als Mittel, den
Schmerz zu vermehren. Ich weis, daß mir der Herr Rath zutrauen, daß ich
an ihrem Vergnügen und Mißvergnügen Theil nehme, ohne daß ichs Ihnen
schriftlich aussetze. Und warum soll ich einen Todesfall beklagen, der dem
menschlichen Ziele nach, kaum länger aufgeschoben bleiben konnte. Mir scheint
es ungerecht zu sein, wenn man sich bei einem so glückseligen Ende einer be¬
jahrten und zum Tode geschickten Person mehr betrübt, als gelaßen zeigt. Gott
erhalte nur Sie und alle ihre werthen Angehörigen so lange gesund und zu¬
frieden, als Die seelige Frau Hauvtmanninn: so können sie sich kein beßer
Schicksal wünschen.

Wenn ich nicht eine Reise zu den Meinigen vorhatte: so würde ich Ihnen,
mein lieber Herr Rath, diese Feyertage gewiß in ihrem Hauße aufgewartet haben:
so aber muß ich das Vergnügen bis auf die Messe entbehren. Ich habe den
Herrn Sohn gebethen, daß er noir Gesellschaft leisten und meine Vaterstadt mit
besuchen sollte. Er hat sich aber mit seinem Fleiße und in.it der Reise zu Ihnen
entschuldigt. So gern ichs allso gesehen hätte, wenn ich Ihnen bey den Mei¬
nigen einige Gefälligkeiten hatte erzeigen können: so wenig habe ich ihn doch
von einem nähern Vergnügen abhalten können. Ich bin indeßen zufrieden,
daß ich die guten Versickerungen, die ich Ihnen zeither von seinem.Fleiße er¬
theilt, ize wiederholen kann. Es soll mir das größte Vergnügen seyn, wenn
meine Gesellschaft zu seinem Vortheile etwas beygetragen hat.

Weil ich noch Raum habe: so will ich eine Grabschrift hersetzen, die ich
auf Befehl eines vornehmen Mannes in Dresden, auf einen noch lebenden
Generalmajor (Meyer sud rosa) zum Scherze habe verfertigen müssen. Die
Sache verhält sich allso: Er hat vor 16 Jahren seine Meublen auf rente"
vieres verkauft, z. e. sein Pferd, das 400 Ducaten werth gewesen, mit dem
Bedinge, daß man ihm, so lange er lebte, deS Jahrs 60 Ducaten geben sollte.
Weil er nun menschlicher Weise kaum ein Jahr hat leben können: so haben
ihm die vornehmsten Herren in Dresden, darunter auch der Herzog Adolph ist,
seine Meublen abgekauft. Allein er ist sechszehn Jahre leben geblieben. Und


nachkommt. Und ebenfalls bezeichnend für ihn ist, daß er der Versuchung nicht
wiederstehn kann, das Scherzgedicht, welches er auf solche Forderung verfertiget
hat, selbstgefällig einem andern Gönner im Vertrauen mitzutheilen.
Der Brief lautet nach dem Original folgendermaßen:


Hochedelgebohrner, Hochzuchrender Herr Rath.

Ich hätte Ihnen schon längstens mein Mitleiden wegen des Absterbens
Ihrer Frau Schwiegermutter bezeigen sollen. Und wenn ich der Mode hätte
folgen wollen, so würde ichs gewiß gethan haben. Allein ich bin zu bescheiden,
als daß ich Sie mit einer Condolenz hätte beunruhigen sollen. So aufrichtig
diese Leidbezeigungen oft sind: so sind sie doch nichts anders als Mittel, den
Schmerz zu vermehren. Ich weis, daß mir der Herr Rath zutrauen, daß ich
an ihrem Vergnügen und Mißvergnügen Theil nehme, ohne daß ichs Ihnen
schriftlich aussetze. Und warum soll ich einen Todesfall beklagen, der dem
menschlichen Ziele nach, kaum länger aufgeschoben bleiben konnte. Mir scheint
es ungerecht zu sein, wenn man sich bei einem so glückseligen Ende einer be¬
jahrten und zum Tode geschickten Person mehr betrübt, als gelaßen zeigt. Gott
erhalte nur Sie und alle ihre werthen Angehörigen so lange gesund und zu¬
frieden, als Die seelige Frau Hauvtmanninn: so können sie sich kein beßer
Schicksal wünschen.

Wenn ich nicht eine Reise zu den Meinigen vorhatte: so würde ich Ihnen,
mein lieber Herr Rath, diese Feyertage gewiß in ihrem Hauße aufgewartet haben:
so aber muß ich das Vergnügen bis auf die Messe entbehren. Ich habe den
Herrn Sohn gebethen, daß er noir Gesellschaft leisten und meine Vaterstadt mit
besuchen sollte. Er hat sich aber mit seinem Fleiße und in.it der Reise zu Ihnen
entschuldigt. So gern ichs allso gesehen hätte, wenn ich Ihnen bey den Mei¬
nigen einige Gefälligkeiten hatte erzeigen können: so wenig habe ich ihn doch
von einem nähern Vergnügen abhalten können. Ich bin indeßen zufrieden,
daß ich die guten Versickerungen, die ich Ihnen zeither von seinem.Fleiße er¬
theilt, ize wiederholen kann. Es soll mir das größte Vergnügen seyn, wenn
meine Gesellschaft zu seinem Vortheile etwas beygetragen hat.

