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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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und seiner Vertreter in Spanien ein. Der Besitz der todten Hand wurde be¬
steuert, die Widersetzlichkeit des Großinquisitors gedemüthigt, die Unterordnung
aller die weltliche Sphäre irgend berührenden päpstlichen Erlasse unter die Ge¬
nehmigung der Krone verfügt, den Jesuiten bei verschiedenen Gelegenheiten
Halt geboten. Daneben räumten die Minister des Königs so viel als möglich
mit der alten Schmutz- und Bettelwirthschaft auf, in den höheren Behörden
gelangten die Anhänger von Verbesserungen zu immer größerem Einfluß, in
den gebildeten Kreisen wandte man sich immer zahlreicher und entschiedener
von der herkömmlichen Bigotterie und Trägheit ab. Ein von den Jesuiten
und Mönchen angezettelter Aufstand zur größeren Ehre Gottes konnte, obwohl
sich die niedere Classe eifrig daran betheiligte, niedergeworfen werden und diente
nur dazu, daß der König ernster und ausgedehnter reformirte als vorher. Die
Jesuiten wurden ausgewiesen; die Erwerbungen der todten Hand, die Ein¬
mischung des Klerus in weltliche Geschäfte, seine Herrschaft über die Massen
durch ein ausgedehntes Almosenwesen und den Unfug der nicht weniger weit-
ausgedehnter Bruderschaften, sein Monopol im Unterrichtswesen, sein Recht,
die Literatur durch Censoren zu regieren und zu hemmen, alles das wurde be¬
schränkt oder ganz zu beseitigen versucht -- ein Reformwerk, bei dem die Mi¬
nister Aranda, Campomanes und Floridablanca tüchtige Rathgeber und energische
Gehilfen waren. Indeß war unter diesen drei Staatsmännern nur Campo¬
manes durchaus auf dem rechten Wege, indem er begriff, daß jedes Volk sich
nach seiner besondern Natur entwickeln muß. infolge dieser Erkenntniß an die
gesunden Ueberlieferungen aus der Zeit vor den Habsburger" anknüpfte und
den Grundsatz befolgte, daß für alle wichtigen Maßregeln vorher die öffentliche
Meinung zu gewinnen ist. Aranda war ein reiner Voltairianer, bis zur Fri¬
volität von allen Vorurtheilen frei, dabei für Umgestaltung der Verhältnisse
nach Schablonen, die aus der Fremde stammten, überdies intriguant und ein
Freund großer Projecte, die bisweilen abenteuerlich waren. Floridablanca end¬
lich, der eigentliche Vertraute Karls, ist in allen Beziehungen der Staatsmann
des achtzehnten Jahrhunderts, der den Fortschritt lediglich durch die Macht-
sprüche eines aufgeklärten und wohlwollenden Absolutismus fördert, rastlos
thätig für die Hebung des materiellen Wohlstandes, für Entwickelung der
Hilfsquellen des Landes, für durchgreifende Ordnung, aber immer mit bureau¬
kratischen Mitteln. Unbeschränkte Macht ging ihm über alles, und an eine
Erziehung des Volkes zur Mitwirkung dachte er nicht. Er bekämpfte die Kirche
nur, so weit sie der Staatsgewalt gefährlich war, er beförderte die Bildung
lediglich so lange, als sie nicht zu liberalen Ansprüchen auf Selbstthätigkeit
überging.

Und selbst mit dieser Halbheit stießen König und Minister bei der großen
Masse des Volks noch auf Widerwillen und Widerstand. Die Verderbniß unter


und seiner Vertreter in Spanien ein. Der Besitz der todten Hand wurde be¬
steuert, die Widersetzlichkeit des Großinquisitors gedemüthigt, die Unterordnung
aller die weltliche Sphäre irgend berührenden päpstlichen Erlasse unter die Ge¬
nehmigung der Krone verfügt, den Jesuiten bei verschiedenen Gelegenheiten
Halt geboten. Daneben räumten die Minister des Königs so viel als möglich
mit der alten Schmutz- und Bettelwirthschaft auf, in den höheren Behörden
gelangten die Anhänger von Verbesserungen zu immer größerem Einfluß, in
den gebildeten Kreisen wandte man sich immer zahlreicher und entschiedener
von der herkömmlichen Bigotterie und Trägheit ab. Ein von den Jesuiten
und Mönchen angezettelter Aufstand zur größeren Ehre Gottes konnte, obwohl
sich die niedere Classe eifrig daran betheiligte, niedergeworfen werden und diente
nur dazu, daß der König ernster und ausgedehnter reformirte als vorher. Die
Jesuiten wurden ausgewiesen; die Erwerbungen der todten Hand, die Ein¬
mischung des Klerus in weltliche Geschäfte, seine Herrschaft über die Massen
durch ein ausgedehntes Almosenwesen und den Unfug der nicht weniger weit-
ausgedehnter Bruderschaften, sein Monopol im Unterrichtswesen, sein Recht,
die Literatur durch Censoren zu regieren und zu hemmen, alles das wurde be¬
schränkt oder ganz zu beseitigen versucht — ein Reformwerk, bei dem die Mi¬
nister Aranda, Campomanes und Floridablanca tüchtige Rathgeber und energische
Gehilfen waren. Indeß war unter diesen drei Staatsmännern nur Campo¬
manes durchaus auf dem rechten Wege, indem er begriff, daß jedes Volk sich
nach seiner besondern Natur entwickeln muß. infolge dieser Erkenntniß an die
gesunden Ueberlieferungen aus der Zeit vor den Habsburger» anknüpfte und
den Grundsatz befolgte, daß für alle wichtigen Maßregeln vorher die öffentliche
Meinung zu gewinnen ist. Aranda war ein reiner Voltairianer, bis zur Fri¬
volität von allen Vorurtheilen frei, dabei für Umgestaltung der Verhältnisse
nach Schablonen, die aus der Fremde stammten, überdies intriguant und ein
Freund großer Projecte, die bisweilen abenteuerlich waren. Floridablanca end¬
lich, der eigentliche Vertraute Karls, ist in allen Beziehungen der Staatsmann
des achtzehnten Jahrhunderts, der den Fortschritt lediglich durch die Macht-
sprüche eines aufgeklärten und wohlwollenden Absolutismus fördert, rastlos
thätig für die Hebung des materiellen Wohlstandes, für Entwickelung der
Hilfsquellen des Landes, für durchgreifende Ordnung, aber immer mit bureau¬
kratischen Mitteln. Unbeschränkte Macht ging ihm über alles, und an eine
Erziehung des Volkes zur Mitwirkung dachte er nicht. Er bekämpfte die Kirche
nur, so weit sie der Staatsgewalt gefährlich war, er beförderte die Bildung
lediglich so lange, als sie nicht zu liberalen Ansprüchen auf Selbstthätigkeit
überging.

