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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Da wurde angehalten und alle Bauern, bis auf zwei, die als Wache zurück¬
blieben, gingen hinein, betranken sich von Neuem und wurden, da sie mit
andern Bauern, die dort gerade versammelt waren, Händel anfingen, von diesen
zur Thür hinausgeworfen. Dieses Intermezzo dauerte jedoch wohl IV2 Stunden,
wenigstens dünkte uns draußen in zum Theil mangelhafter Kleidung bei der
nächtlichen Kälte die Zeit entsetzlich lang. Endlich ging der Zug weiter, und
wir kamen in einen Wald, wo der Schnee so tief lag, daß die Pferde Mühe
hatten uns weiterzuschleppen- Die Bauern verloren darüber die Geduld und
hielten still. Aber wer beschreibt unser Entsetzen, als sie ernsthaft darüber zu
delibenren anfingen, ob sie uns sämmtlich nicht lieber an den Bäumen auf¬
hängen sollten, statt den Weg nach Rzeszow weiter zu fahren. Aufgehängt
oder todtgeschossen würden wir als Verräther ohnehin, es wäre unnütz, sich
weiter zu bemühen. Die meisten Bauern stimmten diesem Vorschlage bei, und
schon sah man sich nach den passendsten Bäumen um, die wir zieren sollten, als
es den Vernünftigem und namentlich dem alten Will, der zum Glück mit
unter der Deputation war oder sich aus Menschlichkeit dem Zuge angeschlossen
hatte, gelang, dieses Vorhaben den Andern auszureden, so den drohenden Tod
von uns abzuwenden und den Zug nach Rzeszow wieder in Bewegung zu
setzen.

Als wir uns dieser Kreisstadt bei noch dunkler Nacht, aber doch gegen
Morgen näherten, trafen wir auf ein Piquet Kuirassiere. die uns in Empfang
nahmen, worauf die meisten Bauern in dem einen der drei Schlitten schnür,
stracks nach Hause umkehrten, und nur wenige bei uns blieben.

Wir fuhren vor dem Kreisamt vor, und alsbald zeigte sich der Kreishaupt¬
mann Lederer, dem die Gräfin, die tapfer bei ihrem Gemahl ausgehalten hatte,
weinend die Angst erzählte, die sie um sich, ihren Mann, ihren Sohn aus¬
gestanden, und auch unser Schicksal ans Herz legte. Der Beamte zeigte sich
menschlich und befahl, uns sämmtlich in ein Hotel zu transportiren, wo wir,
wenn auch unter Bewachung, gut aufgehoben gewesen wären, wenn nicht in
demselben Augenblick ein Befehl vom General Legedicz, der in der Stadt
commandirte, angekommen wäre, der uns in das Criminalgefängniß verwies!
Zunächst ging an mir, der vor Schmerzen, Blutverlust, Hunger und Kälte
halbtodt war, dieser Befehl eindruckslos vorüber -- gleichgiltig wo, wenn ich
nur überhaupt zur Ruhe kam. Auf dem Wege zum Kerker überhäuften die
escortirenden Soldaten, die über den ewigen Wacht- und Nachtdienst unwillig
waren, uns alle mit den gröbsten Schimpfwörtern, drohten uns aufzuhängen,
die Kugel durch den Kopf zu jagen und was dergleichen Liebenswürdigkeiten
mehr waren. Es waren Böhmen, die uns mit unserer vermeintlichen Empörung,
an der ich wenigstens so unschuldig war, wie ein neugebornes Kind, .höhnten.
Einer, der neben mir ging, fragte noch spöttisch: was nun unser Gräfchen uns


Grenjboten III. 18SS. 7

Da wurde angehalten und alle Bauern, bis auf zwei, die als Wache zurück¬
blieben, gingen hinein, betranken sich von Neuem und wurden, da sie mit
andern Bauern, die dort gerade versammelt waren, Händel anfingen, von diesen
zur Thür hinausgeworfen. Dieses Intermezzo dauerte jedoch wohl IV2 Stunden,
wenigstens dünkte uns draußen in zum Theil mangelhafter Kleidung bei der
nächtlichen Kälte die Zeit entsetzlich lang. Endlich ging der Zug weiter, und
wir kamen in einen Wald, wo der Schnee so tief lag, daß die Pferde Mühe
hatten uns weiterzuschleppen- Die Bauern verloren darüber die Geduld und
hielten still. Aber wer beschreibt unser Entsetzen, als sie ernsthaft darüber zu
delibenren anfingen, ob sie uns sämmtlich nicht lieber an den Bäumen auf¬
hängen sollten, statt den Weg nach Rzeszow weiter zu fahren. Aufgehängt
oder todtgeschossen würden wir als Verräther ohnehin, es wäre unnütz, sich
weiter zu bemühen. Die meisten Bauern stimmten diesem Vorschlage bei, und
schon sah man sich nach den passendsten Bäumen um, die wir zieren sollten, als
es den Vernünftigem und namentlich dem alten Will, der zum Glück mit
unter der Deputation war oder sich aus Menschlichkeit dem Zuge angeschlossen
hatte, gelang, dieses Vorhaben den Andern auszureden, so den drohenden Tod
von uns abzuwenden und den Zug nach Rzeszow wieder in Bewegung zu
setzen.

Als wir uns dieser Kreisstadt bei noch dunkler Nacht, aber doch gegen
Morgen näherten, trafen wir auf ein Piquet Kuirassiere. die uns in Empfang
nahmen, worauf die meisten Bauern in dem einen der drei Schlitten schnür,
stracks nach Hause umkehrten, und nur wenige bei uns blieben.

Wir fuhren vor dem Kreisamt vor, und alsbald zeigte sich der Kreishaupt¬
mann Lederer, dem die Gräfin, die tapfer bei ihrem Gemahl ausgehalten hatte,
weinend die Angst erzählte, die sie um sich, ihren Mann, ihren Sohn aus¬
gestanden, und auch unser Schicksal ans Herz legte. Der Beamte zeigte sich
menschlich und befahl, uns sämmtlich in ein Hotel zu transportiren, wo wir,
wenn auch unter Bewachung, gut aufgehoben gewesen wären, wenn nicht in
demselben Augenblick ein Befehl vom General Legedicz, der in der Stadt
commandirte, angekommen wäre, der uns in das Criminalgefängniß verwies!
Zunächst ging an mir, der vor Schmerzen, Blutverlust, Hunger und Kälte
halbtodt war, dieser Befehl eindruckslos vorüber — gleichgiltig wo, wenn ich
nur überhaupt zur Ruhe kam. Auf dem Wege zum Kerker überhäuften die
escortirenden Soldaten, die über den ewigen Wacht- und Nachtdienst unwillig
waren, uns alle mit den gröbsten Schimpfwörtern, drohten uns aufzuhängen,
die Kugel durch den Kopf zu jagen und was dergleichen Liebenswürdigkeiten
mehr waren. Es waren Böhmen, die uns mit unserer vermeintlichen Empörung,
an der ich wenigstens so unschuldig war, wie ein neugebornes Kind, .höhnten.
Einer, der neben mir ging, fragte noch spöttisch: was nun unser Gräfchen uns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/57>, abgerufen am 15.01.2025.