Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.Rhythmus und Humor zu erhalten, wird ihm der appetitliche Sechsdreschertatt Rhythmus und Humor zu erhalten, wird ihm der appetitliche Sechsdreschertatt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0590" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283943"/> <p xml:id="ID_1703" prev="#ID_1702" next="#ID_1704"> Rhythmus und Humor zu erhalten, wird ihm der appetitliche Sechsdreschertatt<lb/> — Sechscz oder Sechsete genannt — vorgesprochen: „Gute feiße Suppe! Speck<lb/> und Oepfelstückli (gekochte Aepfel)!" oder der Achtdreschertakt: „Räbcpappe!<lb/> Räbepappe!" (Nübenbrei). Wenn er sich aber trotzdem ungeschickt benimmt,<lb/> so wird er die Zielscheibe aller erdenklichen Neckerei; er muß sich neben den¬<lb/> jenigen stellen, der an den lustigsten Einfällen nie auskommt; er wird zum<lb/> Spott nach der „Schaubscheer" oder dem „Windfaß" ausgeschickt; oder es geht<lb/> ihm schlimmer: er wird „gecselt". Zweie geben sich ein Zeichen; plötzlich steckt<lb/> ihm der Eine den Flegelstiel zwischen den Beinen durch, und er wird unversehens<lb/> in die Höhe gehoben, so daß er schwebend ohne Rath und Hilfe dem Gelächter<lb/> preisgegeben ist. Beim Auflösen der Garben wird besonders eingeschärft, daß<lb/> die Weide, mit welcher sie gebunden, wirklich ausgelöst und nicht blos abgestreift<lb/> werde; dem Zuwiderhandelnden wird in Aussicht gestellt, daß ihm ein „Höger"<lb/> (Höcker) oder ein Kropf wachsen werde. Eine alle Dreschcrregel ist, daß in der<lb/> Scheune nicht gepfiffen werden darf; wer es hierin versieht, hat den Uebrigen<lb/> einen Trunk zu bezahlen. Vorübergehende zwingt man oft, wenigstens einen<lb/> Drasch mitzudreschen. Beim Ausdrusch der letzten Garbe suchen die Drescher<lb/> die Bäuerin „in die Flegel zu nehmen", d. h. mit ihren Flegeln einzuschließen.<lb/> Gelingt es ihnen, so hat sie für jeden Drescher eine Maß Wein auf die Tenne<lb/> zu bringen; oft sucht sie sich deswegen, um diesem Opfer zu entgehen, heimlich<lb/> auf die Seite zu stehlen und wird alsdann mit der größten Beharrlichkeit<lb/> wieder hervorgesucht. Wer den letzten Dnschclschlag thut, heißt auch hier<lb/> „Dreschermuchel" oder „Flegelesel"; er hat nach dem Schlußschmaus, der sog.<lb/> „Flegelrecki", die Uebrigen gewöhnlich für einige Zeit zechfrei zu halten; und<lb/> was das heißen will, davon redet derb genug das Sprichwort- „En Dröscher,<lb/> en Wöscher und en Hund — möget alle Stund" (haben immer Appetit); oder<lb/> er wird in Stroh gewickelt und den Vögeln zur Scheu an einen Baum des<lb/> Baumgartens gebunden. Wird das Stroh gebunden, so machen sich die Drescher<lb/> überdies noch bisweilen den Spaß, eine Person — gewöhnlich ist es die Tochter<lb/> des Hauses — ins Stroh einzubinden. Hat sich derjenige, welcher den ersten<lb/> Strohbund macht, „noch nicht verändert", d. h. ist er noch unverheiratet, so<lb/> wird aus der regelrechten oder der zerzausten Form des Gcbundcs geschlossen,<lb/> ob seine Zukünftige eine „ordentliche" oder aber „unordentliche" Frau — eine<lb/> Halses — sein werde. Von dem letzten Drasch endlich fertigt der Schnitter-<lb/> muchel eine Kornpuppe an, den sog. „Strauböögg", in Gestalt und Größe eines<lb/> Mannes; sie wird in den Hof gestellt und in Gegenwart sämmtlicher Arbeiter,<lb/> die einen Ring bilden, verbrannt. Das erste Zeichen zum Beschluß der Arbeit<lb/> wird indessen mit dem Arbeitszeug selbst gegeben. Ein Schlag, den sämmtliche<lb/> Drescher zumal auf die Tenne ausführen, verkündigt dem Bauer, daß er den<lb/> Schlußtrunk zu leisten hat. Bisweilen wird statt.dessen ein Blutbann vor die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0590]
Rhythmus und Humor zu erhalten, wird ihm der appetitliche Sechsdreschertatt
— Sechscz oder Sechsete genannt — vorgesprochen: „Gute feiße Suppe! Speck
und Oepfelstückli (gekochte Aepfel)!" oder der Achtdreschertakt: „Räbcpappe!