Weil ich noch Raum habe: so will ich eine Grabschrift hersetzen, die ich
auf Befehl eines vornehmen Mannes in Dresden, auf einen noch lebenden
Generalmajor (Meyer sud rosa) zum Scherze habe verfertigen müssen. Die
Sache verhält sich allso: Er hat vor 16 Jahren seine Meublen auf rente»
vieres verkauft, z. e. sein Pferd, das 400 Ducaten werth gewesen, mit dem
Bedinge, daß man ihm, so lange er lebte, deS Jahrs 60 Ducaten geben sollte.
Weil er nun menschlicher Weise kaum ein Jahr hat leben können: so haben
ihm die vornehmsten Herren in Dresden, darunter auch der Herzog Adolph ist,
seine Meublen abgekauft. Allein er ist sechszehn Jahre leben geblieben. Und


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[0027] nachkommt. Und ebenfalls bezeichnend für ihn ist, daß er der Versuchung nicht wiederstehn kann, das Scherzgedicht, welches er auf solche Forderung verfertiget hat, selbstgefällig einem andern Gönner im Vertrauen mitzutheilen. Der Brief lautet nach dem Original folgendermaßen: Hochedelgebohrner, Hochzuchrender Herr Rath. Ich hätte Ihnen schon längstens mein Mitleiden wegen des Absterbens Ihrer Frau Schwiegermutter bezeigen sollen. Und wenn ich der Mode hätte folgen wollen, so würde ichs gewiß gethan haben. Allein ich bin zu bescheiden, als daß ich Sie mit einer Condolenz hätte beunruhigen sollen. So aufrichtig diese Leidbezeigungen oft sind: so sind sie doch nichts anders als Mittel, den Schmerz zu vermehren. Ich weis, daß mir der Herr Rath zutrauen, daß ich an ihrem Vergnügen und Mißvergnügen Theil nehme, ohne daß ichs Ihnen schriftlich aussetze. Und warum soll ich einen Todesfall beklagen, der dem menschlichen Ziele nach, kaum länger aufgeschoben bleiben konnte. Mir scheint es ungerecht zu sein, wenn man sich bei einem so glückseligen Ende einer be¬ jahrten und zum Tode geschickten Person mehr betrübt, als gelaßen zeigt. Gott erhalte nur Sie und alle ihre werthen Angehörigen so lange gesund und zu¬ frieden, als Die seelige Frau Hauvtmanninn: so können sie sich kein beßer Schicksal wünschen. Wenn ich nicht eine Reise zu den Meinigen vorhatte: so würde ich Ihnen, mein lieber Herr Rath, diese Feyertage gewiß in ihrem Hauße aufgewartet haben: so aber muß ich das Vergnügen bis auf die Messe entbehren. Ich habe den Herrn Sohn gebethen, daß er noir Gesellschaft leisten und meine Vaterstadt mit besuchen sollte. Er hat sich aber mit seinem Fleiße und in.it der Reise zu Ihnen entschuldigt. So gern ichs allso gesehen hätte, wenn ich Ihnen bey den Mei¬ nigen einige Gefälligkeiten hatte erzeigen können: so wenig habe ich ihn doch von einem nähern Vergnügen abhalten können. Ich bin indeßen zufrieden, daß ich die guten Versickerungen, die ich Ihnen zeither von seinem.Fleiße er¬ theilt, ize wiederholen kann. Es soll mir das größte Vergnügen seyn, wenn meine Gesellschaft zu seinem Vortheile etwas beygetragen hat. Weil ich noch Raum habe: so will ich eine Grabschrift hersetzen, die ich auf Befehl eines vornehmen Mannes in Dresden, auf einen noch lebenden Generalmajor (Meyer sud rosa) zum Scherze habe verfertigen müssen. Die Sache verhält sich allso: Er hat vor 16 Jahren seine Meublen auf rente» vieres verkauft, z. e. sein Pferd, das 400 Ducaten werth gewesen, mit dem Bedinge, daß man ihm, so lange er lebte, deS Jahrs 60 Ducaten geben sollte. Weil er nun menschlicher Weise kaum ein Jahr hat leben können: so haben ihm die vornehmsten Herren in Dresden, darunter auch der Herzog Adolph ist, seine Meublen abgekauft. Allein er ist sechszehn Jahre leben geblieben. Und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/27>, abgerufen am 22.07.2024.