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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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jener Zeiten, und namentlich für die Erkenntniß des Antheils, welchen die tiefe
Erregtheit des Volkes an dem Verlauf der Dinge hatte. Was von solchen
Schriften während der zuerst genannten drei Epochen erschien, ist. wenn auch
gewiß noch nicht hinreichend, gesammelt und berücksichtigt worden. Für den
siebenjährigen Krieg dagegen ist noch ungemein viel werthvolles Material un¬
benutzt geblieben, und so ist die Ergänzung dieser Lücke, die der Verfasser der
vorliegenden Broschüre sich zur Aufgabe gemacht hat, und von der er hier eine
Probe giebt, ein sehr dankenswerthes Unternehmen, dem wir um so mehr die
erbetene Förderung wünschen, als Herr Cauer sich in seiner Kritik und Cha¬
rakteristik der hier ins Auge gefaßten Beiträge Friedrichs zu der betreffenden
Literatur als vorzüglich für diese Arbeit befähigt zeigt.

Ueberblicken wir die vierzehn Flugblätter und Broschüre", welche der Ver¬
sasser bespricht, und von denen <r die drei ersten -- wie uns scheint mit Recht
-- als gewiß, wenigstens sehr wahrscheinlich nicht aus der Feder des Königs
hervorgegangen ansieht (es sind "I^etre <M I'iriecmllu) ü, U. Jo maröeniü (tue
as Lellv-Isle", "I^clere ä'no aumomer as I'armöö autriekionnö an r6v6r<znä
por" hup<zri6uräöseoräeIiers6ueouve"t(es?i'auel'ort-8ur-Is-Mg.in" und"I^t,dro
ein mar6ma1 I^vpolä comte as vaun an xaxe"), so sehen wir. daß in ihnen häusiger
als irgendein anderer Gedanke der des religiösen Gegensatzes wiederkehrt, welcher
zwischen Preußen und seine" Gegnern besteht. Daß Friedrich die Sache des Protestan¬
tismus und der Religionsfreiheit zu vertreten habe gegenüber der katholischen Be¬
schränktheit und Intoleranz, ist eine Anschauung, die in dreien von den Flugschriften
desselben, in dem bekannten Breve an Daun, in dem Glückwunschschreiben
Soubises an denselben und in den "I^cleres 6v ?ni!Mu"*) geradezu den
Mittelpunkt der Darstellung bildet, und ebenso richten die beiden letzten der
oben als unecht bezeichneten Schriften, die beiläufig sehr wahrscheinlich von
d'Argens herrühren, und die Briefe, welche derselbe Vertraute Friedrichs unter
der Maske eines evangelischen Geistlichen veröffentlichte, ihre Spitze gegen den
Katholicismus der Gegner des Königs.

Die Weisheit des Herrn Ouro Klopp ist mit diesen Schriften rasch fertig
geworden. Was konnte einen Religionsverächter wie Friedrich der Gegensatz



') Dieses Werk, die umfassendste Satire, die Friedrich während des Krieges geschrieben
hat, erschien 17V0 und schließt sich in der Form an Montesquieus "Persische Briefe" an.
Es sind sechs Briefe eines Chinesen über die Eindrücke, die er in Rom empfängt, und es ist
darin alles zusammengetragen, was der König gegen den Papst auf dem Herzen hatte, dem
er damit nach einem Briefe an d'Argens dafür, "daß er die Degen seiner Feinde geweiht
und vatermörderischen Mönchen Zufluchtsstätten geschaffen, einen Krallenhieb (coup as Mte)
versehen wollte". Die Papstwahl, die Messe, die Ercommunication, die Sündenvergebung,
die Lehre von der Zulässigkeit des Widerstandes gegen die weltlichen Obrigkeiten, das ganze
römische Kirchenthum werden auf das Grausamste verspottet.

jener Zeiten, und namentlich für die Erkenntniß des Antheils, welchen die tiefe
Erregtheit des Volkes an dem Verlauf der Dinge hatte. Was von solchen
Schriften während der zuerst genannten drei Epochen erschien, ist. wenn auch
gewiß noch nicht hinreichend, gesammelt und berücksichtigt worden. Für den
siebenjährigen Krieg dagegen ist noch ungemein viel werthvolles Material un¬
benutzt geblieben, und so ist die Ergänzung dieser Lücke, die der Verfasser der
vorliegenden Broschüre sich zur Aufgabe gemacht hat, und von der er hier eine
Probe giebt, ein sehr dankenswerthes Unternehmen, dem wir um so mehr die
erbetene Förderung wünschen, als Herr Cauer sich in seiner Kritik und Cha¬
rakteristik der hier ins Auge gefaßten Beiträge Friedrichs zu der betreffenden
Literatur als vorzüglich für diese Arbeit befähigt zeigt.

Ueberblicken wir die vierzehn Flugblätter und Broschüre», welche der Ver¬
sasser bespricht, und von denen <r die drei ersten — wie uns scheint mit Recht
— als gewiß, wenigstens sehr wahrscheinlich nicht aus der Feder des Königs
hervorgegangen ansieht (es sind „I^etre <M I'iriecmllu) ü, U. Jo maröeniü (tue
as Lellv-Isle", „I^clere ä'no aumomer as I'armöö autriekionnö an r6v6r<znä
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ein mar6ma1 I^vpolä comte as vaun an xaxe"), so sehen wir. daß in ihnen häusiger
als irgendein anderer Gedanke der des religiösen Gegensatzes wiederkehrt, welcher
zwischen Preußen und seine» Gegnern besteht. Daß Friedrich die Sache des Protestan¬
tismus und der Religionsfreiheit zu vertreten habe gegenüber der katholischen Be¬
schränktheit und Intoleranz, ist eine Anschauung, die in dreien von den Flugschriften
desselben, in dem bekannten Breve an Daun, in dem Glückwunschschreiben
Soubises an denselben und in den „I^cleres 6v ?ni!Mu"*) geradezu den
Mittelpunkt der Darstellung bildet, und ebenso richten die beiden letzten der
oben als unecht bezeichneten Schriften, die beiläufig sehr wahrscheinlich von
d'Argens herrühren, und die Briefe, welche derselbe Vertraute Friedrichs unter
der Maske eines evangelischen Geistlichen veröffentlichte, ihre Spitze gegen den
Katholicismus der Gegner des Königs.

Die Weisheit des Herrn Ouro Klopp ist mit diesen Schriften rasch fertig
geworden. Was konnte einen Religionsverächter wie Friedrich der Gegensatz



') Dieses Werk, die umfassendste Satire, die Friedrich während des Krieges geschrieben
hat, erschien 17V0 und schließt sich in der Form an Montesquieus „Persische Briefe" an.
Es sind sechs Briefe eines Chinesen über die Eindrücke, die er in Rom empfängt, und es ist
darin alles zusammengetragen, was der König gegen den Papst auf dem Herzen hatte, dem
er damit nach einem Briefe an d'Argens dafür, „daß er die Degen seiner Feinde geweiht
und vatermörderischen Mönchen Zufluchtsstätten geschaffen, einen Krallenhieb (coup as Mte)
versehen wollte". Die Papstwahl, die Messe, die Ercommunication, die Sündenvergebung,
die Lehre von der Zulässigkeit des Widerstandes gegen die weltlichen Obrigkeiten, das ganze
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/78>, abgerufen am 15.01.2025.