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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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und Weimar alle für beschließende Befugniß, worauf der schweriner Herr wieder
erklärt, daß "dieser Punkt vorzugsweise zu denjenigen gehöre, von deren be¬
friedigender Erledigung" u. f. w. wie oben.

In derselben Sitzung will der König von Hannover den Artikel 23 dahin
verbessert haben, daß die Einladungen zu den Fürstenversammlungen der Re¬
formacte nicht von Preußen und Oestreich zugleich, sondern von dem letzteren
allein ausgehen sollen.

In der siebenten Sitzung bringt der Großherzog von Oldenburg die
Rede auf einen hannoverschen Antrag, der von unserm Protokollanten nur
ganz kurz mit den Worten bezeichnet ist: "Es wird versucht, die Trennung
der Konstitution des Bundes in 1) Grundvertrag und 2) Verfassung der Grund¬
gesetze zu motiviren", der aber nach dem oldenburgischen Amendement zu dem¬
selben dahin geht, die Aenderung der eigentlichen Verfassung des Bundes der
Bundesgesetzgebung zu entziehen und sie der einstimmigen Beschlußfassung der
Fürstenversammlung zu überweisen. Der Großherzog meint, daß ein Unter¬
schied zwischen Grundvertrag und Konstitution des deutschen Bundes "nicht
ohne sehr bedenkliche Consequenzen aufgestellt werden könne. Wie es sich
aber auch damit verhalte, jedenfalls dürfe dem Auslande kein Recht der Ein¬
sprache gegen die innere Verfassungsentwicklung Deutschlands in irgendeiner
Beziehung eingeräumt werden, und wenn allerdings die deutsche Bundesacte
(wie Hannover stark betont zu haben scheint) eine europäische Sanction erhalten
habe, so beziehe sich diese eben auch auf diejenigen Bestimmungen der Bundes¬
acte, in welchen das Recht freier Ausbildung und Abänderung im Innern
Deutschlands Ausdruck gefunden habe". Der König von Hannover, offenbar
unwillig über den hierin möglicherweise angedeuteten Zweifel an seinem deutschen
Patriotismus, dient darauf mit der, wie wir hoffen, alle Leser überzeugenden
Bemerkung*), er "glaube nicht besser darthun zu können, daß der Wille, jede
Einmischung des Auslandes in inner'e deutsche Angelegenheiten fern zu
halten schon angestaunt sei", als indem er "daran erinnere, daß es einst,
als Frankfurt zuerst von Bundestruppen besetzt worden sei, einen Souverän,
König Wilhelm den Vierten gegeben habe, welcher gesagt, daß Er, der König
von Hannover, es Sich Selbst, dem König von England, nicht erlauben würde,
gegen jene Maßregel Einwand zu erheben".

In der achten Sitzung, als der vom Bundesgericht und dessen Com-
petenz in Verfassungsconflicten handelnde Artikel des östreichischen Entwurfs
discutirt wurde, stellte der Kronprinz von Würtemberg den Antrag, daß der
Zusatz beigefügt werde: "Bei Beschwerden über Verletzungen, welche Gesetze
zum Gegenstand haben, die vor dem Jahre 1863 ergangen sind, findet vor-



^ Die Graf Bornes bei seiner bekannten Drohung freilich noch nicht wissen konnte.

und Weimar alle für beschließende Befugniß, worauf der schweriner Herr wieder
erklärt, daß „dieser Punkt vorzugsweise zu denjenigen gehöre, von deren be¬
friedigender Erledigung" u. f. w. wie oben.

In derselben Sitzung will der König von Hannover den Artikel 23 dahin
verbessert haben, daß die Einladungen zu den Fürstenversammlungen der Re¬
formacte nicht von Preußen und Oestreich zugleich, sondern von dem letzteren
allein ausgehen sollen.

In der siebenten Sitzung bringt der Großherzog von Oldenburg die
Rede auf einen hannoverschen Antrag, der von unserm Protokollanten nur
ganz kurz mit den Worten bezeichnet ist: „Es wird versucht, die Trennung
der Konstitution des Bundes in 1) Grundvertrag und 2) Verfassung der Grund¬
gesetze zu motiviren", der aber nach dem oldenburgischen Amendement zu dem¬
selben dahin geht, die Aenderung der eigentlichen Verfassung des Bundes der
Bundesgesetzgebung zu entziehen und sie der einstimmigen Beschlußfassung der
Fürstenversammlung zu überweisen. Der Großherzog meint, daß ein Unter¬
schied zwischen Grundvertrag und Konstitution des deutschen Bundes „nicht
ohne sehr bedenkliche Consequenzen aufgestellt werden könne. Wie es sich
aber auch damit verhalte, jedenfalls dürfe dem Auslande kein Recht der Ein¬
sprache gegen die innere Verfassungsentwicklung Deutschlands in irgendeiner
Beziehung eingeräumt werden, und wenn allerdings die deutsche Bundesacte
(wie Hannover stark betont zu haben scheint) eine europäische Sanction erhalten
habe, so beziehe sich diese eben auch auf diejenigen Bestimmungen der Bundes¬
acte, in welchen das Recht freier Ausbildung und Abänderung im Innern
Deutschlands Ausdruck gefunden habe". Der König von Hannover, offenbar
unwillig über den hierin möglicherweise angedeuteten Zweifel an seinem deutschen
Patriotismus, dient darauf mit der, wie wir hoffen, alle Leser überzeugenden
Bemerkung*), er „glaube nicht besser darthun zu können, daß der Wille, jede
Einmischung des Auslandes in inner'e deutsche Angelegenheiten fern zu
halten schon angestaunt sei", als indem er „daran erinnere, daß es einst,
als Frankfurt zuerst von Bundestruppen besetzt worden sei, einen Souverän,
König Wilhelm den Vierten gegeben habe, welcher gesagt, daß Er, der König
von Hannover, es Sich Selbst, dem König von England, nicht erlauben würde,
gegen jene Maßregel Einwand zu erheben".

In der achten Sitzung, als der vom Bundesgericht und dessen Com-
petenz in Verfassungsconflicten handelnde Artikel des östreichischen Entwurfs
discutirt wurde, stellte der Kronprinz von Würtemberg den Antrag, daß der
Zusatz beigefügt werde: „Bei Beschwerden über Verletzungen, welche Gesetze
zum Gegenstand haben, die vor dem Jahre 1863 ergangen sind, findet vor-



^ Die Graf Bornes bei seiner bekannten Drohung freilich noch nicht wissen konnte.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/612>, abgerufen am 15.01.2025.