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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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den Beschluß gefaßt, die von ihnen noch nicht im Einzelnen berathenen Be¬
stimmungen im Ganzen anzunehmen, im Raptus der Begeisterung den prophe¬
tischen Ausruf gethan hatte, "daß der Augenblick, wo die deutschen Fürsten
(die Bürgermeister vergaß der bescheidene Herr) ihr Werk durch einen so
einmüthigen Beschluß zu Ende geführt hätten, in der Geschichte Deutsch¬
lands unvergessen bleiben werde" -- wie übel hatte er sich auf das Weis¬
sagen verstanden! Keine Stunde verging, so folgte auf das Morgenroth
welches er gesehen, mit der Schlußabstimmung, die wir oben mittheilten, schon
das Abendroth.

Die am wenigsten erfreuliche Rolle spielte in dem Schauspiel, welches uns
die Protokolle des Fürstentags vorführen, leider das von den Vertretern der
freien Städte repräsentirte Bürgerthum. In allen Fragen gingen diese Bürger¬
meister mit der Reaction der Mehrheit gegen wirkliche Reformen, wie sie der
Großherzog von Baden in unbequemster Stellung tapfer ausharrend in zahl¬
reichen Anträgen befürwortete. Weniger entschieden trat der Fürst von Waldeck
auf, der ebenfalls zur Opposition hielt. Noch weniger liberal zeigten sich die
Großherzoge von Oldenburg und von Weimar und der Herzog von Koburg.
Die äußerste Rechte bildeten Mecklenburg-Schwerin und Hannover.

Wir kommen zum Ende.

"Ich stimme nicht," so motivirte der Großherzog von Baden sein Nein
bei der Schlußabstimmung, "für Errichtung eines von einzelnen Directorial-
Höfen zu instruirender Bundesdirectoriums. welches ohne die Schranke consti-
tutioneller Verantwortlichkeit seine Befugnisse auszuüben hat. Ich stimme zweitens
nicht für das principielle Aufgeben des in den realen Verhältnissen begründeten
und in der bisherigen Bundespraxis beobachteten Grundsatzes, daß die beiden
deutschen Großmächte ein vorgängiges EinVerständniß unter sich hergestellt haben
müssen, bevor ein Bundesbeschluß in bestimmten, speciell zu bezeichnenden, wichtigsten
Fragen gesaßt werden soll. Ich stimme drittens nicht für eine aus Delegirten
zu bildende Volksvertretung, wenn auch befürwortet werden kann, von einer aus
directen Volkswahlen zu bildenden Nationalrepräsentation östreichische Abge¬
ordnete deshalb nicht auszuschließen, wenn solche, den bestehenden Verhältnissen
des Kaiserstaates entsprechend, nach dem Princip der Delegation gewählt wer¬
den. Ich stimme viertens nicht für die thatsächliche Vernichtung des Zustim¬
mungsrechts der Bundesabgeordneten bei Feststellung des Bundeshaushalts
durch Beschränkung deren Bewilligungsrechts auf neue, den Voranschlag der
vorhergehenden Periode verändernde Budgetpositionen. Ich stimme endlich
nicht für Ausdehnung der Befugnisse des Directoriums auf das Recht und
die Pflicht der Ueberwachung. daß der innere Friede Deutschlands nicht gestört
werde."

Der Großherzog sprach nicht blos für sich, nicht blos für Baden, er pro-


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den Beschluß gefaßt, die von ihnen noch nicht im Einzelnen berathenen Be¬
stimmungen im Ganzen anzunehmen, im Raptus der Begeisterung den prophe¬
tischen Ausruf gethan hatte, „daß der Augenblick, wo die deutschen Fürsten
(die Bürgermeister vergaß der bescheidene Herr) ihr Werk durch einen so
einmüthigen Beschluß zu Ende geführt hätten, in der Geschichte Deutsch¬
lands unvergessen bleiben werde" — wie übel hatte er sich auf das Weis¬
sagen verstanden! Keine Stunde verging, so folgte auf das Morgenroth
welches er gesehen, mit der Schlußabstimmung, die wir oben mittheilten, schon
das Abendroth.

Die am wenigsten erfreuliche Rolle spielte in dem Schauspiel, welches uns
die Protokolle des Fürstentags vorführen, leider das von den Vertretern der
freien Städte repräsentirte Bürgerthum. In allen Fragen gingen diese Bürger¬
meister mit der Reaction der Mehrheit gegen wirkliche Reformen, wie sie der
Großherzog von Baden in unbequemster Stellung tapfer ausharrend in zahl¬
reichen Anträgen befürwortete. Weniger entschieden trat der Fürst von Waldeck
auf, der ebenfalls zur Opposition hielt. Noch weniger liberal zeigten sich die
Großherzoge von Oldenburg und von Weimar und der Herzog von Koburg.
Die äußerste Rechte bildeten Mecklenburg-Schwerin und Hannover.

Wir kommen zum Ende.

