Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der trefflichen Facsimiles begreiflich werden. Sie sind von dem Ehrendomherrn
Dr. Bock beschrieben, der sich durch seine zahlreichen Schriften über die Stoffe
zu liturgischen Zwecken als der erste und gründlichste Kenner dieses Zweiges
der mittelalterlichen Industrie erwiesen hat. Die Anfertigung wurde nach dem
Urtheile von, Sachverständigen mit hölzernen Formen bewirkt, welche ebenso
wie die Formen im Handdruck von leinenen oder baumwollenen Stoffen in
unserer Zeit angewendet wurden.

Die fliegenden Blätter sind Drucke theils von metallenen, theils von
hölzernen Formen, und sind meistens mit dem Reih er bewerkstelligt. Noch
im ersten Viertel unseres Jahrhunderts hielt man alle von hochgeschnittenen
Formen hervorgegangenen Drucke für Holzschnitte; allein eine genauere Ver-
gleichung der einzelnen Blätter ergiebt im Drucke der Linien einen wesentlichen
Unterschied; neben manchen Drucken, welche auffallend rauhe, ungleich gekommene,
wie es scheint mangelhaft ausgeführte Linien zeigen, stehen andere von un-
tadelhaft scharfer und gleichmäßiger Linienausprägung. Aus dieser Wahr¬
nehmung wurde bisher auf Verschiedenheit im Material der Druckform ge¬
schlossen, welches die Farbe ungleich ausnähme und wiedergäbe. Als man
nun bemerkte, daß die Einfassungen dieser rauheren Drucke hin und wieder
verbogen, aber nicht abgesprungen waren, ergab sich von selbst, daß die Form
des Druckes Metall sein mußte. Seitdem unterscheidet man nach den von den
Verfassern unter dem Artikel "Metallschnitte" angegebenen Merkmalen die alten
Drucke in Metallschnitte und Holzschnitte. Man hätte diesen Unterschied
freilich auch schon von den Alten erfahren können, hätte man eine Nachricht
des Dr. Paul von Prag näher beachtet, welche aus einer lateinischen Hand¬
schrift vom Jahre 14S9 in der Universitätsbibliothek zu Krakau stammt/) Dort
heißt es: "Der Büchermacher ist ein Künstler, welcher auf erzene, eiserne,
hölzerne von festem Holze und aus andern Dingen gemachte Tafeln Bilder,
Schrift und irgendetwas, um es zuerst auf Papier, oder auf eine Wand,
oder auf ein reines Bret zu drucken, sorgfältig el "schneidet; er schneidet
alles ein, was er wünscht, und er ist ein Mann, der solches mit Malerei
thut/""*) So ist denn die Entdeckung zwar erst in den letzten Jahrzehnten
gemacht, wird aber durch obige Nachricht vollkommen bestätigt.

Der Druck wurde nicht mit der Druckerpresse, die erst Guttenberg um
1440 erfunden hat, sondern mit dem Reiher ausgeführt. Der Reiher ist ein




') Sie findet sich gedruckt in der Polnischen Bibliothek, Heft 8, 9, in der Jenaischen
allg. Lid, Zeitung 17 91, 2S8, in Meusels histor, lit. Magazin, 17 94, VII, 22 für Deutsch¬
land bekannt gemacht, und bei Wetter, kritische Gesch. der Buchdrucker?, --
") I_,ibrixg,Aus sse "rtikex seulxölls subtilitsr in omnibus "frein, tsrröis et ligueis
soliäi ügui atyuL "lüg imagines, sorixturain et omne ^uoälibet, ut xrius iroxrimkt ps,-
xz?ro "ut xarieti "ut "sssri muuclo; seinÄit onus guoä auxit et est Iicuno taoiens talis,
eum xieturis.

der trefflichen Facsimiles begreiflich werden. Sie sind von dem Ehrendomherrn
Dr. Bock beschrieben, der sich durch seine zahlreichen Schriften über die Stoffe
zu liturgischen Zwecken als der erste und gründlichste Kenner dieses Zweiges
der mittelalterlichen Industrie erwiesen hat. Die Anfertigung wurde nach dem
Urtheile von, Sachverständigen mit hölzernen Formen bewirkt, welche ebenso
wie die Formen im Handdruck von leinenen oder baumwollenen Stoffen in
unserer Zeit angewendet wurden.

