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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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der feine Adel der Linienführung, vor allem die ganze Kunst der Drapirung
weist auf die Inspiration des Meisters aus den idealen Mustern antiker Plastik
hin. Wenige Werke der Skulptur haben mit so zwingend holder Gewalt die
Menschenseelen sich zu unterwerfen vermocht, wie dieses. Seine ungeheure Po-
pularitcit überhebt uns jeder Schilderung. Dieses verklärte und doch so blühend
schönheitvolle Bild seligen Friedens, mild lächelnden Bersinkens in die Ruhe
des ewigen Schlummers, diese selbstvergessen mit aller Hoheit und lautern Lieb-
lichkeit unverlierbar geschmückte rührende und zugleich zarte Ehrfurcht weckende
Frauengestalt, deren edle Glieder das zierliche dichte Faltenwerk in so weise geord¬
netem harmonischem Spiel umfließt, ist wohl jeder Anschauung fest und klar ein¬
geprägt. Uebrigens ist anzuführen, daß der Abguß im Nauchmuseum nicht über das
charlottenburger Original selbst, sondern über eine wenig veränderte Wiederholung
desselben in einem Pavillon des Gartens von Sanssouci genommen ist. Weit
weniger bekannt ist eine andere ebenfalls als liegend und schlummernd dargestellte
Grabmonumcntstatue, die der jungen Prinzessin Von Hessen-Darmstadt, 1828,
von Rauch in Marmor ausgeführt. Es ist die Gestalt eines Kindes von etwa
6--6 Jahren, das aus seinem kleinen Lager daliegt wie aufgelöst von süßem
Schlaf. Dem rechten Händchen entsinkt der Blumenkranz, den das Kind sich
eben gewunden, der reizende lockige Kopf neigt sich gegen die Schulter auf das
Kissen zurück, "es lösen sich alle Gelenke". Ein fein stilisirtes, in der etwas
dünnen und scharfen Behandlung der Falten dem der Luisenstatue ähnliches
Kindergewand umgiebt den lieblich prangenden kleinen Leib, Aermchen und
Beine in ihrer noch frischen Lebensfülle freilassend. Etwas so Naives im schönsten
Sinne, wie diese Gestalt hat Rauch später meines Wissens nicht wieder ge¬
schaffen, zu wie viel imposanteren, strengeren, mächtigeren Gebilden er sich
auch immer erhoben habe. Wenn man von der so ganz abweichenden Trac-
tirung der Gewandung absähe, könnte man weit eher Fr. Drake als seinen
großen Lehrer für den Autor dieses Werkes halten.

Denkmäler, Jvcalgestalten respective Gruppen und Compositionen um ihrer
selbst willen oder zu decorativer Zwecken gebildet; einfache Porträtgestalten
respective Büsten -- das sind die drei Gattungen von Arbeiten, in welche sich,
als in ebenso viel natürliche Abtheilungen, die Werke Rauchs gliedern lassen.
Die genannten beiden stehen auf den Grenzen zwischen allen dreien, und wir
werden derartigen noch mehrfach begegnen. Weitaus überwiegend ist die Zahl
der reinen Monumente, die hier theils al^ Skizzen des Ganzen, theils als
Abgüsse der Kolossalstatuen und der einzelnen Piedestalreliefö vorhanden sind.
Als eine der frühesten ist die für den General Ostermann im Jahre 1816 aus¬
geführte Monumentalsigur des Kaisers Alexander des Ersten von Rußland an-
zusehen Sie unter allen rauchschen Werken der gleichen Gattung zeigt den Meister
am stärksten unter dem Einfluß des aiititisirenden Princips. Um die dem Wesen


der feine Adel der Linienführung, vor allem die ganze Kunst der Drapirung
weist auf die Inspiration des Meisters aus den idealen Mustern antiker Plastik
hin. Wenige Werke der Skulptur haben mit so zwingend holder Gewalt die
Menschenseelen sich zu unterwerfen vermocht, wie dieses. Seine ungeheure Po-
pularitcit überhebt uns jeder Schilderung. Dieses verklärte und doch so blühend
schönheitvolle Bild seligen Friedens, mild lächelnden Bersinkens in die Ruhe
des ewigen Schlummers, diese selbstvergessen mit aller Hoheit und lautern Lieb-
lichkeit unverlierbar geschmückte rührende und zugleich zarte Ehrfurcht weckende
Frauengestalt, deren edle Glieder das zierliche dichte Faltenwerk in so weise geord¬
netem harmonischem Spiel umfließt, ist wohl jeder Anschauung fest und klar ein¬
geprägt. Uebrigens ist anzuführen, daß der Abguß im Nauchmuseum nicht über das
charlottenburger Original selbst, sondern über eine wenig veränderte Wiederholung
desselben in einem Pavillon des Gartens von Sanssouci genommen ist. Weit
weniger bekannt ist eine andere ebenfalls als liegend und schlummernd dargestellte
Grabmonumcntstatue, die der jungen Prinzessin Von Hessen-Darmstadt, 1828,
von Rauch in Marmor ausgeführt. Es ist die Gestalt eines Kindes von etwa
6—6 Jahren, das aus seinem kleinen Lager daliegt wie aufgelöst von süßem
Schlaf. Dem rechten Händchen entsinkt der Blumenkranz, den das Kind sich
eben gewunden, der reizende lockige Kopf neigt sich gegen die Schulter auf das
Kissen zurück, „es lösen sich alle Gelenke". Ein fein stilisirtes, in der etwas
dünnen und scharfen Behandlung der Falten dem der Luisenstatue ähnliches
Kindergewand umgiebt den lieblich prangenden kleinen Leib, Aermchen und
Beine in ihrer noch frischen Lebensfülle freilassend. Etwas so Naives im schönsten
Sinne, wie diese Gestalt hat Rauch später meines Wissens nicht wieder ge¬
schaffen, zu wie viel imposanteren, strengeren, mächtigeren Gebilden er sich
auch immer erhoben habe. Wenn man von der so ganz abweichenden Trac-
tirung der Gewandung absähe, könnte man weit eher Fr. Drake als seinen
großen Lehrer für den Autor dieses Werkes halten.

Denkmäler, Jvcalgestalten respective Gruppen und Compositionen um ihrer
selbst willen oder zu decorativer Zwecken gebildet; einfache Porträtgestalten
respective Büsten — das sind die drei Gattungen von Arbeiten, in welche sich,
als in ebenso viel natürliche Abtheilungen, die Werke Rauchs gliedern lassen.
Die genannten beiden stehen auf den Grenzen zwischen allen dreien, und wir
werden derartigen noch mehrfach begegnen. Weitaus überwiegend ist die Zahl
der reinen Monumente, die hier theils al^ Skizzen des Ganzen, theils als
Abgüsse der Kolossalstatuen und der einzelnen Piedestalreliefö vorhanden sind.
Als eine der frühesten ist die für den General Ostermann im Jahre 1816 aus¬
geführte Monumentalsigur des Kaisers Alexander des Ersten von Rußland an-
zusehen Sie unter allen rauchschen Werken der gleichen Gattung zeigt den Meister
am stärksten unter dem Einfluß des aiititisirenden Princips. Um die dem Wesen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/14>, abgerufen am 22.12.2024.