Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.eine Ausnahme statuiren zu sollen. Für diesen sollte, da er vom Polizeiamt Auch dazu weigerte sich der Rath die Hand zu bieten, und der Minister Dem Minister ist es allerdings gelungen, seinen Willen durchzusetzen; eine Ausnahme statuiren zu sollen. Für diesen sollte, da er vom Polizeiamt Auch dazu weigerte sich der Rath die Hand zu bieten, und der Minister Dem Minister ist es allerdings gelungen, seinen Willen durchzusetzen; <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0076" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283429"/> <p xml:id="ID_209" prev="#ID_208"> eine Ausnahme statuiren zu sollen. Für diesen sollte, da er vom Polizeiamt<lb/> bisher nur verurtheilt, aber noch nicht in Untersuchung gezogen war, an die<lb/> Stelle des freisprechenden Erkenntnisses erst eine neue Untersuchung und erst<lb/> nach deren Beendigung eine Berurtheilung treten.</p><lb/> <p xml:id="ID_210"> Auch dazu weigerte sich der Rath die Hand zu bieten, und der Minister<lb/> v. Oertzen griff jetzt zu Zwangsmaßregeln, um den von ihm adoplirten blanck-<lb/> schen Spruch zur praktischen Geltung zu bringen. Ein großherzoglicher Com-<lb/> missarius, der Regierungsfiscal Kanzleirath Kues, erschien in Rostock und machte<lb/> dem Rath die Mittheilung, daß er entweder binnen drei Tagen dem Befehl des<lb/> Ministers Folge zu leisten oder zu gewärtigen habe, daß eine dem worthabenden<lb/> Bürgermeister einzulegende Executionsmannschaft von 26 Mann, deren Aus-<lb/> quartirung nicht statthaft sei, Gehorsam erzwingen werde. Als der Rath auch<lb/> dieser Drohung noch Stand hielt, rückte» am 17. Juni Nachmittags 3 Uhr<lb/> 25 Mann großherzoglicher Gardetruppen aus Schwerin unter Anführung des<lb/> Lieutenant v. Rantzau in die Stadt und besetzten das Haus des Bürgermeisters<lb/> Dr. Zastrow, in dessen Beletage sie sich niederließen. Der Rath glaubte jetzt<lb/> seine richterliche Ehre hinlänglich gewahrt zu haben und hatte schon im Bor¬<lb/> aus beschlossen, den Beginn der Zwangsmaßregeln als das Signal anzusehen,<lb/> daß der geeignete Zeitpunkt der Nachgiebigkeit gekommen sei. Er hatte dafür<lb/> gesorgt, daß 43 Decrete. eines für jedes Mitglied des Nationalvereins, zugleich<lb/> mit 43 Abschriften der beiden landesherrlichen Nescnpte vom 29. November<lb/> 1864 und 27. Mai 1865 zur Insinuation bereitlagen. Es blieb in den Decreten<lb/> nur noch das Datum auszufüllen. Nachdem dies geschehen war. setzten sich<lb/> die Rathsdiener in ihren rothen Uniformen in Bewegung und eilten mit den<lb/> Ackerstücken durch die Stadt, um den einzelnen Nationalvereinsmitgliedern die<lb/> Urkunde zu überbringen, nach welcher ihre Freisprechung nicht gelten und sie<lb/> sich auf Befehl des Großherzogs mit dem Erkenntniß erster Znstanz zu begnügen<lb/> haben sollten. Abends 9 Uhr nahm die militärische Belästigung des Bürger¬<lb/> meisters ein Ende, die Soldaten wurden in ein Wirthshaus verlegt und kehrten<lb/> am andern Mittag nach Schwerin zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_211" next="#ID_212"> Dem Minister ist es allerdings gelungen, seinen Willen durchzusetzen;<lb/> aber, wir fürchten, zum schweren Nachtheil seines eigenen Ansehens und des<lb/> Ansehens der Behörden und Gesetze unseres Landes. Er hat die Rechtsordnung<lb/> durchbrochen, indem er ein in allen gesetzlichen Formen erlassenes rechtskräftiges<lb/> Erkenntniß annullirt und sein eigenes Belieben an die Stelle gesetzt hat; er hat<lb/> dies gethan, ohne den Angeklagten die ihnen gesetzlich zustehende zweite Instanz<lb/> zu gewähren und vorher ihre Vertheidigung zu hören; er hat die Mitwirkung<lb/> des rostocker Raths zu diesem Verfahren erpreßt, dieselben Männer, welche nach<lb/> ihrer Rechtsüberzeugung ein freisprechendes Erkenntniß gefällt und nach ihrer<lb/> richterlichen und obrigkeitlichen Pflicht die Freigesprochenen gegen die Gewalt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0076]
eine Ausnahme statuiren zu sollen. Für diesen sollte, da er vom Polizeiamt
bisher nur verurtheilt, aber noch nicht in Untersuchung gezogen war, an die
Stelle des freisprechenden Erkenntnisses erst eine neue Untersuchung und erst
nach deren Beendigung eine Berurtheilung treten.
