Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Wir haben auf diese Bedeutung des Septembervertrags, welche namentlich Eben diese weitere Perspektive, welche hinter der Mission Vegczzis stand, ") Grcnzb, 1864, IV. S. 140 ff. 11*
Wir haben auf diese Bedeutung des Septembervertrags, welche namentlich Eben diese weitere Perspektive, welche hinter der Mission Vegczzis stand, ") Grcnzb, 1864, IV. S. 140 ff. 11*
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Wir haben auf diese Bedeutung des Septembervertrags, welche namentlich
in den Verhandlungen des italienischen Senats über denselben hervorgehoben
wurde, in einem früheren Artikel d. Bl. hingewiesen.*) Der Vertrag verlangt
eine Aussöhnung des Papstthums mit Italien, indem er in einer gegebenen
Frist jenes auf sich selber stellt, aber er ermöglichte auch diese Versöhnung, in¬
dem er an die Stelle von Rom Florenz als Hauptstadt setzte. Der Papst und
der König können nicht in derselben Stadt wohnen, dies würde nur ewige
Feindschaft bedeuten; mit Turin waren keine Verhandlungen möglich, weil
hinter diesem stets das Programm: Rom die Hauptstadt stand; erst mit Florenz,
welches den Gedanken an einen abermaligen Auszug verbietet, konnte die Curie
unterhandeln. Aus diesem Gesichtspunkt betrachtete die Partei, deren Organ
insbesondere Massimo d'Azeglio war, den Vertrag. Im Sinne eben dieser
Partei, welche in dem Moment wieder hervortreten mußte, in welchem die Aera
der Revolution sich schloß, wurden die Verhandlungen geführt. Die Bisthümer-
frage war die willkommene Einleitung, der Anknüpfungspunkt für weitere
Verhandlungen. War man erst über jene Frage glücklich im Reinen, so kam
die Reihe von selbst an jene Entwürfe, welche darauf abzielten, ebenso das
Papstthum als geistliche Macht in Rom zu belassen und zu befestigen, als in
bürgerlicher Beziehung das päpstliche Gebiet mit dem Königreich allmälig zu
assimiliren. Ob der Papst sich dieser Consequenz bewußt war oder nicht, sie
lag in der Natur der Sache. Je näher der unerbittliche Termin der Räumung
Roms rückte, um so eher durfte man hoffen, die Curie auf den Weg einer
Transaction gedrängt zu sehen, welche ihre geistliche Stellung befestigte, indem
sie ihre weltliche untergrub. Italien war bereit, auf päpstlichen Gebiet die
umfassendsten Zugeständnisse zu machen, aber das Ziel war jenes Programm,
welches schon der Kern des Septembervertrags war: Rom nicht Hauptstadt
Italiens, aber italienische Stadt.
Eben diese weitere Perspektive, welche hinter der Mission Vegczzis stand,
war es, welche sie scheitern machte. Bei dem guten Willen auf beiden Seiten
waren offenbar alle Elemente gegeben, sich über die Bischofsfrage zu vereinigen.
Aber jeder Theil scheute sich vor dem Abschluß eines Compromisses, welcher
die Zukunft präjudicirte und möglicherweise beide Theile weiter trieb, als sie
gewollt hatten. Nicht der Eid und das Exequatur, sondern die Furcht vor
einem Etwas, das in noch nicht greifbarer Gestalt hinter den abzufassenden
Paragraphen stand, verhinderte den Abschluß, zu welchem schon die Feder an¬
gesetzt war. Eben mit dieser dunklen Besorgniß hing auch der Widerstand zu¬
sammen, welchen außerhalb der zunächst Paciscirenden die ganze Unterhandlung
gefunden hatte.
") Grcnzb, 1864, IV. S. 140 ff.
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