Die fliegenden Blätter sind Drucke theils von metallenen, theils von
hölzernen Formen, und sind meistens mit dem Reih er bewerkstelligt. Noch
im ersten Viertel unseres Jahrhunderts hielt man alle von hochgeschnittenen
Formen hervorgegangenen Drucke für Holzschnitte; allein eine genauere Ver-
gleichung der einzelnen Blätter ergiebt im Drucke der Linien einen wesentlichen
Unterschied; neben manchen Drucken, welche auffallend rauhe, ungleich gekommene,
wie es scheint mangelhaft ausgeführte Linien zeigen, stehen andere von un-
tadelhaft scharfer und gleichmäßiger Linienausprägung. Aus dieser Wahr¬
nehmung wurde bisher auf Verschiedenheit im Material der Druckform ge¬
schlossen, welches die Farbe ungleich ausnähme und wiedergäbe. Als man
nun bemerkte, daß die Einfassungen dieser rauheren Drucke hin und wieder
verbogen, aber nicht abgesprungen waren, ergab sich von selbst, daß die Form
des Druckes Metall sein mußte. Seitdem unterscheidet man nach den von den
Verfassern unter dem Artikel „Metallschnitte" angegebenen Merkmalen die alten
Drucke in Metallschnitte und Holzschnitte. Man hätte diesen Unterschied
freilich auch schon von den Alten erfahren können, hätte man eine Nachricht
des Dr. Paul von Prag näher beachtet, welche aus einer lateinischen Hand¬
schrift vom Jahre 14S9 in der Universitätsbibliothek zu Krakau stammt/) Dort
heißt es: „Der Büchermacher ist ein Künstler, welcher auf erzene, eiserne,
hölzerne von festem Holze und aus andern Dingen gemachte Tafeln Bilder,
Schrift und irgendetwas, um es zuerst auf Papier, oder auf eine Wand,
oder auf ein reines Bret zu drucken, sorgfältig el »schneidet; er schneidet
alles ein, was er wünscht, und er ist ein Mann, der solches mit Malerei
thut/""*) So ist denn die Entdeckung zwar erst in den letzten Jahrzehnten
gemacht, wird aber durch obige Nachricht vollkommen bestätigt.

Der Druck wurde nicht mit der Druckerpresse, die erst Guttenberg um
1440 erfunden hat, sondern mit dem Reiher ausgeführt. Der Reiher ist ein




