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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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würde etwas in den Zeitungen zu lesen, was ihr eine wahre Freude machen
würde. --

Wollin, 27. Septbr. 1807. -- Sollte ein Mann von meiner Compagnie,
Namens Stoll, der gefangen war, nach Hause kommen, möchten sie ihn ja recht
gut behandeln, indem er sich sehr edel gegen seine Kameraden benommen hat.
Auch gieb mir doch in Deinem nächsten Briefe Nachricht, wie es mit dem Lorenz
ist gehalten worden. Treffe ich diesen Schurken in Meiningen an, so geht es
nicht gut, denn er ist mir in einem Zeitpunkt desertirt, wo kein ehrlicher Kerl
davonläuft und hat von mir sehr viel Gutes genossen wie sast keiner vom
ganzen Contingent.

Wollin, 28. Octbr. 1807. -- Es ist die höchste Zeit. daß wir dies Land
verlassen, es ist fürchterlich, wie groß die Noth und der Jammer gestiegen ist,
sie können uns nicht mehr ernähren, denn sie sind selber blutarm. -- Wie groß
die Contributionen sind, und wie ehemals hier Wohlstand herrschte, kannst Du
daraus abnehmen, daß in Stettin unter andern 2 Kaufleute sind, wovon der
Eine 120,000 Thlr. -- der Andere 80,000 Thlr. zu erlegen haben. --

Wollin, 8. Rohr. 1807. -- Es ist die höchste Zeit für uns und die ganze
hiesige Gegend, diese ist völlig aufgezehrt und der Jammer unbeschreiblich,
mit der größten Noth treiben wir noch mit Gewalt magere Kühe und etwas
Korn zusammen, um den Soldaten zu verpflegen, ohngeachtet dieser dock) nur
die halbe Portion seiner Verpflegung bekommt; und auch auf diese muß er
manchmal wochenlang Verzicht thun, an ein Glas Vier, Branntwein oder eine
Pfeife Tabak ist bei Vielen gar nicht zu denken. Wo sollte es auch herkommen?
verdienen kann so ein armer Teufel nichts, von 13 Pfennigen, die er den Tag
hat, geht ihm alles für Putzzeug. Wäsche, Schuhschmiere u. dergl. auf. Für
meine Person bin ich noch immer recht gesund und liege noch immer in meinem
alten Quartier, wo es mir zwar recht wohl geht, aber durch die Länge der
Zeit falle ich doch diesen braven Leuten zur Last, denn eine jede Einquartirung,
man mache es wie man wollt, ist mit Kosten verknüpft, und die ewigen Klagen
über die harte Bedrückung des Landes, über die übermäßige Kontribution,
starke Lieferungen u. s. w. (welche Klagen man hier gewiß jedermann verzeihen
kann) machen einen oft sehr mißmüthig und traurig. Mit dem besten Willen
kann man nicht helfen und diese ewigen Klagelieder und Seufzer hören nicht
auf, zwar machen es die Franzosen auf dem Lande umher mit Erpressungen
sehr bunt, aber der Hauptumstand bleibt immer die große Armuth der hie¬
sigen Gegend, die dann nur nahrhaft ist, wenn Schiffahrt und Handlung frei
sind. --

Leipzig, 28. Novbr. 1807. -- Gestern, meine Theuerste, sind wir hier ein¬
gerückt. -- Unsere Märsche sind fürchterlich stark gewesen, vier Meilen de"


würde etwas in den Zeitungen zu lesen, was ihr eine wahre Freude machen
würde. —

Wollin, 27. Septbr. 1807. — Sollte ein Mann von meiner Compagnie,
Namens Stoll, der gefangen war, nach Hause kommen, möchten sie ihn ja recht
gut behandeln, indem er sich sehr edel gegen seine Kameraden benommen hat.
Auch gieb mir doch in Deinem nächsten Briefe Nachricht, wie es mit dem Lorenz
ist gehalten worden. Treffe ich diesen Schurken in Meiningen an, so geht es
nicht gut, denn er ist mir in einem Zeitpunkt desertirt, wo kein ehrlicher Kerl
davonläuft und hat von mir sehr viel Gutes genossen wie sast keiner vom
ganzen Contingent.

Wollin, 28. Octbr. 1807. — Es ist die höchste Zeit. daß wir dies Land
verlassen, es ist fürchterlich, wie groß die Noth und der Jammer gestiegen ist,
sie können uns nicht mehr ernähren, denn sie sind selber blutarm. — Wie groß
die Contributionen sind, und wie ehemals hier Wohlstand herrschte, kannst Du
daraus abnehmen, daß in Stettin unter andern 2 Kaufleute sind, wovon der
Eine 120,000 Thlr. — der Andere 80,000 Thlr. zu erlegen haben. —

