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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Im dritten Acte begegnen wir einem Wagniß, wie wir ähnlich nur in
Scribes und Meyerbeers früheren Opern erlebten. Die Bühne stellt nämlich
das frei in den Wogen schwebende portugiesische Admiralschiff dar, auf welchem
Pedro, von Ines, Don Ulvar, Selica und Nelusco begleitet und umgeben von
Matrosen, Soldaten und Bürgern mit ihren Frauen, die sich in den neuen
Ländern ansiedeln wollen, seine Entdeckungsreise ausführt. Nelusco, der seinen
Haß gegen die Weißen, die sein Vaterland unterjochen wollen, nunmehr aus
Don Pedro concentrirt hat, ist es gelungen, diesem vorzuspiegeln, daß er ihm
treu diene und allein der Mann sei. der seine Schiffe glücklich vom Cap aus
nach Madagascar und Indien zu steuern vermöge. Vergebens warnt Don
Ulvar vor dem verschmitzten Wilden, der die anderen Schiffe, die ihm Pedro
anvertraut, bereits zu ihrem Untergange geführt habe. Pedro, von seinem Ver¬
hängnis; getrieben, lehnt jeden Rath ab und giebt sogar den Befehl, daß das
Schiff, wie Nelusco verlangt, seinen bisherigen Cours ändere. Kaum ist dies
geschehen, als sich von einer fernen portugiesischen Brigg, die man zu aller
Staunen seit einigen Tagen auf derselben Fahrt begriffen gesehen, ein Boot
nähert. Vasco de Gama steigt daraus an Bord und will Pedro, obgleich er
sein Feind sei, als Sohn desselben Landes warnen, die eben eingeschlagene
Richtung fortzusetzen, da er sonst binnen Kurzem scheitern und in die Hände
der erlernten Eingeborenen fallen werde. Don Pedro behandelt ihn verächtlich
und meint, sein Kommen gelte wohl mehr der Rettung von Ines als der des
glücklichen Nebenbuhlers; beide Männer gerathen in Hitze, Vasco fordert Don
Pedro und schleudert ihm, als dieser seine Forderung belächelt, den Ruf "Feig-
ling" zu, woraus Pedro den Befehl giebt, Vasco an den Mast zu binden und
zu erschießen. Auch diesmal verhindert Selica des Geliebten Tod, indem sie
Ines ergreifend und den Dolch auf ihre Brust setzend schwört, diese zu tödten,
wenn Pedro nicht Gnade für Vasco verheiße. Pedro schenkt nach einem
harten Kampfe mit sich selbst Vasco das Leben, läßt ihn aber, da er ihm --
ein zweiter Geßler -- eben nichts weiter als das Leben versprochen, in Ketten
in den untersten Schiffsraum werfen. Nun bricht der schon lange drohende
Sturm los, das Schiff scheitert und wird festsitzend von den Indianern Mada-
gascars überfallen, die, ihre Königin Selica suchend, in Massen an den öst¬
lichen Küsten des Caps verweilen. Nach kurzem Widerstand werden die Por¬
tugiesen bis auf den letzten Mann niedergemacht, die christlichen Frauen ge¬
fesselt und Selica und Nelusco mit einem Danklied gegen Brahma, der ihre
Wiederauffindung habe gelingen lassen, begrüßt.

Der vierte Act spielt in Madagascar und beginnt mit einem pomphaften
Aufzug von Priestern und Priesterinnen des Brahma, denen Amazonen, Gaukler
und Krieger folgen, in deren Mitte Selica als Königin thront. Der Ober-
Bramine veranlaßt die versammelte Menge, der wiedergefundenen Herrscherin


Im dritten Acte begegnen wir einem Wagniß, wie wir ähnlich nur in
Scribes und Meyerbeers früheren Opern erlebten. Die Bühne stellt nämlich
das frei in den Wogen schwebende portugiesische Admiralschiff dar, auf welchem
Pedro, von Ines, Don Ulvar, Selica und Nelusco begleitet und umgeben von
Matrosen, Soldaten und Bürgern mit ihren Frauen, die sich in den neuen
Ländern ansiedeln wollen, seine Entdeckungsreise ausführt. Nelusco, der seinen
Haß gegen die Weißen, die sein Vaterland unterjochen wollen, nunmehr aus
Don Pedro concentrirt hat, ist es gelungen, diesem vorzuspiegeln, daß er ihm
treu diene und allein der Mann sei. der seine Schiffe glücklich vom Cap aus
nach Madagascar und Indien zu steuern vermöge. Vergebens warnt Don
Ulvar vor dem verschmitzten Wilden, der die anderen Schiffe, die ihm Pedro
anvertraut, bereits zu ihrem Untergange geführt habe. Pedro, von seinem Ver¬
hängnis; getrieben, lehnt jeden Rath ab und giebt sogar den Befehl, daß das
Schiff, wie Nelusco verlangt, seinen bisherigen Cours ändere. Kaum ist dies
geschehen, als sich von einer fernen portugiesischen Brigg, die man zu aller
Staunen seit einigen Tagen auf derselben Fahrt begriffen gesehen, ein Boot
nähert. Vasco de Gama steigt daraus an Bord und will Pedro, obgleich er
sein Feind sei, als Sohn desselben Landes warnen, die eben eingeschlagene
Richtung fortzusetzen, da er sonst binnen Kurzem scheitern und in die Hände
der erlernten Eingeborenen fallen werde. Don Pedro behandelt ihn verächtlich
und meint, sein Kommen gelte wohl mehr der Rettung von Ines als der des
glücklichen Nebenbuhlers; beide Männer gerathen in Hitze, Vasco fordert Don
Pedro und schleudert ihm, als dieser seine Forderung belächelt, den Ruf „Feig-
ling" zu, woraus Pedro den Befehl giebt, Vasco an den Mast zu binden und
zu erschießen. Auch diesmal verhindert Selica des Geliebten Tod, indem sie
Ines ergreifend und den Dolch auf ihre Brust setzend schwört, diese zu tödten,
wenn Pedro nicht Gnade für Vasco verheiße. Pedro schenkt nach einem
harten Kampfe mit sich selbst Vasco das Leben, läßt ihn aber, da er ihm —
ein zweiter Geßler — eben nichts weiter als das Leben versprochen, in Ketten
in den untersten Schiffsraum werfen. Nun bricht der schon lange drohende
Sturm los, das Schiff scheitert und wird festsitzend von den Indianern Mada-
gascars überfallen, die, ihre Königin Selica suchend, in Massen an den öst¬
lichen Küsten des Caps verweilen. Nach kurzem Widerstand werden die Por¬
tugiesen bis auf den letzten Mann niedergemacht, die christlichen Frauen ge¬
fesselt und Selica und Nelusco mit einem Danklied gegen Brahma, der ihre
Wiederauffindung habe gelingen lassen, begrüßt.