Auch dazu weigerte sich der Rath die Hand zu bieten, und der Minister
v. Oertzen griff jetzt zu Zwangsmaßregeln, um den von ihm adoplirten blanck-
schen Spruch zur praktischen Geltung zu bringen. Ein großherzoglicher Com-
missarius, der Regierungsfiscal Kanzleirath Kues, erschien in Rostock und machte
dem Rath die Mittheilung, daß er entweder binnen drei Tagen dem Befehl des
Ministers Folge zu leisten oder zu gewärtigen habe, daß eine dem worthabenden
Bürgermeister einzulegende Executionsmannschaft von 26 Mann, deren Aus-
quartirung nicht statthaft sei, Gehorsam erzwingen werde. Als der Rath auch
dieser Drohung noch Stand hielt, rückte» am 17. Juni Nachmittags 3 Uhr
25 Mann großherzoglicher Gardetruppen aus Schwerin unter Anführung des
Lieutenant v. Rantzau in die Stadt und besetzten das Haus des Bürgermeisters
Dr. Zastrow, in dessen Beletage sie sich niederließen. Der Rath glaubte jetzt
seine richterliche Ehre hinlänglich gewahrt zu haben und hatte schon im Bor¬
aus beschlossen, den Beginn der Zwangsmaßregeln als das Signal anzusehen,
daß der geeignete Zeitpunkt der Nachgiebigkeit gekommen sei. Er hatte dafür
gesorgt, daß 43 Decrete. eines für jedes Mitglied des Nationalvereins, zugleich
mit 43 Abschriften der beiden landesherrlichen Nescnpte vom 29. November
1864 und 27. Mai 1865 zur Insinuation bereitlagen. Es blieb in den Decreten
nur noch das Datum auszufüllen. Nachdem dies geschehen war. setzten sich
die Rathsdiener in ihren rothen Uniformen in Bewegung und eilten mit den
Ackerstücken durch die Stadt, um den einzelnen Nationalvereinsmitgliedern die
Urkunde zu überbringen, nach welcher ihre Freisprechung nicht gelten und sie
sich auf Befehl des Großherzogs mit dem Erkenntniß erster Znstanz zu begnügen
haben sollten. Abends 9 Uhr nahm die militärische Belästigung des Bürger¬
meisters ein Ende, die Soldaten wurden in ein Wirthshaus verlegt und kehrten
am andern Mittag nach Schwerin zurück.
Dem Minister ist es allerdings gelungen, seinen Willen durchzusetzen;
aber, wir fürchten, zum schweren Nachtheil seines eigenen Ansehens und des
Ansehens der Behörden und Gesetze unseres Landes. Er hat die Rechtsordnung
durchbrochen, indem er ein in allen gesetzlichen Formen erlassenes rechtskräftiges
Erkenntniß annullirt und sein eigenes Belieben an die Stelle gesetzt hat; er hat
dies gethan, ohne den Angeklagten die ihnen gesetzlich zustehende zweite Instanz
zu gewähren und vorher ihre Vertheidigung zu hören; er hat die Mitwirkung
des rostocker Raths zu diesem Verfahren erpreßt, dieselben Männer, welche nach
ihrer Rechtsüberzeugung ein freisprechendes Erkenntniß gefällt und nach ihrer
richterlichen und obrigkeitlichen Pflicht die Freigesprochenen gegen die Gewalt
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