Und selbst mit dieser Halbheit stießen König und Minister bei der großen
Masse des Volks noch auf Widerwillen und Widerstand. Die Verderbniß unter


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[0188] und seiner Vertreter in Spanien ein. Der Besitz der todten Hand wurde be¬ steuert, die Widersetzlichkeit des Großinquisitors gedemüthigt, die Unterordnung aller die weltliche Sphäre irgend berührenden päpstlichen Erlasse unter die Ge¬ nehmigung der Krone verfügt, den Jesuiten bei verschiedenen Gelegenheiten Halt geboten. Daneben räumten die Minister des Königs so viel als möglich mit der alten Schmutz- und Bettelwirthschaft auf, in den höheren Behörden gelangten die Anhänger von Verbesserungen zu immer größerem Einfluß, in den gebildeten Kreisen wandte man sich immer zahlreicher und entschiedener von der herkömmlichen Bigotterie und Trägheit ab. Ein von den Jesuiten und Mönchen angezettelter Aufstand zur größeren Ehre Gottes konnte, obwohl sich die niedere Classe eifrig daran betheiligte, niedergeworfen werden und diente nur dazu, daß der König ernster und ausgedehnter reformirte als vorher. Die Jesuiten wurden ausgewiesen; die Erwerbungen der todten Hand, die Ein¬ mischung des Klerus in weltliche Geschäfte, seine Herrschaft über die Massen durch ein ausgedehntes Almosenwesen und den Unfug der nicht weniger weit- ausgedehnter Bruderschaften, sein Monopol im Unterrichtswesen, sein Recht, die Literatur durch Censoren zu regieren und zu hemmen, alles das wurde be¬ schränkt oder ganz zu beseitigen versucht — ein Reformwerk, bei dem die Mi¬ nister Aranda, Campomanes und Floridablanca tüchtige Rathgeber und energische Gehilfen waren. Indeß war unter diesen drei Staatsmännern nur Campo¬ manes durchaus auf dem rechten Wege, indem er begriff, daß jedes Volk sich nach seiner besondern Natur entwickeln muß. infolge dieser Erkenntniß an die gesunden Ueberlieferungen aus der Zeit vor den Habsburger» anknüpfte und den Grundsatz befolgte, daß für alle wichtigen Maßregeln vorher die öffentliche Meinung zu gewinnen ist. Aranda war ein reiner Voltairianer, bis zur Fri¬ volität von allen Vorurtheilen frei, dabei für Umgestaltung der Verhältnisse nach Schablonen, die aus der Fremde stammten, überdies intriguant und ein Freund großer Projecte, die bisweilen abenteuerlich waren. Floridablanca end¬ lich, der eigentliche Vertraute Karls, ist in allen Beziehungen der Staatsmann des achtzehnten Jahrhunderts, der den Fortschritt lediglich durch die Macht- sprüche eines aufgeklärten und wohlwollenden Absolutismus fördert, rastlos thätig für die Hebung des materiellen Wohlstandes, für Entwickelung der Hilfsquellen des Landes, für durchgreifende Ordnung, aber immer mit bureau¬ kratischen Mitteln. Unbeschränkte Macht ging ihm über alles, und an eine Erziehung des Volkes zur Mitwirkung dachte er nicht. Er bekämpfte die Kirche nur, so weit sie der Staatsgewalt gefährlich war, er beförderte die Bildung lediglich so lange, als sie nicht zu liberalen Ansprüchen auf Selbstthätigkeit überging. Und selbst mit dieser Halbheit stießen König und Minister bei der großen Masse des Volks noch auf Widerwillen und Widerstand. Die Verderbniß unter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/188>, abgerufen am 29.09.2024.