Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.noch niemand den Vorwurf zu machen gewagt hat, daß er sich an diese Be¬ Das mecklenburgische Vereinsgesetz vom 27. Januar bestimmt: "Die Bil- Grenzboten III. 1866. 9
noch niemand den Vorwurf zu machen gewagt hat, daß er sich an diese Be¬ Das mecklenburgische Vereinsgesetz vom 27. Januar bestimmt: „Die Bil- Grenzboten III. 1866. 9
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0073" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283426"/> <p xml:id="ID_198" prev="#ID_197"> noch niemand den Vorwurf zu machen gewagt hat, daß er sich an diese Be¬<lb/> stimmung seines Statuts nicht gewissenhaft binde. Herr v. Oertzen hat da¬<lb/> bei den Zeitpunkt, wo er mit seinen Aggressionen gegen den deutschen National¬<lb/> verein in die Oeffentlichkeit trat, jedesmal so zu wählen gewußt, daß derselbe<lb/> mit irgendeiner großen Erinnerung der Nation zusammentraf: im October<lb/> des Jahres 1863 erließ er den Befehl, daß gegen die rostocker Nationalvereins¬<lb/> mitglieder, wegen ihrer Betheiligung an diesem Verein, eine Untersuchung ein¬<lb/> geleitet werden solle, und dieser Befehl kam am Vorabend der Jubelfeier der<lb/> Schlacht bei Leipzig zur Ausführung; am 17. Juni 1866, dem Vorabend des<lb/> 60jährigen Gedenktages der Schlacht bei Waterloo, brachte er mit Hilfe einer<lb/> militärischen Zwangsexecution die von ihm verfügte Aufhebung des zu Recht<lb/> bestehenden freisprechenden Erkenntnisses und das von ihm an dessen Stelle<lb/> gesetzte verurtheilende Erkenntniß gegen die rostocker Nationalvereinsmitglieder<lb/> zur Wirksamkeit.</p><lb/> <p xml:id="ID_199" next="#ID_200"> Das mecklenburgische Vereinsgesetz vom 27. Januar bestimmt: „Die Bil-<lb/> dung von Vereinen zu politischen Zwecken darf nur mit Genehmigung des<lb/> Ministeriums des Innern geschehen." Die Unanwendbarkeit dieser Bestim-<lb/> mung auf Vereine, die im Lande weder ihren Sitz noch Filial- oder Zweig-<lb/> Vereine haben, muß jedem Unbefangenen einleuchten. Der Minister hat weder<lb/> das Recht noch die Macht, die Bildung auswärtiger politischer Vereine zu con-<lb/> cessioniren; der Nationalverein hatte sich bereits gebildet und loyalen Bestand<lb/> gewonnen, als der Beitritt der rostocker Mitglieder erfolgte, und es war daher<lb/> auch schon aus diesem Grunde unmöglich, die Genehmigung des Ministers für<lb/> die Bildung desselben nachzusuchen; die zum Beitritt geneigten Mecklenburger<lb/> fanden den Verein bereits vor und konnten daher den Minister nicht um die<lb/> Erlaubniß, einen Verein zu bilden, angehen, sondern höchstens dessen Geneh-<lb/> migung zum Anschluß an einen schon bestehenden Verein nachsuchen, wozu sie<lb/> aber das Gesetz nicht verpflichtete. Der Minister muß selbst erkannt haben,<lb/> daß das Gesetz für den Zweck, den Beitritt von Mecklenburgern zum deutschen<lb/> Nationalverein zu hindern, nicht ausreichend sei. Denn sonst würde er es<lb/> nicht für erforderlich gehalten haben, noch durch einen besonderen Erlaß, vom<lb/> 1. October 18S9. die Theilnahme am deutschen Nationalverein, „sowie an<lb/> allen, auch den im Auslande gegründeten politischen Verbindungen, welche eine<lb/> unberufene Agitation gegen die bestehende Bundesverfassung bezwecken", den<lb/> Mecklenburgern zu untersagen. Freilich war er mit diesem Erlaß auf den<lb/> Weg einer authentischen Interpretation gerathen, zu welcher er nicht competent<lb/> ist, und wenn auch bei der politischen Richtung, welche unter der Einwirkung<lb/> der Minister in den fünfzehn Jahren der Reaction auch bei dem Richter-<lb/> Personal fast zur ausschließlichen Herrschaft gelangt ist, vorausgesetzt werden<lb/> durfte, daß die ministerielle Gesetzesauslegung bei den Gerichten großes An-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten III. 1866. 9</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0073]
