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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Man stellte sich auf einen Standpunkt, wo man mit den Mittelstaaten zu¬
sammentraf, indem man betonte, daß seine Stellung als Mitglied des deutschen
Bundes durchaus nicht beeinträchtigt werden dürfe.

Diese Politik war für Oestreich vortrefflich, sie hatte die öffentliche Mei¬
nung des halben Deutschlands für sich, sie machte die Majorität von Frankfurt
für den Fall, daß Preußen nicht nachgeben wollte, zu eifrigen Verbündeten.
Nie seit dem Jahre 1848 hat Oestreich eine so glänzende und für die Gegen¬
wart so unangreifbare Position eingenommen, und wir müssen zugeben, selten
hat es mit solcher Haltung das sichere Gefühl einer guten Stellung empfunden.
Denn immer ist dem Kaiserhause das Herrcnamt über Deutschland als der
werthvollste Erwerb erschienen, nicht nur weil alte Erinnerungen und Familien-
ansprüche unablässig stacheln, noch mehr deshalb, weil von dem festen Halt
in Deutschland die Sicherheit des außerdeutschen Besitzes, im letzten Grunde
die Existenz des Staates abhängt. Nur eines war noch übrig, um die gute
Lage in Deutschland zu sicher" -- Friede im Innern. Seit die Möglichkeit,
mit Preußen über Schleswig-Holstein zu zerfallen, in Wien nahe trat, reifte
der Plan, sich mit den Ungarn auf Kosten der Februarverfassung zu versöhnen.
Wie weit das neue Ministerium im Stande sein wird, die Kaiserfahrt nach Pesth
für die Länge fruchtbar zu machen, ist ihm selbst wohl noch verborgen. Unläugbar
aber ist für den Augenblick in Europa ein großer Erfolg durchgesetzt. Oestreichs
Machtmittel erscheinen verstärkt, die Sorge um einen geheimen Feind im Rücken
seiner Heere ist beseitigt. Die Ungarn werden in der Stunde kaiserlicher Ge¬
fahr wahrscheinlich nicht wieder begeistert ausrufen: moriamur pro rsM nostro,
aber sie würden gegenwärtig nicht unwillig Geld und Soldaten liefern. Denn
sie sind eine aristokratische Nation, und ihre Großen haben durch Jahre em¬
pfunden, wie unbequem die isolirte Zurückhaltung ist. die Zollschranke zwischen
Ungarn und Oestreich ist gefallen, das ganze Volk hat schätzen gelernt, welchen
Werth die Verbindung mit Oestreich für den Wohlstand Ungarns hat, für
Agitatoren, wie Kossuth und Klapka, ist gegenwärtig keine Aussicht. Der Kaiser¬
staat steht jetzt nach außen stattlich geschlossen, die alten Farben schwarz und
gelb wehen wieder auf jedem Berggipfel der großen Ländermasse, welche, vom
Norden aus fast unangreifbar, wie eine riesige Festung in Deutschland liegt,
auf seiner schwächsten Seite, dem Donauthal, durch Bayern gedeckt.

Die Politik Oestreichs ist wieder in die alten Bahnen zurückgelenkt, die
man einmal, nicht zu rechter Zeit, in dem dramatischen Spiel eines Fürstcn-
congresses aufgegeben hatte. Es ist eine vornehme, geräuschlose Politik, welche
dem Gegner mit ruhigem Lächeln ins Antlitz schaut, alle scharfen Spitzen ver-
meidet, in unwesentlichen Dingen gefällig nachgiebt, in der Hauptsache unge¬
rührt durch Vernunftgründe und heftige Erklärungen immer wieder auf ihre
alten Sätze zurückkommt, welche ohne geistreiches Wesen, ohne große Ideen,


Man stellte sich auf einen Standpunkt, wo man mit den Mittelstaaten zu¬
sammentraf, indem man betonte, daß seine Stellung als Mitglied des deutschen
Bundes durchaus nicht beeinträchtigt werden dürfe.

Diese Politik war für Oestreich vortrefflich, sie hatte die öffentliche Mei¬
nung des halben Deutschlands für sich, sie machte die Majorität von Frankfurt
für den Fall, daß Preußen nicht nachgeben wollte, zu eifrigen Verbündeten.
Nie seit dem Jahre 1848 hat Oestreich eine so glänzende und für die Gegen¬
wart so unangreifbare Position eingenommen, und wir müssen zugeben, selten
hat es mit solcher Haltung das sichere Gefühl einer guten Stellung empfunden.
Denn immer ist dem Kaiserhause das Herrcnamt über Deutschland als der
werthvollste Erwerb erschienen, nicht nur weil alte Erinnerungen und Familien-
ansprüche unablässig stacheln, noch mehr deshalb, weil von dem festen Halt
in Deutschland die Sicherheit des außerdeutschen Besitzes, im letzten Grunde
die Existenz des Staates abhängt. Nur eines war noch übrig, um die gute
Lage in Deutschland zu sicher» — Friede im Innern. Seit die Möglichkeit,
mit Preußen über Schleswig-Holstein zu zerfallen, in Wien nahe trat, reifte
der Plan, sich mit den Ungarn auf Kosten der Februarverfassung zu versöhnen.
Wie weit das neue Ministerium im Stande sein wird, die Kaiserfahrt nach Pesth
für die Länge fruchtbar zu machen, ist ihm selbst wohl noch verborgen. Unläugbar
aber ist für den Augenblick in Europa ein großer Erfolg durchgesetzt. Oestreichs
Machtmittel erscheinen verstärkt, die Sorge um einen geheimen Feind im Rücken
seiner Heere ist beseitigt. Die Ungarn werden in der Stunde kaiserlicher Ge¬
fahr wahrscheinlich nicht wieder begeistert ausrufen: moriamur pro rsM nostro,
aber sie würden gegenwärtig nicht unwillig Geld und Soldaten liefern. Denn
sie sind eine aristokratische Nation, und ihre Großen haben durch Jahre em¬
pfunden, wie unbequem die isolirte Zurückhaltung ist. die Zollschranke zwischen
Ungarn und Oestreich ist gefallen, das ganze Volk hat schätzen gelernt, welchen
Werth die Verbindung mit Oestreich für den Wohlstand Ungarns hat, für
Agitatoren, wie Kossuth und Klapka, ist gegenwärtig keine Aussicht. Der Kaiser¬
staat steht jetzt nach außen stattlich geschlossen, die alten Farben schwarz und
gelb wehen wieder auf jedem Berggipfel der großen Ländermasse, welche, vom
Norden aus fast unangreifbar, wie eine riesige Festung in Deutschland liegt,
auf seiner schwächsten Seite, dem Donauthal, durch Bayern gedeckt.

