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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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weit ablag, und welches ihn dieser nicht ohne Mißtrauen betreten sah. Der
Brief vom 12. Mai 1759, in welchem der König seine Zweifel in dieser Hin¬
sicht äußert, beweist vollständig, daß derselbe, wie sehr er auch von der reli¬
giösen Bedeutung des Kampfes überzeugt war, doch dem Gedanken, ihn zum
Religionskriege stempeln zu wollen, fern stand. Er schreibt:

"Sie wollen sich der alten Maschine der Religion bedienen? (Folgen dann
Verse, in denen die Religion als verbrauchte Waffe, der Fanatismus des Glau¬
bens als Gegenstand des Gelächters bezeichnet wird, worauf es weiter heißt:)
Nicht, daß ich Ihr Vorhaben verwerfe. Schreiben Sie nur immer zu und machen
Sie, was sich machen läßt. Aber, mein Lieber, das persönliche Interesse bei unsern
guten Protestanten überwiegt die Anhänglichkeit, die sie an die Communion sud
utrgHue hegen , und ich sehe voraus, binnen Kurzem wird es mit dieser Reli¬
gion zu Ende sein, sei es, daß man sie zu Grunde richtet, indem man mich
stürzt, sei es, daß man sie den sanften Tod durch Erlöschen des Eifers sterben
läßt."

Friedrich hat hier die Lebenskraft des Protestantismus sehr unterschätzt,
seine Zukunft durchaus unrichtig beurtheilt. Sein Bild bleibt aber auch hin¬
ter den Zuständen und Stimmungen, in deren Mitte er selbst lebte, und die
in den vorhergehenden Auszügen aus Cauers Schrift angedeutet sind, ausfal¬
lend zurück, und so könnte man ihm hiernach eher den Vorwurf, er habe die
damals vielfach sich kundgebenden Symptome kirchlichen Lebens zu wenig be¬
achtet, als den machen, er habe dieselben für seine Zwecke benutzt.

Sei dem aber, >vie ihm wolle, jedenfalls hat der Verfasser unsrer Bro¬
schüre dargethan, daß die religiöse Erregung, welche in den ersten Jahren des
siebenjährigen Krieges in der protestantischen Welt zu Tage trat, eine spontane
war und nicht eine vom König Friedrich auf künstlichem Wege erzeugte, und
daß ferner, wenn er selbst in mehren seiner Flugschriften zu dem Mittel einer
auf dem kirchlichen Gebiet sich bewegenden Polemik gegriffen hat. er damit
nicht einer kühlen und heuchlerischen Berechnung, sondern dem allgemeinen Zuge
der Zeit und dem eigensten Bedürfnisse seiner Natur gefolgt ist.




weit ablag, und welches ihn dieser nicht ohne Mißtrauen betreten sah. Der
Brief vom 12. Mai 1759, in welchem der König seine Zweifel in dieser Hin¬
sicht äußert, beweist vollständig, daß derselbe, wie sehr er auch von der reli¬
giösen Bedeutung des Kampfes überzeugt war, doch dem Gedanken, ihn zum
Religionskriege stempeln zu wollen, fern stand. Er schreibt:

„Sie wollen sich der alten Maschine der Religion bedienen? (Folgen dann
Verse, in denen die Religion als verbrauchte Waffe, der Fanatismus des Glau¬
bens als Gegenstand des Gelächters bezeichnet wird, worauf es weiter heißt:)
Nicht, daß ich Ihr Vorhaben verwerfe. Schreiben Sie nur immer zu und machen
Sie, was sich machen läßt. Aber, mein Lieber, das persönliche Interesse bei unsern
guten Protestanten überwiegt die Anhänglichkeit, die sie an die Communion sud
utrgHue hegen , und ich sehe voraus, binnen Kurzem wird es mit dieser Reli¬
gion zu Ende sein, sei es, daß man sie zu Grunde richtet, indem man mich
stürzt, sei es, daß man sie den sanften Tod durch Erlöschen des Eifers sterben
läßt."