noch niemand den Vorwurf zu machen gewagt hat, daß er sich an diese Be¬
stimmung seines Statuts nicht gewissenhaft binde. Herr v. Oertzen hat da¬
bei den Zeitpunkt, wo er mit seinen Aggressionen gegen den deutschen National¬
verein in die Oeffentlichkeit trat, jedesmal so zu wählen gewußt, daß derselbe
mit irgendeiner großen Erinnerung der Nation zusammentraf: im October
des Jahres 1863 erließ er den Befehl, daß gegen die rostocker Nationalvereins¬
mitglieder, wegen ihrer Betheiligung an diesem Verein, eine Untersuchung ein¬
geleitet werden solle, und dieser Befehl kam am Vorabend der Jubelfeier der
Schlacht bei Leipzig zur Ausführung; am 17. Juni 1866, dem Vorabend des
60jährigen Gedenktages der Schlacht bei Waterloo, brachte er mit Hilfe einer
militärischen Zwangsexecution die von ihm verfügte Aufhebung des zu Recht
bestehenden freisprechenden Erkenntnisses und das von ihm an dessen Stelle
gesetzte verurtheilende Erkenntniß gegen die rostocker Nationalvereinsmitglieder
zur Wirksamkeit.
Das mecklenburgische Vereinsgesetz vom 27. Januar bestimmt: „Die Bil-
dung von Vereinen zu politischen Zwecken darf nur mit Genehmigung des
Ministeriums des Innern geschehen." Die Unanwendbarkeit dieser Bestim-
mung auf Vereine, die im Lande weder ihren Sitz noch Filial- oder Zweig-
Vereine haben, muß jedem Unbefangenen einleuchten. Der Minister hat weder
das Recht noch die Macht, die Bildung auswärtiger politischer Vereine zu con-
cessioniren; der Nationalverein hatte sich bereits gebildet und loyalen Bestand
gewonnen, als der Beitritt der rostocker Mitglieder erfolgte, und es war daher
auch schon aus diesem Grunde unmöglich, die Genehmigung des Ministers für
die Bildung desselben nachzusuchen; die zum Beitritt geneigten Mecklenburger
fanden den Verein bereits vor und konnten daher den Minister nicht um die
Erlaubniß, einen Verein zu bilden, angehen, sondern höchstens dessen Geneh-
migung zum Anschluß an einen schon bestehenden Verein nachsuchen, wozu sie
aber das Gesetz nicht verpflichtete. Der Minister muß selbst erkannt haben,
daß das Gesetz für den Zweck, den Beitritt von Mecklenburgern zum deutschen
Nationalverein zu hindern, nicht ausreichend sei. Denn sonst würde er es
nicht für erforderlich gehalten haben, noch durch einen besonderen Erlaß, vom
1. October 18S9. die Theilnahme am deutschen Nationalverein, „sowie an
allen, auch den im Auslande gegründeten politischen Verbindungen, welche eine
unberufene Agitation gegen die bestehende Bundesverfassung bezwecken", den
Mecklenburgern zu untersagen. Freilich war er mit diesem Erlaß auf den
Weg einer authentischen Interpretation gerathen, zu welcher er nicht competent
ist, und wenn auch bei der politischen Richtung, welche unter der Einwirkung
der Minister in den fünfzehn Jahren der Reaction auch bei dem Richter-
Personal fast zur ausschließlichen Herrschaft gelangt ist, vorausgesetzt werden
durfte, daß die ministerielle Gesetzesauslegung bei den Gerichten großes An-
Grenzboten III. 1866. 9
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