Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.ließen sich Essen und Trinken geben und plünderten nachher doch. An einem Mehr als einmal, wenn sie kamen und sahen, daß alles offen stand und Endlich den 27., als den Mittwoch, erschienen preußische Ulanen aus Grenzboten I. 1SS6. 19
ließen sich Essen und Trinken geben und plünderten nachher doch. An einem Mehr als einmal, wenn sie kamen und sahen, daß alles offen stand und Endlich den 27., als den Mittwoch, erschienen preußische Ulanen aus Grenzboten I. 1SS6. 19
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ließen sich Essen und Trinken geben und plünderten nachher doch. An einem
einzigen Tage hatte ich nach und nach 20 Kannen Schnaps bei dem Pachter
holen lassen. Immer war die Pfarrei das erste Haus, das in die Augen fiel,
wo sie forderten und nachher plünderten. Einer von diesen Trupps machte es
gar zu arg. Es mußten ihnen Schränke und Kommoden, wenn man sie nicht wollte
zerschlagen lassen, aufgemacht werden, und sie nahmen alles weg, was ihnen
anstand. Endlich kamen sie auch an den eisernen Kirchkasten, in welchem nebst
den Obligationen etwa 100 Thaler an Gelde und die Vasa Laors, sich befanden.
Einer von den Kosaken ergriff ein Beil und wollte ihn erst aufhauen, er be-
sann sich aber anders und forderte von mir und meinem Knecht die Schlüssel.
Auf mich hielt er die Pistole, besann sich aber auch da anders und nahm die
Knute. Ich gab also die Schlüssel her, weil ohne die anderen, die der Kirchen-
rechnungssührer hatte, der Kasten doch nicht aufgehen konnte. Er gab sie
meinem Knecht zum Aufschließen. Da aber dieser es nicht vermögend war, so schlug
er ihn mit dem umgekehrten Beil auf den Rücken, daß ich meinte das Rückgrat
wäre entzwei. Der warf ihm die Schlüssel vor die Füße, die er aufhob und
selbst aufschließen wollte. Er drehte aber, da er alle Stärke anwandte, den
Kamm ab; wie er das gewahr wurde, warf er die Schlüssel hin und ging fort.
Mehr als einmal, wenn sie kamen und sahen, daß alles offen stand und
nichts mehr zu nehmen war, haben sie mich durchfühlt und das Halstuch mir
abgethan, weil sie glaubten, ich hätte Geld darin versteckt. Meiner armen
kranken Frau ging es ebenso. Sie mußte oft aus dem Bette, die Betten
wurden herausgeworfen und durchsucht und ich mußte meine Frau indessen auf
den Schooß nehmen. Gern hätte sie einen neuen Oberrock von gutem Tuch
gerettet, sie hatte ihn darum zu sich ins Bette genommen, man fand ihn aber
und ging damit auf und davon. Alle Hühner und Gänse waren fort.'alles
war leer. Ein Trupp Baschkiren fand noch in einem Schranke Butter, davon
nahm jeder einen Weck und aß ihn zum Brode, indem er wechselsweise bald
in die Butter, bald ins Brod biß. Sie trugen hohe spitzige Mühen von
Schaffellen und hatten Pfeile und Bogen.
Endlich den 27., als den Mittwoch, erschienen preußische Ulanen aus
Schlesien, zwei Escadrons unter dem Commando eines Herrn Major von Blacha.
Wir hatten eine große Freude, weil wir nun von eigentlichen Deutschen mehr
geschützt zu sein glaubten. Leider gingen sie schon den 28. wieder fort, weil
sie zum Belagerungscorps von Erfurt bestimmt waren. Da noch immer viele
Kosaken vorbeizogen, so erbat ich eine Sauvegarde vom Herrn Major und
sehr gefällig gab er mir zwei Ulanen; und da sie niemand ins Quartier nehmen
wollte, so nahm ich sie in die Pfarrwohnung. Doch blieb nur einer, und dieser
forderte, daß ich die Einwohner bewegen möchte, bei der Hand zu sein, wenn
irreguläre Einfälle von den Russen geschehen möchten, denn man müsse sich im
Grenzboten I. 1SS6. 19
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