Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.hälfe? -- Ick? antwortete nicht, weil ich zu allem unfähig war, und war end¬ Auf dem Hofe des Gefängnisses wurden wir von den Stricken befreit, Wir vier, Graf Tyskiewicz. der östreichische Actuar, der polnische Koch So waren wir denn den Händen der Bauern entronnen, und ich kann hälfe? — Ick? antwortete nicht, weil ich zu allem unfähig war, und war end¬ Auf dem Hofe des Gefängnisses wurden wir von den Stricken befreit, Wir vier, Graf Tyskiewicz. der östreichische Actuar, der polnische Koch So waren wir denn den Händen der Bauern entronnen, und ich kann <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0058" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283411"/> <p xml:id="ID_141" prev="#ID_140"> hälfe? — Ick? antwortete nicht, weil ich zu allem unfähig war, und war end¬<lb/> lich froh, als sich die Thür, hinter der man sonst Rauher und Mörder ver¬<lb/> schließt, auch hinter mir schloß.</p><lb/> <p xml:id="ID_142"> Auf dem Hofe des Gefängnisses wurden wir von den Stricken befreit,<lb/> aber meine Arme waren so geschwollen, daß ich sie anfangs gar nicht, und<lb/> später nur mit großen Schmerzen wieder in ihre natürlich Lage zurückbrachte.<lb/> Trotz alledem muß ich heute lachen, wenn ich daran denke, wie mir zwischen<lb/> den himmelhohen Mauern, als ich in einem Winkel ein Bedürfniß befriedigte,<lb/> der dort Wache stehende Infanterist sein Bajonnet vor den Leib hielt.</p><lb/> <p xml:id="ID_143"> Wir vier, Graf Tyskiewicz. der östreichische Actuar, der polnische Koch<lb/> und ich, der preußische Kaufmann, wurden nun vor eine Zelle geführt, an<lb/> deren Thür mit großen Ziffern Ur. Is geschrieben stand. Der Schließer öffnete<lb/> und holte einen an Händen und Füßen geketteten, mit einem Schuppenpelz<lb/> bekleideten Mann hervor, der, wie wir, in diesem Aufstande dorthin eingebracht<lb/> war, und nun diese geräumigere Zelle mit einer engern vertauschte, um uns<lb/> Vieren Platz zu machen. Eine einzige Pritsche stand darin; ich warf meinen<lb/> Pelz darauf, den mir bei der Abfahrt von Werynia eine mitleidige Seele<lb/> (wahrscheinlich ein deutscher Pächter Namens Binder, der sich erst kurz vor<lb/> unserer Abfahrt eingestellt) um die Schultern gehängt hatte, und ich legte mich<lb/> hin. Die drei Andern ließen sich das gefallen, obgleich sie sich nun an die<lb/> Erde legen mußten. Ohne irgend weiter für uns zu sorgen, gingen daraus die<lb/> Kerkermeister ab und schlössen uns ein.</p><lb/> <p xml:id="ID_144" next="#ID_145"> So waren wir denn den Händen der Bauern entronnen, und ich kann<lb/> nicht sagen, wie dankbar ich meinem Schöpfer war. der mein Leben unter so<lb/> schrecklichen Leiden erhalten hatte. Daß man uns in das Criminalgesängniß<lb/> geworfen hatte und wie die gemeinsten Verbrecher behandelte, war mir, der<lb/> vor Schmerzen an allen Gliedern kaum eines Gedankens fähig war — denn<lb/> jetzt in der Ruhe und außer Lebensgefahr fingen die Wunden, Striemen und<lb/> Beulen viel mehr an zu schmerzen, als während der frühern Aufregung —<lb/> eigentlich gleichgiltig; desto mehr tobten meine Gefährten, die den General<lb/> verwünschten und die Schale ihrer Wuth über das Schließerpersonal aus¬<lb/> schütteten. Allmälig wurde es unterdessen Morgen, wo sich denn die Thür<lb/> öffnete und mehre Beamte zu unserer „Revision" eintraten. Einer nach dem<lb/> andern wurden wir entkleidet und unsere Kleider nach verbotenen Gegenständen<lb/> durchsucht, wie man Spitzbuben bei ihrem Eintritt ins Zuchthaus untersucht.<lb/> Entweder waren die Beamten so bornirt, daß sie zwischen uns und dem ge¬<lb/> wöhnlichen Gelichter nicht zu unterscheiden wußten, oder die Bauern hatten uns<lb/> für Insurgenten, Räuber oder Mörder ausgegeben, und man hatte diesem Ge¬<lb/> sinde! unbedingt geglaubt, ohne uns auch nur im entferntesten über die uns<lb/> ur Last gelegten Verbrechen zu befragen. Als nun beim Entkleiden mein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0058]
hälfe? — Ick? antwortete nicht, weil ich zu allem unfähig war, und war end¬
lich froh, als sich die Thür, hinter der man sonst Rauher und Mörder ver¬
schließt, auch hinter mir schloß.
