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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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verweilen und sich der dargebrachten Opfer erfreuen, bei dem verhärteten, eigen¬
süchtigen Menschen dagegen auch mit priesterlicher Härte den Ertrag zehnten
und Mangel bereiten." Davon zum Beschlusse noch zwei Proben.

Ein Bauer in Birchwyl hatte aus dem Kornzclg der Gemeinde eben seine
Ernte begonnen, als ein Gewitter herannahte. Rasch wollte er das bereits ge¬
schnittene Getreide in Garben binden und heimführen lassen; aber ein altes Weib,
angeblich aus Schwaben herübergekommen, das bei ihm als Schnitterin diente,'
versicherte, daß seinem Getreide kein Schaden drohe. Der Bauer ließ hierauf
das Getreide liegen und ging mit seinem Geschnitte zum Mittagessen, während
die Nachbarn ihr Korn so schnell als möglich heimzuschaffen bemüht waren.
Die Wolken entleerten sich; und als Nachmittags die Schnitter wieder auf das
Feld zogen, war kein einziger Strohhalm auf dem Felde des Bauers naß,
während auf den übrigen Feldern das Gewitter bedenkliche Spuren zurückge¬
lassen hatte. Das Weib aber, das dem Bauer den Rath ertheilt hatte, war
verschwunden, und Niemand sah es wieder. -- In Werikon hatten die Schnitter
eines Gehöftes eben ihr Abendessen vor sich, welches in einer gewaltigen "Nidel¬
dünne" (Rahmkuchen) bestand. Da trat eine alte Frau zu den Essenden und
bat um ein Stück Dünne. Aber der maßlose Appetit der Essenden versagte
ihr die Bitte. Packt Euch! sagten sie, wir haben nichts Voriges (Uebriges)
für Euch. Auf einmal verschwand nun das Weib, man wußte nicht wie; und
halb zagend begaben sich hernach die Schnitter wieder an ihre Arbeit. Kaum
war aber eine Stunde verflossen, so kam ein gewaltiger Wirbelwind und wüthete
dergestalt auf dem Felde, daß nicht ein einziges Hälmchen darauf übrigblieb.
Der Unfall wurde dem Rachegeist zugeschrieben und diente zur guten Lehre für
den Bauer, welcher von da an wenigstens während der Ernte mildthätiger
gegen die Armen wurde.


Otto Sutermeister.


Literatur.

Der Herr der Inseln von Walter Scott. Uebersetzt von W. Hertzberg.
Bremen, Verlag von A. D. Geister. 1864.

Unter den metrischen Dichtungen Scotts diejenige, welche den Charakter des
Epos am strengsten festhält, hat der "Herr der Inseln" gleichwohl noch keinen
deutschen Ucversctzcr gefunden, der seinem Werthe gerecht geworden wäre. Die vor¬
liegende Uebertragung füllt diese Lücke in recht ansprechender Weise an", und wir
hoffen, daß das deutsche Publikum, welchem das Original nicht zugänglich ist,
davon gebührend Act nehmen wird.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. S. Heri'ig, -- Druck von C. E. Elbert in Leivzi.,.

verweilen und sich der dargebrachten Opfer erfreuen, bei dem verhärteten, eigen¬
süchtigen Menschen dagegen auch mit priesterlicher Härte den Ertrag zehnten
und Mangel bereiten." Davon zum Beschlusse noch zwei Proben.

Ein Bauer in Birchwyl hatte aus dem Kornzclg der Gemeinde eben seine
Ernte begonnen, als ein Gewitter herannahte. Rasch wollte er das bereits ge¬
schnittene Getreide in Garben binden und heimführen lassen; aber ein altes Weib,
angeblich aus Schwaben herübergekommen, das bei ihm als Schnitterin diente,'
versicherte, daß seinem Getreide kein Schaden drohe. Der Bauer ließ hierauf
das Getreide liegen und ging mit seinem Geschnitte zum Mittagessen, während
die Nachbarn ihr Korn so schnell als möglich heimzuschaffen bemüht waren.
Die Wolken entleerten sich; und als Nachmittags die Schnitter wieder auf das
Feld zogen, war kein einziger Strohhalm auf dem Felde des Bauers naß,
während auf den übrigen Feldern das Gewitter bedenkliche Spuren zurückge¬
lassen hatte. Das Weib aber, das dem Bauer den Rath ertheilt hatte, war
verschwunden, und Niemand sah es wieder. — In Werikon hatten die Schnitter
eines Gehöftes eben ihr Abendessen vor sich, welches in einer gewaltigen „Nidel¬
dünne" (Rahmkuchen) bestand. Da trat eine alte Frau zu den Essenden und
bat um ein Stück Dünne. Aber der maßlose Appetit der Essenden versagte
ihr die Bitte. Packt Euch! sagten sie, wir haben nichts Voriges (Uebriges)
für Euch. Auf einmal verschwand nun das Weib, man wußte nicht wie; und
halb zagend begaben sich hernach die Schnitter wieder an ihre Arbeit. Kaum
war aber eine Stunde verflossen, so kam ein gewaltiger Wirbelwind und wüthete
dergestalt auf dem Felde, daß nicht ein einziges Hälmchen darauf übrigblieb.
Der Unfall wurde dem Rachegeist zugeschrieben und diente zur guten Lehre für
den Bauer, welcher von da an wenigstens während der Ernte mildthätiger
gegen die Armen wurde.


Otto Sutermeister.


Literatur.

Der Herr der Inseln von Walter Scott. Uebersetzt von W. Hertzberg.
Bremen, Verlag von A. D. Geister. 1864.

Unter den metrischen Dichtungen Scotts diejenige, welche den Charakter des
Epos am strengsten festhält, hat der „Herr der Inseln" gleichwohl noch keinen
deutschen Ucversctzcr gefunden, der seinem Werthe gerecht geworden wäre. Die vor¬
liegende Uebertragung füllt diese Lücke in recht ansprechender Weise an«, und wir
hoffen, daß das deutsche Publikum, welchem das Original nicht zugänglich ist,
davon gebührend Act nehmen wird.




Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch.
Verlag von F. S. Heri'ig, — Druck von C. E. Elbert in Leivzi.,.
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[0592] verweilen und sich der dargebrachten Opfer erfreuen, bei dem verhärteten, eigen¬ süchtigen Menschen dagegen auch mit priesterlicher Härte den Ertrag zehnten und Mangel bereiten." Davon zum Beschlusse noch zwei Proben. Ein Bauer in Birchwyl hatte aus dem Kornzclg der Gemeinde eben seine Ernte begonnen, als ein Gewitter herannahte. Rasch wollte er das bereits ge¬ schnittene Getreide in Garben binden und heimführen lassen; aber ein altes Weib, angeblich aus Schwaben herübergekommen, das bei ihm als Schnitterin diente,' versicherte, daß seinem Getreide kein Schaden drohe. Der Bauer ließ hierauf das Getreide liegen und ging mit seinem Geschnitte zum Mittagessen, während die Nachbarn ihr Korn so schnell als möglich heimzuschaffen bemüht waren. Die Wolken entleerten sich; und als Nachmittags die Schnitter wieder auf das Feld zogen, war kein einziger Strohhalm auf dem Felde des Bauers naß, während auf den übrigen Feldern das Gewitter bedenkliche Spuren zurückge¬ lassen hatte. Das Weib aber, das dem Bauer den Rath ertheilt hatte, war verschwunden, und Niemand sah es wieder. — In Werikon hatten die Schnitter eines Gehöftes eben ihr Abendessen vor sich, welches in einer gewaltigen „Nidel¬ dünne" (Rahmkuchen) bestand. Da trat eine alte Frau zu den Essenden und bat um ein Stück Dünne. Aber der maßlose Appetit der Essenden versagte ihr die Bitte. Packt Euch! sagten sie, wir haben nichts Voriges (Uebriges) für Euch. Auf einmal verschwand nun das Weib, man wußte nicht wie; und halb zagend begaben sich hernach die Schnitter wieder an ihre Arbeit. Kaum war aber eine Stunde verflossen, so kam ein gewaltiger Wirbelwind und wüthete dergestalt auf dem Felde, daß nicht ein einziges Hälmchen darauf übrigblieb. Der Unfall wurde dem Rachegeist zugeschrieben und diente zur guten Lehre für den Bauer, welcher von da an wenigstens während der Ernte mildthätiger gegen die Armen wurde. Otto Sutermeister. Literatur. Der Herr der Inseln von Walter Scott. Uebersetzt von W. Hertzberg. Bremen, Verlag von A. D. Geister. 1864. Unter den metrischen Dichtungen Scotts diejenige, welche den Charakter des Epos am strengsten festhält, hat der „Herr der Inseln" gleichwohl noch keinen deutschen Ucversctzcr gefunden, der seinem Werthe gerecht geworden wäre. Die vor¬ liegende Uebertragung füllt diese Lücke in recht ansprechender Weise an«, und wir hoffen, daß das deutsche Publikum, welchem das Original nicht zugänglich ist, davon gebührend Act nehmen wird. Verantwortlicher Redacteur: Dr. Moritz Busch. Verlag von F. S. Heri'ig, — Druck von C. E. Elbert in Leivzi.,.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/592>, abgerufen am 15.01.2025.