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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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digung erzielt, so war die Brücke gefunden für fernere Verhandlungen, welche
eine weitere Annäherung der beiden Höfe bringen mußten. Und dies scheint
uns der Hauptgesichtspunkt zu sein, aus welchem die Mission Vegezzis zu be¬
trachten war. Es war die erste Verhandlung, welche über die römische Frage
von den Nächstbetheiligten ohne die Vermittlung Frankreichs geführt
wurde. In Paris begriff man diese Seite der Frage sehr wohl, wenn man
sich auch den Anschein gab, als begünstige man eine Unterhandlung, zu welcher
allerdings der Septembervertrag erst die Möglichkeit eröffnet hatte. Es war
von Seite des Papstes wie von Seite Italiens der erste Versuch, sich des lä¬
stigen Schutzes Frankreichs zu erwehren und für das große Problem eine rein-
italienische Lösung zu finden, eine Lösung, welche zwar selbst nur ein Ueber¬
gangszustand sein konnte, deren Bedeutung aber eben darin bestand, daß sie
die Intervention Frankreichs jetzt und für die Zukunft ausschloß. Denn dies
ist kein Zweifel: das Gelingen einer Verständigung zwischen Florenz und Rom
ist das einzige Mittel, um Frankreich jeden Vorwand abzuschneiden,
die Occupation der ewigen Stadt zu verlängern. Und dies ist zu¬
nächst die Hauptsache. Frankreich hat sich zu einem Termin für die Räumung
Roms verpflichtet. Aber so lange die Aussöhnung zwischen Italien und dem
Papstthum fehlt, wird es immer Mittel finden können, seinem Versprechen sich
zu entziehen. Die Räumung Roms ist aber das nächste und dringendste In¬
teresse Italiens. Alle andern Fragen sind dagegen von untergeordneter Bedeu¬
tung. Die Opfer, welche von Italien verlangt wurden, brachte es nicht dem
Interesse des heiligen Stuhls, sondern der Sicherheit, daß Rom geräumt und
Italien gegenüber, auf seine eignen Füße gestellt wurde. Für den Augenblick,
kommt wenig darauf an, ob die Zahl der Bisthümer nach Nicasolis Vorschlag
um ein Fünftel vermindert wird, auch der Eid der Bischöfe, die Form ihrer
Einsetzung sind keine Lebensfragen für Italien, aber eine Lebensfrage ist, daß
die fremde Besatzung aus dem Mittelpunkt der Halbinsel verschwinde und die
römische Frage eine italienische werde.

Von diesem Gesichtspunkt betrachtet, scheint es uns ein preccirer Gewinn
für Italien, daß die Verhandlungen vorläufig sich zerschlagen haben. Indessen,
das Interesse einer Verständigung ist angesichts des Septembervertrags auf
beiden Seiten vorhanden, dieselben Gründe, welche den Papst zu einem ent¬
gegenkommenden Schritt vermochten, werden sich auch künftig geltend machen,
voraussichtlich in immer zwingenderer Weise. Je drückender der zweideutige
Schutz Frankreichs empfunden wird, je sichtbarer zugleich die Unmöglichkeit für
den heiligen Stuhl ist, sich der Assimilirung Roms an Italien zu erwehren,
um so eher wird der Widerspruch gegen eine Transaction nachlassen, welche
wenigstens seine geistliche Stellung unangetastet läßt. Das Königreich andrer¬
seits wird um so größere Zugeständnisse an die Freiheit der Kirche machen


digung erzielt, so war die Brücke gefunden für fernere Verhandlungen, welche
eine weitere Annäherung der beiden Höfe bringen mußten. Und dies scheint
uns der Hauptgesichtspunkt zu sein, aus welchem die Mission Vegezzis zu be¬
trachten war. Es war die erste Verhandlung, welche über die römische Frage
von den Nächstbetheiligten ohne die Vermittlung Frankreichs geführt
wurde. In Paris begriff man diese Seite der Frage sehr wohl, wenn man
sich auch den Anschein gab, als begünstige man eine Unterhandlung, zu welcher
allerdings der Septembervertrag erst die Möglichkeit eröffnet hatte. Es war
von Seite des Papstes wie von Seite Italiens der erste Versuch, sich des lä¬
stigen Schutzes Frankreichs zu erwehren und für das große Problem eine rein-
italienische Lösung zu finden, eine Lösung, welche zwar selbst nur ein Ueber¬
gangszustand sein konnte, deren Bedeutung aber eben darin bestand, daß sie
die Intervention Frankreichs jetzt und für die Zukunft ausschloß. Denn dies
ist kein Zweifel: das Gelingen einer Verständigung zwischen Florenz und Rom
ist das einzige Mittel, um Frankreich jeden Vorwand abzuschneiden,
die Occupation der ewigen Stadt zu verlängern. Und dies ist zu¬
nächst die Hauptsache. Frankreich hat sich zu einem Termin für die Räumung
Roms verpflichtet. Aber so lange die Aussöhnung zwischen Italien und dem
Papstthum fehlt, wird es immer Mittel finden können, seinem Versprechen sich
zu entziehen. Die Räumung Roms ist aber das nächste und dringendste In¬
teresse Italiens. Alle andern Fragen sind dagegen von untergeordneter Bedeu¬
tung. Die Opfer, welche von Italien verlangt wurden, brachte es nicht dem
Interesse des heiligen Stuhls, sondern der Sicherheit, daß Rom geräumt und
Italien gegenüber, auf seine eignen Füße gestellt wurde. Für den Augenblick,
kommt wenig darauf an, ob die Zahl der Bisthümer nach Nicasolis Vorschlag
um ein Fünftel vermindert wird, auch der Eid der Bischöfe, die Form ihrer
Einsetzung sind keine Lebensfragen für Italien, aber eine Lebensfrage ist, daß
die fremde Besatzung aus dem Mittelpunkt der Halbinsel verschwinde und die
römische Frage eine italienische werde.

Von diesem Gesichtspunkt betrachtet, scheint es uns ein preccirer Gewinn
für Italien, daß die Verhandlungen vorläufig sich zerschlagen haben. Indessen,
das Interesse einer Verständigung ist angesichts des Septembervertrags auf
beiden Seiten vorhanden, dieselben Gründe, welche den Papst zu einem ent¬
gegenkommenden Schritt vermochten, werden sich auch künftig geltend machen,
voraussichtlich in immer zwingenderer Weise. Je drückender der zweideutige
Schutz Frankreichs empfunden wird, je sichtbarer zugleich die Unmöglichkeit für
den heiligen Stuhl ist, sich der Assimilirung Roms an Italien zu erwehren,
um so eher wird der Widerspruch gegen eine Transaction nachlassen, welche
wenigstens seine geistliche Stellung unangetastet läßt. Das Königreich andrer¬
seits wird um so größere Zugeständnisse an die Freiheit der Kirche machen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/96>, abgerufen am 15.01.2025.