Räbepappe!" (Nübenbrei). Wenn er sich aber trotzdem ungeschickt benimmt,
so wird er die Zielscheibe aller erdenklichen Neckerei; er muß sich neben den¬
jenigen stellen, der an den lustigsten Einfällen nie auskommt; er wird zum
Spott nach der „Schaubscheer" oder dem „Windfaß" ausgeschickt; oder es geht
ihm schlimmer: er wird „gecselt". Zweie geben sich ein Zeichen; plötzlich steckt
ihm der Eine den Flegelstiel zwischen den Beinen durch, und er wird unversehens
in die Höhe gehoben, so daß er schwebend ohne Rath und Hilfe dem Gelächter
preisgegeben ist. Beim Auflösen der Garben wird besonders eingeschärft, daß
die Weide, mit welcher sie gebunden, wirklich ausgelöst und nicht blos abgestreift
werde; dem Zuwiderhandelnden wird in Aussicht gestellt, daß ihm ein „Höger"
(Höcker) oder ein Kropf wachsen werde. Eine alle Dreschcrregel ist, daß in der
Scheune nicht gepfiffen werden darf; wer es hierin versieht, hat den Uebrigen
einen Trunk zu bezahlen. Vorübergehende zwingt man oft, wenigstens einen
Drasch mitzudreschen. Beim Ausdrusch der letzten Garbe suchen die Drescher
die Bäuerin „in die Flegel zu nehmen", d. h. mit ihren Flegeln einzuschließen.
Gelingt es ihnen, so hat sie für jeden Drescher eine Maß Wein auf die Tenne
zu bringen; oft sucht sie sich deswegen, um diesem Opfer zu entgehen, heimlich
auf die Seite zu stehlen und wird alsdann mit der größten Beharrlichkeit
wieder hervorgesucht. Wer den letzten Dnschclschlag thut, heißt auch hier
„Dreschermuchel" oder „Flegelesel"; er hat nach dem Schlußschmaus, der sog.
„Flegelrecki", die Uebrigen gewöhnlich für einige Zeit zechfrei zu halten; und
was das heißen will, davon redet derb genug das Sprichwort- „En Dröscher,
en Wöscher und en Hund — möget alle Stund" (haben immer Appetit); oder
er wird in Stroh gewickelt und den Vögeln zur Scheu an einen Baum des
Baumgartens gebunden. Wird das Stroh gebunden, so machen sich die Drescher
überdies noch bisweilen den Spaß, eine Person — gewöhnlich ist es die Tochter
des Hauses — ins Stroh einzubinden. Hat sich derjenige, welcher den ersten
Strohbund macht, „noch nicht verändert", d. h. ist er noch unverheiratet, so
wird aus der regelrechten oder der zerzausten Form des Gcbundcs geschlossen,
ob seine Zukünftige eine „ordentliche" oder aber „unordentliche" Frau — eine
Halses — sein werde. Von dem letzten Drasch endlich fertigt der Schnitter-
muchel eine Kornpuppe an, den sog. „Strauböögg", in Gestalt und Größe eines
Mannes; sie wird in den Hof gestellt und in Gegenwart sämmtlicher Arbeiter,
die einen Ring bilden, verbrannt. Das erste Zeichen zum Beschluß der Arbeit
wird indessen mit dem Arbeitszeug selbst gegeben. Ein Schlag, den sämmtliche
Drescher zumal auf die Tenne ausführen, verkündigt dem Bauer, daß er den
Schlußtrunk zu leisten hat. Bisweilen wird statt.dessen ein Blutbann vor die
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