Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.cussion dargethan, wie wenig vorbereitet die Sache war, es hatten sich Schwie¬ Auch die Art und Weise, wie die Verhandlungen geführt wurden, konnte Gleichwohl konnte die Regierung überzeugt sein in gutem Glauben zu cussion dargethan, wie wenig vorbereitet die Sache war, es hatten sich Schwie¬ Auch die Art und Weise, wie die Verhandlungen geführt wurden, konnte Gleichwohl konnte die Regierung überzeugt sein in gutem Glauben zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0095" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283448"/> <p xml:id="ID_260" prev="#ID_259"> cussion dargethan, wie wenig vorbereitet die Sache war, es hatten sich Schwie¬<lb/> rigkeiten erhoben über die Verwendung des Ertrags der Güter, über die<lb/> besonderen Ansprüche Siciliens, über die Behandlung der Bettelorden; die<lb/> finanziellen Motive, auf welchen der Gesetzesentwurf vornehmlich basirte. durch¬<lb/> kreuzten sich mit den politischen, welche die Kammer voranstellte. Allein daß<lb/> die Regierung ohne einen Versuch zur Ausgleichung in der von ihr bisher als<lb/> dringlich bezeichneten Angelegenheit zu machen, vielmehr das Gesetz zurückzog,<lb/> war ein zu auffallendes Zusammentreffen mit der neuen dem heiligen Stuhl<lb/> gegenüber angenommenen Haltung, als daß die Versicherung des Ministeriums,<lb/> eine solche Beziehung finde nicht statt, Glauben finden konnte. Die Neuguel-<lb/> fen, sagten die Gemäßigteren, triumphiren über die reinen Politiker; wir trei¬<lb/> ben in die volle Reaction hinein, riefen die Radicalen.</p><lb/> <p xml:id="ID_261"> Auch die Art und Weise, wie die Verhandlungen geführt wurden, konnte<lb/> nicht dazu dienen diese Besorgnisse zu zerstreuen. Sie trugen einen wesentlich<lb/> persönlichen Charakter, und man traute dem König die weitgehendsten Zugeständ¬<lb/> nisse an den heiligen Vater zu. Das Geheimniß, mit welchem sie umgeben<lb/> wurden, begünstigte übertriebene Gerüchte, selbst die auswärtigen Legationen<lb/> des Königreichs ließ man bis auf diesen Tag ohne nähere Kenntniß der De¬<lb/> tails. Alles dies nährte die Unzufriedenheit, welche auf zahlreichen Meetings<lb/> einen ebenso antiroyalistischen als antipapistischen Ausdruck fand, und die Re¬<lb/> gierung, wenn sie auch durch Rundschreiben und officiöse Erklärungen zu be¬<lb/> schwichtigen suchte, mußte doch mit diesem Factor rechnen. Auch sie scheint in<lb/> der letzten Stunde scrupulöser geworden zu sein und ihre Behutsamkeit verdop¬<lb/> pelt zu haben. Das Uebrige that die Kongregation der Cardinäle, welcher<lb/> der Papst, sich selbst mißtrauend, die Entscheidung überließ, und so mag wohl<lb/> die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen auf beide Parteien zu ver¬<lb/> theilen sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_262" next="#ID_263"> Gleichwohl konnte die Regierung überzeugt sein in gutem Glauben zu<lb/> handeln, wenn sie die Hand zu einer Verständigung bot, welche der Papst an¬<lb/> geregt hatte. Die bloße Thatsache einer Verständigung — abgesehen von ihrem<lb/> Inhalt — war ein Gewinn für das Königreich; denn der gegenwärtige Kriegs¬<lb/> zustand zwischen Staat und Kirche erschwert unlciugbar dessen Consolidirung.<lb/> Gleich für die nächste Zeit war es erwünscht, wenn der Wahlkampf, auf den<lb/> sich die Klerikalen mit allen Kräften rüsten, von seiner Heftigkeit verlor. Und<lb/> wenn es zunächst der Staat war, von welchem ohne positive Gegenleistungen<lb/> Zugeständnisse an die Kirche verlangt wurden, so war dies doch zugleich ein<lb/> bedeutender Schritt gegen das Programm: die freie Kirche im freien Staat,<lb/> auch mußte es immerhin als eine factische Anerkennung des Königreichs Ita¬<lb/> lien betrachtet werden, wenn die Curie mit einem Abgesandten des Königs von<lb/> Italien erfolgreich verhandelte. War nur erst über die eine Frage eine Verstau-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0095]