') Sie findet sich gedruckt in der Polnischen Bibliothek, Heft 8, 9, in der Jenaischen
allg. Lid, Zeitung 17 91, 2S8, in Meusels histor, lit. Magazin, 17 94, VII, 22 für Deutsch¬
land bekannt gemacht, und bei Wetter, kritische Gesch. der Buchdrucker?, —
") I_,ibrixg,Aus sse »rtikex seulxölls subtilitsr in omnibus »frein, tsrröis et ligueis
soliäi ügui atyuL »lüg imagines, sorixturain et omne ^uoälibet, ut xrius iroxrimkt ps,-
xz?ro »ut xarieti »ut »sssri muuclo; seinÄit onus guoä auxit et est Iicuno taoiens talis,
eum xieturis.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284738"/>
          <p xml:id="ID_914" prev="#ID_913"> der trefflichen Facsimiles begreiflich werden. Sie sind von dem Ehrendomherrn<lb/>
Dr. Bock beschrieben, der sich durch seine zahlreichen Schriften über die Stoffe<lb/>
zu liturgischen Zwecken als der erste und gründlichste Kenner dieses Zweiges<lb/>
der mittelalterlichen Industrie erwiesen hat. Die Anfertigung wurde nach dem<lb/>
Urtheile von, Sachverständigen mit hölzernen Formen bewirkt, welche ebenso<lb/>
wie die Formen im Handdruck von leinenen oder baumwollenen Stoffen in<lb/>
unserer Zeit angewendet wurden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_915"> Die fliegenden Blätter sind Drucke theils von metallenen, theils von<lb/>
hölzernen Formen, und sind meistens mit dem Reih er bewerkstelligt. Noch<lb/>
im ersten Viertel unseres Jahrhunderts hielt man alle von hochgeschnittenen<lb/>
Formen hervorgegangenen Drucke für Holzschnitte; allein eine genauere Ver-<lb/>
gleichung der einzelnen Blätter ergiebt im Drucke der Linien einen wesentlichen<lb/>
Unterschied; neben manchen Drucken, welche auffallend rauhe, ungleich gekommene,<lb/>
wie es scheint mangelhaft ausgeführte Linien zeigen, stehen andere von un-<lb/>
tadelhaft scharfer und gleichmäßiger Linienausprägung. Aus dieser Wahr¬<lb/>
nehmung wurde bisher auf Verschiedenheit im Material der Druckform ge¬<lb/>
schlossen, welches die Farbe ungleich ausnähme und wiedergäbe. Als man<lb/>
nun bemerkte, daß die Einfassungen dieser rauheren Drucke hin und wieder<lb/>
verbogen, aber nicht abgesprungen waren, ergab sich von selbst, daß die Form<lb/>
des Druckes Metall sein mußte. Seitdem unterscheidet man nach den von den<lb/>
Verfassern unter dem Artikel &#x201E;Metallschnitte" angegebenen Merkmalen die alten<lb/>
Drucke in Metallschnitte und Holzschnitte. Man hätte diesen Unterschied<lb/>
freilich auch schon von den Alten erfahren können, hätte man eine Nachricht<lb/>
des Dr. Paul von Prag näher beachtet, welche aus einer lateinischen Hand¬<lb/>
schrift vom Jahre 14S9 in der Universitätsbibliothek zu Krakau stammt/) Dort<lb/>
heißt es: &#x201E;Der Büchermacher ist ein Künstler, welcher auf erzene, eiserne,<lb/>
hölzerne von festem Holze und aus andern Dingen gemachte Tafeln Bilder,<lb/>
Schrift und irgendetwas, um es zuerst auf Papier, oder auf eine Wand,<lb/>
oder auf ein reines Bret zu drucken, sorgfältig el »schneidet; er schneidet<lb/>
alles ein, was er wünscht, und er ist ein Mann, der solches mit Malerei<lb/>
thut/""*) So ist denn die Entdeckung zwar erst in den letzten Jahrzehnten<lb/>
gemacht, wird aber durch obige Nachricht vollkommen bestätigt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_916" next="#ID_917"> Der Druck wurde nicht mit der Druckerpresse, die erst Guttenberg um<lb/>
1440 erfunden hat, sondern mit dem Reiher ausgeführt. Der Reiher ist ein</p><lb/>
          <note xml:id="FID_16" place="foot"> ') Sie findet sich gedruckt in der Polnischen Bibliothek, Heft 8, 9, in der Jenaischen<lb/>
allg. Lid, Zeitung 17 91, 2S8, in Meusels histor, lit. Magazin, 17 94, VII, 22 für Deutsch¬<lb/>