Die Politik Oestreichs ist wieder in die alten Bahnen zurückgelenkt, die
man einmal, nicht zu rechter Zeit, in dem dramatischen Spiel eines Fürstcn-
congresses aufgegeben hatte. Es ist eine vornehme, geräuschlose Politik, welche
dem Gegner mit ruhigem Lächeln ins Antlitz schaut, alle scharfen Spitzen ver-
meidet, in unwesentlichen Dingen gefällig nachgiebt, in der Hauptsache unge¬
rührt durch Vernunftgründe und heftige Erklärungen immer wieder auf ihre
alten Sätze zurückkommt, welche ohne geistreiches Wesen, ohne große Ideen,


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[0633] Man stellte sich auf einen Standpunkt, wo man mit den Mittelstaaten zu¬ sammentraf, indem man betonte, daß seine Stellung als Mitglied des deutschen Bundes durchaus nicht beeinträchtigt werden dürfe. Diese Politik war für Oestreich vortrefflich, sie hatte die öffentliche Mei¬ nung des halben Deutschlands für sich, sie machte die Majorität von Frankfurt für den Fall, daß Preußen nicht nachgeben wollte, zu eifrigen Verbündeten. Nie seit dem Jahre 1848 hat Oestreich eine so glänzende und für die Gegen¬ wart so unangreifbare Position eingenommen, und wir müssen zugeben, selten hat es mit solcher Haltung das sichere Gefühl einer guten Stellung empfunden. Denn immer ist dem Kaiserhause das Herrcnamt über Deutschland als der werthvollste Erwerb erschienen, nicht nur weil alte Erinnerungen und Familien- ansprüche unablässig stacheln, noch mehr deshalb, weil von dem festen Halt in Deutschland die Sicherheit des außerdeutschen Besitzes, im letzten Grunde die Existenz des Staates abhängt. Nur eines war noch übrig, um die gute Lage in Deutschland zu sicher» — Friede im Innern. Seit die Möglichkeit, mit Preußen über Schleswig-Holstein zu zerfallen, in Wien nahe trat, reifte der Plan, sich mit den Ungarn auf Kosten der Februarverfassung zu versöhnen. Wie weit das neue Ministerium im Stande sein wird, die Kaiserfahrt nach Pesth für die Länge fruchtbar zu machen, ist ihm selbst wohl noch verborgen. Unläugbar aber ist für den Augenblick in Europa ein großer Erfolg durchgesetzt. Oestreichs Machtmittel erscheinen verstärkt, die Sorge um einen geheimen Feind im Rücken seiner Heere ist beseitigt. Die Ungarn werden in der Stunde kaiserlicher Ge¬ fahr wahrscheinlich nicht wieder begeistert ausrufen: moriamur pro rsM nostro, aber sie würden gegenwärtig nicht unwillig Geld und Soldaten liefern. Denn sie sind eine aristokratische Nation, und ihre Großen haben durch Jahre em¬ pfunden, wie unbequem die isolirte Zurückhaltung ist. die Zollschranke zwischen Ungarn und Oestreich ist gefallen, das ganze Volk hat schätzen gelernt, welchen Werth die Verbindung mit Oestreich für den Wohlstand Ungarns hat, für Agitatoren, wie Kossuth und Klapka, ist gegenwärtig keine Aussicht. Der Kaiser¬ staat steht jetzt nach außen stattlich geschlossen, die alten Farben schwarz und gelb wehen wieder auf jedem Berggipfel der großen Ländermasse, welche, vom Norden aus fast unangreifbar, wie eine riesige Festung in Deutschland liegt, auf seiner schwächsten Seite, dem Donauthal, durch Bayern gedeckt. Die Politik Oestreichs ist wieder in die alten Bahnen zurückgelenkt, die man einmal, nicht zu rechter Zeit, in dem dramatischen Spiel eines Fürstcn- congresses aufgegeben hatte. Es ist eine vornehme, geräuschlose Politik, welche dem Gegner mit ruhigem Lächeln ins Antlitz schaut, alle scharfen Spitzen ver- meidet, in unwesentlichen Dingen gefällig nachgiebt, in der Hauptsache unge¬ rührt durch Vernunftgründe und heftige Erklärungen immer wieder auf ihre alten Sätze zurückkommt, welche ohne geistreiches Wesen, ohne große Ideen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/633>, abgerufen am 15.01.2025.