cussion dargethan, wie wenig vorbereitet die Sache war, es hatten sich Schwie¬
rigkeiten erhoben über die Verwendung des Ertrags der Güter, über die
besonderen Ansprüche Siciliens, über die Behandlung der Bettelorden; die
finanziellen Motive, auf welchen der Gesetzesentwurf vornehmlich basirte. durch¬
kreuzten sich mit den politischen, welche die Kammer voranstellte. Allein daß
die Regierung ohne einen Versuch zur Ausgleichung in der von ihr bisher als
dringlich bezeichneten Angelegenheit zu machen, vielmehr das Gesetz zurückzog,
war ein zu auffallendes Zusammentreffen mit der neuen dem heiligen Stuhl
gegenüber angenommenen Haltung, als daß die Versicherung des Ministeriums,
eine solche Beziehung finde nicht statt, Glauben finden konnte. Die Neuguel-
fen, sagten die Gemäßigteren, triumphiren über die reinen Politiker; wir trei¬
ben in die volle Reaction hinein, riefen die Radicalen.
Auch die Art und Weise, wie die Verhandlungen geführt wurden, konnte
nicht dazu dienen diese Besorgnisse zu zerstreuen. Sie trugen einen wesentlich
persönlichen Charakter, und man traute dem König die weitgehendsten Zugeständ¬
nisse an den heiligen Vater zu. Das Geheimniß, mit welchem sie umgeben
wurden, begünstigte übertriebene Gerüchte, selbst die auswärtigen Legationen
des Königreichs ließ man bis auf diesen Tag ohne nähere Kenntniß der De¬
tails. Alles dies nährte die Unzufriedenheit, welche auf zahlreichen Meetings
einen ebenso antiroyalistischen als antipapistischen Ausdruck fand, und die Re¬
gierung, wenn sie auch durch Rundschreiben und officiöse Erklärungen zu be¬
schwichtigen suchte, mußte doch mit diesem Factor rechnen. Auch sie scheint in
der letzten Stunde scrupulöser geworden zu sein und ihre Behutsamkeit verdop¬
pelt zu haben. Das Uebrige that die Kongregation der Cardinäle, welcher
der Papst, sich selbst mißtrauend, die Entscheidung überließ, und so mag wohl
die Schuld für das Scheitern der Verhandlungen auf beide Parteien zu ver¬
theilen sein.
Gleichwohl konnte die Regierung überzeugt sein in gutem Glauben zu
handeln, wenn sie die Hand zu einer Verständigung bot, welche der Papst an¬
geregt hatte. Die bloße Thatsache einer Verständigung — abgesehen von ihrem
Inhalt — war ein Gewinn für das Königreich; denn der gegenwärtige Kriegs¬
zustand zwischen Staat und Kirche erschwert unlciugbar dessen Consolidirung.
Gleich für die nächste Zeit war es erwünscht, wenn der Wahlkampf, auf den
sich die Klerikalen mit allen Kräften rüsten, von seiner Heftigkeit verlor. Und
wenn es zunächst der Staat war, von welchem ohne positive Gegenleistungen
Zugeständnisse an die Kirche verlangt wurden, so war dies doch zugleich ein
bedeutender Schritt gegen das Programm: die freie Kirche im freien Staat,
auch mußte es immerhin als eine factische Anerkennung des Königreichs Ita¬
lien betrachtet werden, wenn die Curie mit einem Abgesandten des Königs von
Italien erfolgreich verhandelte. War nur erst über die eine Frage eine Verstau-
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