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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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wen haben. Es muß den Fachjournalen vorbehalten bleiben und würde die
Grenzen dieses Aufsatzes überschreiten, diese Nachahmungen, die sich zumeist
auf die bedingte Freilassung beziehen, eingehender zu prüfen und die Bedenken
zu würdigen, die z. B. in der Deutschen Strafrechtszcitung gegen die sächsischen
Einrichtungen erhoben worden sind. (Vgl. die Kritik der zwickauer Strafanstalts-
vrganisation von Director v. Valentini.) Das Erfreuliche und wahrhaft Be¬
deutende bleibt jedenfalls festzuhalten. daß mit der Einführung der bedingten
Freilassung in den strafrechtlichen Apparat ein entscheidender Schritt zur Hu-
manisirung des Strafvollzuges gethan wird, der einen Bruch mit alten Tra¬
ditionen nothwendig bedingt und in seinen Consequenzen immer unausbleib¬
licher macht. Zur Humanisirung -- allerdings ist dies Wort hier nicht zu
nehmen in dem Sinne einer sentimcntalitätskrankcn Milde, einer erschlaffenden
Nachsicht, sondern lediglich in dem eines engsten Anschlusses an die menschliche
Natur. Darin aber grade ruht sein tiefbegründeter Vorzug wie auch sein prin¬
cipieller Fortschritt über den Geist des JsolirsystcmS, der grade in seinem
Grundgedanken in einem bedenklichen Gegensatz zu den wirklichen Bedürfnissen
und Qualitäten der menschlichen Natur steht. Die bedingte Freilassung hat
nur dann einen Sinn, wenn sie sich wie in den organischen Einrichtungen des
irischen Gefängnißwesens als der Gipfel eines Systems darstellt, das sich überall
an den natürlichen Egoismus, an den Freiheitstrieb, an das Hoffen, an die
nimmer rastenden lebendigen Mächte in des Menschen Brust wendet.

Indem ein Gefängnißsystem mit der Aussicht auf Freilassung als Straf¬
modus operirt, bricht es von selbst mit jener gefährlichen Tendenz des Straf¬
vollzugs, welche ein Hauptgewicht auf die Einkehr des Sträflings in sich selbst
verlegt. Es richtet den Blick desselben hinaus "ins Freie", die starren Schran¬
ken des Gefängnisses erweitern sich, und dieses selbst wird zu einer Schule der
Freiheit. Indem der östreichische Justizminister das System der Freilassung als
ein "anderwärts trefflich bewährtes" anerkennt, anerkennt er daher gleichzeitig
einen Geist des Strafvollzugs, welcher folgerichtig durchgeführt eine totale
Aenderung des gesammten Strafsystcms zur Folge haben muß. Wis weit ihm
dies gelingen wird, kann sich erst dann herausstellen, wenn die gegenwärtig
mit der Redaction des neuen Strafgesetzes betraute Commission ihre Resultate
veröffentlicht. Daß übrigens auch lediglich statistisch betrachtet für Oestreich
Grund, genug vorhanden ist. die Factoren seiner Strafvollzüge zu prüfen, zei¬
gen folgende Ziffern. Die Zahl der Schlußverhandiungen über Verbrechen
und Vergehen betrug 1860: 1185; 1861: 1224; 1862: 1413; 1863: 1549;
1864: 1744; 1865: 1962; in Summa ergiebt sich eine stete Zunahme, wäh-
rend die Zahl der verurtheilenden Erkenntnisse in Irland sich von 1013 in
1853 (vor Einführung des neuen Systems) auf ein Drittel vermindert hat.


I. Duvoc.


wen haben. Es muß den Fachjournalen vorbehalten bleiben und würde die
Grenzen dieses Aufsatzes überschreiten, diese Nachahmungen, die sich zumeist
auf die bedingte Freilassung beziehen, eingehender zu prüfen und die Bedenken
zu würdigen, die z. B. in der Deutschen Strafrechtszcitung gegen die sächsischen
Einrichtungen erhoben worden sind. (Vgl. die Kritik der zwickauer Strafanstalts-
vrganisation von Director v. Valentini.) Das Erfreuliche und wahrhaft Be¬
deutende bleibt jedenfalls festzuhalten. daß mit der Einführung der bedingten
Freilassung in den strafrechtlichen Apparat ein entscheidender Schritt zur Hu-
manisirung des Strafvollzuges gethan wird, der einen Bruch mit alten Tra¬
ditionen nothwendig bedingt und in seinen Consequenzen immer unausbleib¬
licher macht. Zur Humanisirung — allerdings ist dies Wort hier nicht zu
nehmen in dem Sinne einer sentimcntalitätskrankcn Milde, einer erschlaffenden
Nachsicht, sondern lediglich in dem eines engsten Anschlusses an die menschliche
Natur. Darin aber grade ruht sein tiefbegründeter Vorzug wie auch sein prin¬
cipieller Fortschritt über den Geist des JsolirsystcmS, der grade in seinem
Grundgedanken in einem bedenklichen Gegensatz zu den wirklichen Bedürfnissen
und Qualitäten der menschlichen Natur steht. Die bedingte Freilassung hat
nur dann einen Sinn, wenn sie sich wie in den organischen Einrichtungen des
irischen Gefängnißwesens als der Gipfel eines Systems darstellt, das sich überall
an den natürlichen Egoismus, an den Freiheitstrieb, an das Hoffen, an die
nimmer rastenden lebendigen Mächte in des Menschen Brust wendet.

Indem ein Gefängnißsystem mit der Aussicht auf Freilassung als Straf¬
modus operirt, bricht es von selbst mit jener gefährlichen Tendenz des Straf¬
vollzugs, welche ein Hauptgewicht auf die Einkehr des Sträflings in sich selbst
verlegt. Es richtet den Blick desselben hinaus „ins Freie", die starren Schran¬
ken des Gefängnisses erweitern sich, und dieses selbst wird zu einer Schule der
Freiheit. Indem der östreichische Justizminister das System der Freilassung als
ein „anderwärts trefflich bewährtes" anerkennt, anerkennt er daher gleichzeitig
einen Geist des Strafvollzugs, welcher folgerichtig durchgeführt eine totale
Aenderung des gesammten Strafsystcms zur Folge haben muß. Wis weit ihm
dies gelingen wird, kann sich erst dann herausstellen, wenn die gegenwärtig
mit der Redaction des neuen Strafgesetzes betraute Commission ihre Resultate
veröffentlicht. Daß übrigens auch lediglich statistisch betrachtet für Oestreich
Grund, genug vorhanden ist. die Factoren seiner Strafvollzüge zu prüfen, zei¬
gen folgende Ziffern. Die Zahl der Schlußverhandiungen über Verbrechen
und Vergehen betrug 1860: 1185; 1861: 1224; 1862: 1413; 1863: 1549;
1864: 1744; 1865: 1962; in Summa ergiebt sich eine stete Zunahme, wäh-
rend die Zahl der verurtheilenden Erkenntnisse in Irland sich von 1013 in
1853 (vor Einführung des neuen Systems) auf ein Drittel vermindert hat.


I. Duvoc.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/210>, abgerufen am 22.12.2024.