land bekannt gemacht, und bei Wetter, kritische Gesch. der Buchdrucker?, &#x2014;</note><lb/>
          <note xml:id="FID_17" place="foot"> ") I_,ibrixg,Aus sse »rtikex seulxölls subtilitsr in omnibus »frein, tsrröis et ligueis<lb/>
soliäi ügui atyuL »lüg imagines, sorixturain et omne ^uoälibet, ut xrius iroxrimkt ps,-<lb/>
xz?ro »ut xarieti »ut »sssri muuclo; seinÄit onus guoä auxit et est Iicuno taoiens talis,<lb/>
eum xieturis.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0268] der trefflichen Facsimiles begreiflich werden. Sie sind von dem Ehrendomherrn Dr. Bock beschrieben, der sich durch seine zahlreichen Schriften über die Stoffe zu liturgischen Zwecken als der erste und gründlichste Kenner dieses Zweiges der mittelalterlichen Industrie erwiesen hat. Die Anfertigung wurde nach dem Urtheile von, Sachverständigen mit hölzernen Formen bewirkt, welche ebenso wie die Formen im Handdruck von leinenen oder baumwollenen Stoffen in unserer Zeit angewendet wurden. Die fliegenden Blätter sind Drucke theils von metallenen, theils von hölzernen Formen, und sind meistens mit dem Reih er bewerkstelligt. Noch im ersten Viertel unseres Jahrhunderts hielt man alle von hochgeschnittenen Formen hervorgegangenen Drucke für Holzschnitte; allein eine genauere Ver- gleichung der einzelnen Blätter ergiebt im Drucke der Linien einen wesentlichen Unterschied; neben manchen Drucken, welche auffallend rauhe, ungleich gekommene, wie es scheint mangelhaft ausgeführte Linien zeigen, stehen andere von un- tadelhaft scharfer und gleichmäßiger Linienausprägung. Aus dieser Wahr¬ nehmung wurde bisher auf Verschiedenheit im Material der Druckform ge¬ schlossen, welches die Farbe ungleich ausnähme und wiedergäbe. Als man nun bemerkte, daß die Einfassungen dieser rauheren Drucke hin und wieder verbogen, aber nicht abgesprungen waren, ergab sich von selbst, daß die Form des Druckes Metall sein mußte. Seitdem unterscheidet man nach den von den Verfassern unter dem Artikel „Metallschnitte" angegebenen Merkmalen die alten Drucke in Metallschnitte und Holzschnitte. Man hätte diesen Unterschied freilich auch schon von den Alten erfahren können, hätte man eine Nachricht des Dr. Paul von Prag näher beachtet, welche aus einer lateinischen Hand¬ schrift vom Jahre 14S9 in der Universitätsbibliothek zu Krakau stammt/) Dort heißt es: „Der Büchermacher ist ein Künstler, welcher auf erzene, eiserne, hölzerne von festem Holze und aus andern Dingen gemachte Tafeln Bilder, Schrift und irgendetwas, um es zuerst auf Papier, oder auf eine Wand, oder auf ein reines Bret zu drucken, sorgfältig el »schneidet; er schneidet alles ein, was er wünscht, und er ist ein Mann, der solches mit Malerei thut/""*) So ist denn die Entdeckung zwar erst in den letzten Jahrzehnten gemacht, wird aber durch obige Nachricht vollkommen bestätigt. Der Druck wurde nicht mit der Druckerpresse, die erst Guttenberg um 1440 erfunden hat, sondern mit dem Reiher ausgeführt. Der Reiher ist ein ') Sie findet sich gedruckt in der Polnischen Bibliothek, Heft 8, 9, in der Jenaischen allg. Lid, Zeitung 17 91, 2S8, in Meusels histor, lit. Magazin, 17 94, VII, 22 für Deutsch¬ land bekannt gemacht, und bei Wetter, kritische Gesch. der Buchdrucker?, — ") I_,ibrixg,Aus sse »rtikex seulxölls subtilitsr in omnibus »frein, tsrröis et ligueis soliäi ügui atyuL »lüg imagines, sorixturain et omne ^uoälibet, ut xrius iroxrimkt ps,- xz?ro »ut xarieti »ut »sssri muuclo; seinÄit onus guoä auxit et est Iicuno taoiens talis, eum xieturis.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/268
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/268>, abgerufen am 22.12.2024.