Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.erklärt, daß die Gesammtabstimmung das Verhältniß der einzelnen Stimm- Das hieß kräftig, jedenfalls deutlich und beinahe drohend gesprochen. In dem Satze, der mit "bis" beginnt, lag eine bedeutungsvolle Modi- erklärt, daß die Gesammtabstimmung das Verhältniß der einzelnen Stimm- Das hieß kräftig, jedenfalls deutlich und beinahe drohend gesprochen. In dem Satze, der mit „bis" beginnt, lag eine bedeutungsvolle Modi- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0614" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/284441"/> <p xml:id="ID_1781" prev="#ID_1780"> erklärt, daß die Gesammtabstimmung das Verhältniß der einzelnen Stimm-<lb/> führer zu den gefaßten Beschlüssen vollständig, also mit den gemachten Vor¬<lb/> behalten darstellen müsse und daß ein Verzicht auf diese Vorbehalte als zu<lb/> beengend für die Ueberzeugung der Einzelnen nicht gefordert werden dürfe.<lb/> Darauf der Kaiser sehr entschieden: die ganze Berathung werde ihren Zweck<lb/> verfehlt haben, wenn aus derselben nicht ein Werk hervorginge, welches die<lb/> Teilnehmer trotz einzelner ihnen nicht erwünschter Bestimmungen anzunehmen<lb/> entschlossen wären. Geschehe dies nicht, so brauchten die hier nicht vertretenen<lb/> Regierungen nur darauf hinzuweisen, daß die, welche sie zum Beitritt auffor¬<lb/> derten, ja selbst nicht willens wären, den Entwurf für sich anzunehmen. „In<lb/> irgendeinem Zeitpunkte," so fuhr der Redner fort, „müsse die Ausscheidung<lb/> derjenigen erfolgen, welche dem Entwürfe nur unter Bedingungen, die von<lb/> der großen Mehrheit abgelehnt seien, zuzustimmen gesonnen wären. Komme es<lb/> zu der anzuhoffenden Verständigung mit Preußen, so sei die Möglichkeit nicht<lb/> ausgeschlossen, daß auf einzelne Vorbehalte zurückgegriffen würde; nur müßten<lb/> natürlich die in der frankfurter Berathung ausgesprochenen Zustimmungen auch<lb/> für die Unterhandlungen mit Preußen bindend sein."</p><lb/> <p xml:id="ID_1782"> Das hieß kräftig, jedenfalls deutlich und beinahe drohend gesprochen.<lb/> Der beabsichtigte Erfolg aber wurde dadurch nicht erreicht. Auch der Herzog<lb/> von Koburg redete umsonst, wenn er sagte: Lassen wir die Specialvorbehalte<lb/> doch um des Ganzen willen fallen. Sie sind ja deshalb nicht verloren; denn<lb/> man wird sie in die Acten aufnehmen, und da werden sie die Einzelnen vor<lb/> ihrem Gewissen und allen, die es angeht, rechtfertigen. Mit der zehnten Sitzung<lb/> kam der entscheidende Augenblick. Der Kaiser stellte die Frage: „Nimmt die<lb/> Versammlung das Schlußresultat der Verhandlungen an?" Die Antwort von<lb/> 24 Regierungen war: Ja. Verneint wurde die Frage von Baden, Weimar,<lb/> Mecklenburg-Schwerin, Luxemburg. Waldeck und Reuß j. L. Der Kaiser fragte<lb/> dann weiter: „Hält die Versammlung sich solange an diese Beschlüsse gebunden,<lb/> bis die hier nicht vertretenen Bundesglieder den ihnen mitgetheilten Entwurf<lb/> entweder definitiv abgelehnt oder uns ihre Gegenvorschläge eröffnet haben?"<lb/> Antwort dieselben Ja und dieselben Nein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1783" next="#ID_1784"> In dem Satze, der mit „bis" beginnt, lag eine bedeutungsvolle Modi-<lb/> fication der Forderung Oestreichs. In der vorhergehenden Sitzung hatte der<lb/> Kaiser verlangt, die ausgesprochenen Zustimmungen müßten „natürlich" auch<lb/> für die Unterhandlungen mit Preußen bindend sein; jetzt sollten sie nur bis<lb/> zur Unterhandlung mit Preußen binden. Mit dieser Veränderung aber waren<lb/> die anfänglichen Absichten Oestreichs in den Brunnen gefallen, der Bund im<lb/> Bunde zu Wasser geworden, die Reformacte nichts mehr als etwa eine Vorarbeit,<lb/> als schätzbares oder, weil sie Fürstenarbeit, höchst schätzbares Material. Der<lb/> gute Bürgermeister von Bremen, der, als die Fürsten in der zehnten Sitzung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0614]
erklärt, daß die Gesammtabstimmung das Verhältniß der einzelnen Stimm-
führer zu den gefaßten Beschlüssen vollständig, also mit den gemachten Vor¬
behalten darstellen müsse und daß ein Verzicht auf diese Vorbehalte als zu
beengend für die Ueberzeugung der Einzelnen nicht gefordert werden dürfe.