Der vierte Act spielt in Madagascar und beginnt mit einem pomphaften
Aufzug von Priestern und Priesterinnen des Brahma, denen Amazonen, Gaukler
und Krieger folgen, in deren Mitte Selica als Königin thront. Der Ober-
Bramine veranlaßt die versammelte Menge, der wiedergefundenen Herrscherin


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[0624] Im dritten Acte begegnen wir einem Wagniß, wie wir ähnlich nur in Scribes und Meyerbeers früheren Opern erlebten. Die Bühne stellt nämlich das frei in den Wogen schwebende portugiesische Admiralschiff dar, auf welchem Pedro, von Ines, Don Ulvar, Selica und Nelusco begleitet und umgeben von Matrosen, Soldaten und Bürgern mit ihren Frauen, die sich in den neuen Ländern ansiedeln wollen, seine Entdeckungsreise ausführt. Nelusco, der seinen Haß gegen die Weißen, die sein Vaterland unterjochen wollen, nunmehr aus Don Pedro concentrirt hat, ist es gelungen, diesem vorzuspiegeln, daß er ihm treu diene und allein der Mann sei. der seine Schiffe glücklich vom Cap aus nach Madagascar und Indien zu steuern vermöge. Vergebens warnt Don Ulvar vor dem verschmitzten Wilden, der die anderen Schiffe, die ihm Pedro anvertraut, bereits zu ihrem Untergange geführt habe. Pedro, von seinem Ver¬ hängnis; getrieben, lehnt jeden Rath ab und giebt sogar den Befehl, daß das Schiff, wie Nelusco verlangt, seinen bisherigen Cours ändere. Kaum ist dies geschehen, als sich von einer fernen portugiesischen Brigg, die man zu aller Staunen seit einigen Tagen auf derselben Fahrt begriffen gesehen, ein Boot nähert. Vasco de Gama steigt daraus an Bord und will Pedro, obgleich er sein Feind sei, als Sohn desselben Landes warnen, die eben eingeschlagene Richtung fortzusetzen, da er sonst binnen Kurzem scheitern und in die Hände der erlernten Eingeborenen fallen werde. Don Pedro behandelt ihn verächtlich und meint, sein Kommen gelte wohl mehr der Rettung von Ines als der des glücklichen Nebenbuhlers; beide Männer gerathen in Hitze, Vasco fordert Don Pedro und schleudert ihm, als dieser seine Forderung belächelt, den Ruf „Feig- ling" zu, woraus Pedro den Befehl giebt, Vasco an den Mast zu binden und zu erschießen. Auch diesmal verhindert Selica des Geliebten Tod, indem sie Ines ergreifend und den Dolch auf ihre Brust setzend schwört, diese zu tödten, wenn Pedro nicht Gnade für Vasco verheiße. Pedro schenkt nach einem harten Kampfe mit sich selbst Vasco das Leben, läßt ihn aber, da er ihm — ein zweiter Geßler — eben nichts weiter als das Leben versprochen, in Ketten in den untersten Schiffsraum werfen. Nun bricht der schon lange drohende Sturm los, das Schiff scheitert und wird festsitzend von den Indianern Mada- gascars überfallen, die, ihre Königin Selica suchend, in Massen an den öst¬ lichen Küsten des Caps verweilen. Nach kurzem Widerstand werden die Por¬ tugiesen bis auf den letzten Mann niedergemacht, die christlichen Frauen ge¬ fesselt und Selica und Nelusco mit einem Danklied gegen Brahma, der ihre Wiederauffindung habe gelingen lassen, begrüßt. Der vierte Act spielt in Madagascar und beginnt mit einem pomphaften Aufzug von Priestern und Priesterinnen des Brahma, denen Amazonen, Gaukler und Krieger folgen, in deren Mitte Selica als Königin thront. Der Ober- Bramine veranlaßt die versammelte Menge, der wiedergefundenen Herrscherin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/624>, abgerufen am 15.01.2025.