Friedrich hat hier die Lebenskraft des Protestantismus sehr unterschätzt,
seine Zukunft durchaus unrichtig beurtheilt. Sein Bild bleibt aber auch hin¬
ter den Zuständen und Stimmungen, in deren Mitte er selbst lebte, und die
in den vorhergehenden Auszügen aus Cauers Schrift angedeutet sind, ausfal¬
lend zurück, und so könnte man ihm hiernach eher den Vorwurf, er habe die
damals vielfach sich kundgebenden Symptome kirchlichen Lebens zu wenig be¬
achtet, als den machen, er habe dieselben für seine Zwecke benutzt.

Sei dem aber, >vie ihm wolle, jedenfalls hat der Verfasser unsrer Bro¬
schüre dargethan, daß die religiöse Erregung, welche in den ersten Jahren des
siebenjährigen Krieges in der protestantischen Welt zu Tage trat, eine spontane
war und nicht eine vom König Friedrich auf künstlichem Wege erzeugte, und
daß ferner, wenn er selbst in mehren seiner Flugschriften zu dem Mittel einer
auf dem kirchlichen Gebiet sich bewegenden Polemik gegriffen hat. er damit
nicht einer kühlen und heuchlerischen Berechnung, sondern dem allgemeinen Zuge
der Zeit und dem eigensten Bedürfnisse seiner Natur gefolgt ist.




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[0084] weit ablag, und welches ihn dieser nicht ohne Mißtrauen betreten sah. Der Brief vom 12. Mai 1759, in welchem der König seine Zweifel in dieser Hin¬ sicht äußert, beweist vollständig, daß derselbe, wie sehr er auch von der reli¬ giösen Bedeutung des Kampfes überzeugt war, doch dem Gedanken, ihn zum Religionskriege stempeln zu wollen, fern stand. Er schreibt: „Sie wollen sich der alten Maschine der Religion bedienen? (Folgen dann Verse, in denen die Religion als verbrauchte Waffe, der Fanatismus des Glau¬ bens als Gegenstand des Gelächters bezeichnet wird, worauf es weiter heißt:) Nicht, daß ich Ihr Vorhaben verwerfe. Schreiben Sie nur immer zu und machen Sie, was sich machen läßt. Aber, mein Lieber, das persönliche Interesse bei unsern guten Protestanten überwiegt die Anhänglichkeit, die sie an die Communion sud utrgHue hegen , und ich sehe voraus, binnen Kurzem wird es mit dieser Reli¬ gion zu Ende sein, sei es, daß man sie zu Grunde richtet, indem man mich stürzt, sei es, daß man sie den sanften Tod durch Erlöschen des Eifers sterben läßt." Friedrich hat hier die Lebenskraft des Protestantismus sehr unterschätzt, seine Zukunft durchaus unrichtig beurtheilt. Sein Bild bleibt aber auch hin¬ ter den Zuständen und Stimmungen, in deren Mitte er selbst lebte, und die in den vorhergehenden Auszügen aus Cauers Schrift angedeutet sind, ausfal¬ lend zurück, und so könnte man ihm hiernach eher den Vorwurf, er habe die damals vielfach sich kundgebenden Symptome kirchlichen Lebens zu wenig be¬ achtet, als den machen, er habe dieselben für seine Zwecke benutzt. Sei dem aber, >vie ihm wolle, jedenfalls hat der Verfasser unsrer Bro¬ schüre dargethan, daß die religiöse Erregung, welche in den ersten Jahren des siebenjährigen Krieges in der protestantischen Welt zu Tage trat, eine spontane war und nicht eine vom König Friedrich auf künstlichem Wege erzeugte, und daß ferner, wenn er selbst in mehren seiner Flugschriften zu dem Mittel einer auf dem kirchlichen Gebiet sich bewegenden Polemik gegriffen hat. er damit nicht einer kühlen und heuchlerischen Berechnung, sondern dem allgemeinen Zuge der Zeit und dem eigensten Bedürfnisse seiner Natur gefolgt ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/84>, abgerufen am 15.01.2025.