Wollin, 8. Rohr. 1807. — Es ist die höchste Zeit für uns und die ganze
hiesige Gegend, diese ist völlig aufgezehrt und der Jammer unbeschreiblich,
mit der größten Noth treiben wir noch mit Gewalt magere Kühe und etwas
Korn zusammen, um den Soldaten zu verpflegen, ohngeachtet dieser dock) nur
die halbe Portion seiner Verpflegung bekommt; und auch auf diese muß er
manchmal wochenlang Verzicht thun, an ein Glas Vier, Branntwein oder eine
Pfeife Tabak ist bei Vielen gar nicht zu denken. Wo sollte es auch herkommen?
verdienen kann so ein armer Teufel nichts, von 13 Pfennigen, die er den Tag
hat, geht ihm alles für Putzzeug. Wäsche, Schuhschmiere u. dergl. auf. Für
meine Person bin ich noch immer recht gesund und liege noch immer in meinem
alten Quartier, wo es mir zwar recht wohl geht, aber durch die Länge der
Zeit falle ich doch diesen braven Leuten zur Last, denn eine jede Einquartirung,
man mache es wie man wollt, ist mit Kosten verknüpft, und die ewigen Klagen
über die harte Bedrückung des Landes, über die übermäßige Kontribution,
starke Lieferungen u. s. w. (welche Klagen man hier gewiß jedermann verzeihen
kann) machen einen oft sehr mißmüthig und traurig. Mit dem besten Willen
kann man nicht helfen und diese ewigen Klagelieder und Seufzer hören nicht
auf, zwar machen es die Franzosen auf dem Lande umher mit Erpressungen
sehr bunt, aber der Hauptumstand bleibt immer die große Armuth der hie¬
sigen Gegend, die dann nur nahrhaft ist, wenn Schiffahrt und Handlung frei
sind. —

Leipzig, 28. Novbr. 1807. — Gestern, meine Theuerste, sind wir hier ein¬
gerückt. — Unsere Märsche sind fürchterlich stark gewesen, vier Meilen de«


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[0568] würde etwas in den Zeitungen zu lesen, was ihr eine wahre Freude machen würde. — Wollin, 27. Septbr. 1807. — Sollte ein Mann von meiner Compagnie, Namens Stoll, der gefangen war, nach Hause kommen, möchten sie ihn ja recht gut behandeln, indem er sich sehr edel gegen seine Kameraden benommen hat. Auch gieb mir doch in Deinem nächsten Briefe Nachricht, wie es mit dem Lorenz ist gehalten worden. Treffe ich diesen Schurken in Meiningen an, so geht es nicht gut, denn er ist mir in einem Zeitpunkt desertirt, wo kein ehrlicher Kerl davonläuft und hat von mir sehr viel Gutes genossen wie sast keiner vom ganzen Contingent. Wollin, 28. Octbr. 1807. — Es ist die höchste Zeit. daß wir dies Land verlassen, es ist fürchterlich, wie groß die Noth und der Jammer gestiegen ist, sie können uns nicht mehr ernähren, denn sie sind selber blutarm. — Wie groß die Contributionen sind, und wie ehemals hier Wohlstand herrschte, kannst Du daraus abnehmen, daß in Stettin unter andern 2 Kaufleute sind, wovon der Eine 120,000 Thlr. — der Andere 80,000 Thlr. zu erlegen haben. — Wollin, 8. Rohr. 1807. — Es ist die höchste Zeit für uns und die ganze hiesige Gegend, diese ist völlig aufgezehrt und der Jammer unbeschreiblich, mit der größten Noth treiben wir noch mit Gewalt magere Kühe und etwas Korn zusammen, um den Soldaten zu verpflegen, ohngeachtet dieser dock) nur die halbe Portion seiner Verpflegung bekommt; und auch auf diese muß er manchmal wochenlang Verzicht thun, an ein Glas Vier, Branntwein oder eine Pfeife Tabak ist bei Vielen gar nicht zu denken. Wo sollte es auch herkommen? verdienen kann so ein armer Teufel nichts, von 13 Pfennigen, die er den Tag hat, geht ihm alles für Putzzeug. Wäsche, Schuhschmiere u. dergl. auf. Für meine Person bin ich noch immer recht gesund und liege noch immer in meinem alten Quartier, wo es mir zwar recht wohl geht, aber durch die Länge der Zeit falle ich doch diesen braven Leuten zur Last, denn eine jede Einquartirung, man mache es wie man wollt, ist mit Kosten verknüpft, und die ewigen Klagen über die harte Bedrückung des Landes, über die übermäßige Kontribution, starke Lieferungen u. s. w. (welche Klagen man hier gewiß jedermann verzeihen kann) machen einen oft sehr mißmüthig und traurig. Mit dem besten Willen kann man nicht helfen und diese ewigen Klagelieder und Seufzer hören nicht auf, zwar machen es die Franzosen auf dem Lande umher mit Erpressungen sehr bunt, aber der Hauptumstand bleibt immer die große Armuth der hie¬ sigen Gegend, die dann nur nahrhaft ist, wenn Schiffahrt und Handlung frei sind. — Leipzig, 28. Novbr. 1807. — Gestern, meine Theuerste, sind wir hier ein¬ gerückt. — Unsere Märsche sind fürchterlich stark gewesen, vier Meilen de«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/568>, abgerufen am 15.01.2025.