Auf dem Hofe des Gefängnisses wurden wir von den Stricken befreit,
aber meine Arme waren so geschwollen, daß ich sie anfangs gar nicht, und
später nur mit großen Schmerzen wieder in ihre natürlich Lage zurückbrachte.
Trotz alledem muß ich heute lachen, wenn ich daran denke, wie mir zwischen
den himmelhohen Mauern, als ich in einem Winkel ein Bedürfniß befriedigte,
der dort Wache stehende Infanterist sein Bajonnet vor den Leib hielt.
Wir vier, Graf Tyskiewicz. der östreichische Actuar, der polnische Koch
und ich, der preußische Kaufmann, wurden nun vor eine Zelle geführt, an
deren Thür mit großen Ziffern Ur. Is geschrieben stand. Der Schließer öffnete
und holte einen an Händen und Füßen geketteten, mit einem Schuppenpelz
bekleideten Mann hervor, der, wie wir, in diesem Aufstande dorthin eingebracht
war, und nun diese geräumigere Zelle mit einer engern vertauschte, um uns
Vieren Platz zu machen. Eine einzige Pritsche stand darin; ich warf meinen
Pelz darauf, den mir bei der Abfahrt von Werynia eine mitleidige Seele
(wahrscheinlich ein deutscher Pächter Namens Binder, der sich erst kurz vor
unserer Abfahrt eingestellt) um die Schultern gehängt hatte, und ich legte mich
hin. Die drei Andern ließen sich das gefallen, obgleich sie sich nun an die
Erde legen mußten. Ohne irgend weiter für uns zu sorgen, gingen daraus die
Kerkermeister ab und schlössen uns ein.
So waren wir denn den Händen der Bauern entronnen, und ich kann
nicht sagen, wie dankbar ich meinem Schöpfer war. der mein Leben unter so
schrecklichen Leiden erhalten hatte. Daß man uns in das Criminalgesängniß
geworfen hatte und wie die gemeinsten Verbrecher behandelte, war mir, der
vor Schmerzen an allen Gliedern kaum eines Gedankens fähig war — denn
jetzt in der Ruhe und außer Lebensgefahr fingen die Wunden, Striemen und
Beulen viel mehr an zu schmerzen, als während der frühern Aufregung —
eigentlich gleichgiltig; desto mehr tobten meine Gefährten, die den General
verwünschten und die Schale ihrer Wuth über das Schließerpersonal aus¬
schütteten. Allmälig wurde es unterdessen Morgen, wo sich denn die Thür
öffnete und mehre Beamte zu unserer „Revision" eintraten. Einer nach dem
andern wurden wir entkleidet und unsere Kleider nach verbotenen Gegenständen
durchsucht, wie man Spitzbuben bei ihrem Eintritt ins Zuchthaus untersucht.
Entweder waren die Beamten so bornirt, daß sie zwischen uns und dem ge¬
wöhnlichen Gelichter nicht zu unterscheiden wußten, oder die Bauern hatten uns
für Insurgenten, Räuber oder Mörder ausgegeben, und man hatte diesem Ge¬
sinde! unbedingt geglaubt, ohne uns auch nur im entferntesten über die uns
ur Last gelegten Verbrechen zu befragen. Als nun beim Entkleiden mein
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |