Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.der gestrige, wo wir vom Anfang schlecht Wetter hatten und die Leute mehre Magdeburg, 24. 'März 1807. -- Soeben, mein gutes liebes Weib, kommen Wir haben nun schon 5 Tage in einem vortrefflichen, reichen und schönen der gestrige, wo wir vom Anfang schlecht Wetter hatten und die Leute mehre Magdeburg, 24. 'März 1807. — Soeben, mein gutes liebes Weib, kommen Wir haben nun schon 5 Tage in einem vortrefflichen, reichen und schönen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283910"/> <p xml:id="ID_1601" prev="#ID_1600"> der gestrige, wo wir vom Anfang schlecht Wetter hatten und die Leute mehre<lb/> Stunden in tiefem Koth waten mußten, auch wurden sie so mißmüthig, daß<lb/> viele Unordnungen passirt sind und in zwei Dörfern mit sehr unanständiger<lb/> Gewalt Wagens beigetrieben wurden. Meine Compagnie ist zwar nicht ganz<lb/> unschuldig gewesen, doch hat sie am wenigsten gesündigt. Ich für meine Person<lb/> befinde mich so wohl und marschire so leicht, daß ich mich nach keinem Wagen<lb/> noch habe umzusehn brauchen. — Alles wäre ja wohl nach denen Umständen<lb/> so weit sehr gut. wenn ich nicht die erschreckliche Desertion hätte, bis heute habe<lb/> ich 28 Mann verloren. Als die schönste Compagnie schloß ich mich an das<lb/> Bataillon an. und jezo habe ich die unansehnlichste, stecke darin, daß man mich<lb/> kaum gewahr wird, und bin ganz muthlos geworden, denn wenn wir nunmehro<lb/> in das preußische Land einrücken, dann fürchte ich sehr, werden meine Preußen<lb/> auch davon lausen. Ich vermuthe, daß viele in der Dummheit nach Meiningen<lb/> zurückgelaufen sind, wenn nur keiner davon wieder zu meiner Compagnie kommt,<lb/> denn nimmermehr kann ich so einem schlechten Kerl diese Desertion verzeihen,<lb/> zu der sie gar keine Ursache hatten, denn noch bis jezo haben sie die besten<lb/> Quartiere gehabt und können sich über nichts ^beschweren. — Noch hat mich<lb/> die gute Laune nur auf Augenblicke verlassen, wollte Gott dies wäre auch der<lb/> Fall bei Dir. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1602"> Magdeburg, 24. 'März 1807. — Soeben, mein gutes liebes Weib, kommen<lb/> wir in dieser so berühmten Festung an, und haben morgen Rasttag hier. —<lb/> Der heutige Marsch war zwar sehr stark und für mich um so verdrießlicher,<lb/> weil der große Krech (der bei unserm Becker wohnte) gestern ein Complot mit<lb/> 3 andern gemacht hat, und diese Nacht von der Wache dcsertirt ist. Du kannst<lb/> leicht denken, wie kränkend dieses für mich sein muß, da ich nun schon 32 Mann<lb/> verloren habe, wovon die meisten aus unserm Land sind. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1603" next="#ID_1604"> Wir haben nun schon 5 Tage in einem vortrefflichen, reichen und schönen<lb/> Lande marschirt, wo alles im Ueberfluß ist, nur kein Holz, die Wege sind zwar<lb/> wegen Mangel an Steinen und wegen des fetten Bodens, wenn es regnet,<lb/> ganz fürchterlich schlecht, allein heute haben wir beinahe den ganzen Marsch<lb/> auf Chaussee gemacht. — Hier in Magdeburg liegt eine wahre Mustercharte<lb/> der französischen Armee, da giebt es weiße, blaue, graue etc. Soldaten, Depots<lb/> von aller Sorte, Leute, die erst in Stand gehest werden, Durchmarschirende.<lb/> Rasttag Haltende, kurz, niemand weiß, was hier liegt, als der Commandant<lb/> allein. Uebrigens ist es eine sehr schöne Stadt und unbegreiflich wird es stets<lb/> bleiben, wie der preußische Commandant v. Kleist diese vortreffliche Festung<lb/> auf eine solche feige Art hat übergeben können d. 25. März. Die Musterung<lb/> ist zu meiner großen Zufriedenheit vorbei, weil ich dabei den Dolmetscher habe<lb/> machen müssen, indem ich leider der einzige Offizier des Bataillons bin, der<lb/> Französisch kann. Der General und Gouverneur hier ist schon ein alter Mann</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0557]
der gestrige, wo wir vom Anfang schlecht Wetter hatten und die Leute mehre
Stunden in tiefem Koth waten mußten, auch wurden sie so mißmüthig, daß
viele Unordnungen passirt sind und in zwei Dörfern mit sehr unanständiger
Gewalt Wagens beigetrieben wurden. Meine Compagnie ist zwar nicht ganz
unschuldig gewesen, doch hat sie am wenigsten gesündigt. Ich für meine Person
befinde mich so wohl und marschire so leicht, daß ich mich nach keinem Wagen
noch habe umzusehn brauchen. — Alles wäre ja wohl nach denen Umständen
so weit sehr gut. wenn ich nicht die erschreckliche Desertion hätte, bis heute habe
ich 28 Mann verloren. Als die schönste Compagnie schloß ich mich an das
Bataillon an. und jezo habe ich die unansehnlichste, stecke darin, daß man mich
kaum gewahr wird, und bin ganz muthlos geworden, denn wenn wir nunmehro
in das preußische Land einrücken, dann fürchte ich sehr, werden meine Preußen
auch davon lausen. Ich vermuthe, daß viele in der Dummheit nach Meiningen
zurückgelaufen sind, wenn nur keiner davon wieder zu meiner Compagnie kommt,
denn nimmermehr kann ich so einem schlechten Kerl diese Desertion verzeihen,
zu der sie gar keine Ursache hatten, denn noch bis jezo haben sie die besten
Quartiere gehabt und können sich über nichts ^beschweren. — Noch hat mich
die gute Laune nur auf Augenblicke verlassen, wollte Gott dies wäre auch der
Fall bei Dir. —
Magdeburg, 24. 'März 1807. — Soeben, mein gutes liebes Weib, kommen
wir in dieser so berühmten Festung an, und haben morgen Rasttag hier. —
Der heutige Marsch war zwar sehr stark und für mich um so verdrießlicher,
weil der große Krech (der bei unserm Becker wohnte) gestern ein Complot mit
3 andern gemacht hat, und diese Nacht von der Wache dcsertirt ist. Du kannst
leicht denken, wie kränkend dieses für mich sein muß, da ich nun schon 32 Mann
verloren habe, wovon die meisten aus unserm Land sind. —
Wir haben nun schon 5 Tage in einem vortrefflichen, reichen und schönen
Lande marschirt, wo alles im Ueberfluß ist, nur kein Holz, die Wege sind zwar
wegen Mangel an Steinen und wegen des fetten Bodens, wenn es regnet,
ganz fürchterlich schlecht, allein heute haben wir beinahe den ganzen Marsch
auf Chaussee gemacht. — Hier in Magdeburg liegt eine wahre Mustercharte
der französischen Armee, da giebt es weiße, blaue, graue etc. Soldaten, Depots
von aller Sorte, Leute, die erst in Stand gehest werden, Durchmarschirende.
Rasttag Haltende, kurz, niemand weiß, was hier liegt, als der Commandant
allein. Uebrigens ist es eine sehr schöne Stadt und unbegreiflich wird es stets
bleiben, wie der preußische Commandant v. Kleist diese vortreffliche Festung
auf eine solche feige Art hat übergeben können d. 25. März. Die Musterung
ist zu meiner großen Zufriedenheit vorbei, weil ich dabei den Dolmetscher habe
machen müssen, indem ich leider der einzige Offizier des Bataillons bin, der
Französisch kann. Der General und Gouverneur hier ist schon ein alter Mann
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