Darauf der Kaiser sehr entschieden: die ganze Berathung werde ihren Zweck
verfehlt haben, wenn aus derselben nicht ein Werk hervorginge, welches die
Teilnehmer trotz einzelner ihnen nicht erwünschter Bestimmungen anzunehmen
entschlossen wären. Geschehe dies nicht, so brauchten die hier nicht vertretenen
Regierungen nur darauf hinzuweisen, daß die, welche sie zum Beitritt auffor¬
derten, ja selbst nicht willens wären, den Entwurf für sich anzunehmen. „In
irgendeinem Zeitpunkte," so fuhr der Redner fort, „müsse die Ausscheidung
derjenigen erfolgen, welche dem Entwürfe nur unter Bedingungen, die von
der großen Mehrheit abgelehnt seien, zuzustimmen gesonnen wären. Komme es
zu der anzuhoffenden Verständigung mit Preußen, so sei die Möglichkeit nicht
ausgeschlossen, daß auf einzelne Vorbehalte zurückgegriffen würde; nur müßten
natürlich die in der frankfurter Berathung ausgesprochenen Zustimmungen auch
für die Unterhandlungen mit Preußen bindend sein."
Das hieß kräftig, jedenfalls deutlich und beinahe drohend gesprochen.
Der beabsichtigte Erfolg aber wurde dadurch nicht erreicht. Auch der Herzog
von Koburg redete umsonst, wenn er sagte: Lassen wir die Specialvorbehalte
doch um des Ganzen willen fallen. Sie sind ja deshalb nicht verloren; denn
man wird sie in die Acten aufnehmen, und da werden sie die Einzelnen vor
ihrem Gewissen und allen, die es angeht, rechtfertigen. Mit der zehnten Sitzung
kam der entscheidende Augenblick. Der Kaiser stellte die Frage: „Nimmt die
Versammlung das Schlußresultat der Verhandlungen an?" Die Antwort von
24 Regierungen war: Ja. Verneint wurde die Frage von Baden, Weimar,
Mecklenburg-Schwerin, Luxemburg. Waldeck und Reuß j. L. Der Kaiser fragte
dann weiter: „Hält die Versammlung sich solange an diese Beschlüsse gebunden,
bis die hier nicht vertretenen Bundesglieder den ihnen mitgetheilten Entwurf
entweder definitiv abgelehnt oder uns ihre Gegenvorschläge eröffnet haben?"
Antwort dieselben Ja und dieselben Nein.
In dem Satze, der mit „bis" beginnt, lag eine bedeutungsvolle Modi-
fication der Forderung Oestreichs. In der vorhergehenden Sitzung hatte der
Kaiser verlangt, die ausgesprochenen Zustimmungen müßten „natürlich" auch
für die Unterhandlungen mit Preußen bindend sein; jetzt sollten sie nur bis
zur Unterhandlung mit Preußen binden. Mit dieser Veränderung aber waren
die anfänglichen Absichten Oestreichs in den Brunnen gefallen, der Bund im
Bunde zu Wasser geworden, die Reformacte nichts mehr als etwa eine Vorarbeit,
als schätzbares oder, weil sie Fürstenarbeit, höchst schätzbares Material. Der
gute Bürgermeister von Bremen, der, als die Fürsten in der zehnten Sitzung
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