„Ich stimme nicht," so motivirte der Großherzog von Baden sein Nein
bei der Schlußabstimmung, „für Errichtung eines von einzelnen Directorial-
Höfen zu instruirender Bundesdirectoriums. welches ohne die Schranke consti-
tutioneller Verantwortlichkeit seine Befugnisse auszuüben hat. Ich stimme zweitens
nicht für das principielle Aufgeben des in den realen Verhältnissen begründeten
und in der bisherigen Bundespraxis beobachteten Grundsatzes, daß die beiden
deutschen Großmächte ein vorgängiges EinVerständniß unter sich hergestellt haben
müssen, bevor ein Bundesbeschluß in bestimmten, speciell zu bezeichnenden, wichtigsten
Fragen gesaßt werden soll. Ich stimme drittens nicht für eine aus Delegirten
zu bildende Volksvertretung, wenn auch befürwortet werden kann, von einer aus
directen Volkswahlen zu bildenden Nationalrepräsentation östreichische Abge¬
ordnete deshalb nicht auszuschließen, wenn solche, den bestehenden Verhältnissen
des Kaiserstaates entsprechend, nach dem Princip der Delegation gewählt wer¬
den. Ich stimme viertens nicht für die thatsächliche Vernichtung des Zustim¬
mungsrechts der Bundesabgeordneten bei Feststellung des Bundeshaushalts
durch Beschränkung deren Bewilligungsrechts auf neue, den Voranschlag der
vorhergehenden Periode verändernde Budgetpositionen. Ich stimme endlich
nicht für Ausdehnung der Befugnisse des Directoriums auf das Recht und
die Pflicht der Ueberwachung. daß der innere Friede Deutschlands nicht gestört
werde."

Der Großherzog sprach nicht blos für sich, nicht blos für Baden, er pro-


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[0615] den Beschluß gefaßt, die von ihnen noch nicht im Einzelnen berathenen Be¬ stimmungen im Ganzen anzunehmen, im Raptus der Begeisterung den prophe¬ tischen Ausruf gethan hatte, „daß der Augenblick, wo die deutschen Fürsten (die Bürgermeister vergaß der bescheidene Herr) ihr Werk durch einen so einmüthigen Beschluß zu Ende geführt hätten, in der Geschichte Deutsch¬ lands unvergessen bleiben werde" — wie übel hatte er sich auf das Weis¬ sagen verstanden! Keine Stunde verging, so folgte auf das Morgenroth welches er gesehen, mit der Schlußabstimmung, die wir oben mittheilten, schon das Abendroth. Die am wenigsten erfreuliche Rolle spielte in dem Schauspiel, welches uns die Protokolle des Fürstentags vorführen, leider das von den Vertretern der freien Städte repräsentirte Bürgerthum. In allen Fragen gingen diese Bürger¬ meister mit der Reaction der Mehrheit gegen wirkliche Reformen, wie sie der Großherzog von Baden in unbequemster Stellung tapfer ausharrend in zahl¬ reichen Anträgen befürwortete. Weniger entschieden trat der Fürst von Waldeck auf, der ebenfalls zur Opposition hielt. Noch weniger liberal zeigten sich die Großherzoge von Oldenburg und von Weimar und der Herzog von Koburg. Die äußerste Rechte bildeten Mecklenburg-Schwerin und Hannover. Wir kommen zum Ende. „Ich stimme nicht," so motivirte der Großherzog von Baden sein Nein bei der Schlußabstimmung, „für Errichtung eines von einzelnen Directorial- Höfen zu instruirender Bundesdirectoriums. welches ohne die Schranke consti- tutioneller Verantwortlichkeit seine Befugnisse auszuüben hat. Ich stimme zweitens nicht für das principielle Aufgeben des in den realen Verhältnissen begründeten und in der bisherigen Bundespraxis beobachteten Grundsatzes, daß die beiden deutschen Großmächte ein vorgängiges EinVerständniß unter sich hergestellt haben müssen, bevor ein Bundesbeschluß in bestimmten, speciell zu bezeichnenden, wichtigsten Fragen gesaßt werden soll. Ich stimme drittens nicht für eine aus Delegirten zu bildende Volksvertretung, wenn auch befürwortet werden kann, von einer aus directen Volkswahlen zu bildenden Nationalrepräsentation östreichische Abge¬ ordnete deshalb nicht auszuschließen, wenn solche, den bestehenden Verhältnissen des Kaiserstaates entsprechend, nach dem Princip der Delegation gewählt wer¬ den. Ich stimme viertens nicht für die thatsächliche Vernichtung des Zustim¬ mungsrechts der Bundesabgeordneten bei Feststellung des Bundeshaushalts durch Beschränkung deren Bewilligungsrechts auf neue, den Voranschlag der vorhergehenden Periode verändernde Budgetpositionen. Ich stimme endlich nicht für Ausdehnung der Befugnisse des Directoriums auf das Recht und die Pflicht der Ueberwachung. daß der innere Friede Deutschlands nicht gestört werde." Der Großherzog sprach nicht blos für sich, nicht blos für Baden, er pro- 33*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/615>, abgerufen am 15.01.2025.