Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.und beschnitten aus: Der vorsichtige Stuttgarter "Beobachter" sagt ganz all¬ und beschnitten aus: Der vorsichtige Stuttgarter „Beobachter" sagt ganz all¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283897"/> <p xml:id="ID_1570" prev="#ID_1569" next="#ID_1571"> und beschnitten aus: Der vorsichtige Stuttgarter „Beobachter" sagt ganz all¬<lb/> gemein, es seien Leute aus zehn Bundesstaaten beisammengewesen; aber die<lb/> Neue Frankfurter Zeitung, weniger weise oder ^weniger wohlwollend, verräth,<lb/> daß „Preußen nur durch Briefe und Telegramme vertreten war". In der That<lb/> eine kostbare Vertretung! Wenn der Gedanke Beifall findet, so wetten wir,<lb/> Herr v. Bismarck befreundet sich mit der Idee eines deutschen Parlaments,<lb/> gebildet auf der Grundlage brieflicher und telegraphischer Vertretung. Aber<lb/> nicht allein Preußen, auch Bayern und Hannover scheinen durch völlige Un-<lb/> vertretenheit geglänzt, ja schändlicherweise nicht einmal Briefe und Telegramme<lb/> abgelassen zu haben. Vielleicht indessen, denkt der gutmüthige Leser, ersetzt das<lb/> Gewicht, was die Zahl und der räumliche Rückhalt zu wünschen übriglassen.<lb/> Wir wollen sehen. Der bekannteste Mann unter den Darmstädtern vom<lb/> 18. September war eine dortige locale Celebrität von allerdings nicht unan¬<lb/> gefochtenem Werthe, I)r. Louis Büchner, Verfasser von „Kraft und Stoff".<lb/> Seit ihm in Paris einmal von jungen französischen und deutschen Weltver¬<lb/> besserern ein Ständchen gebracht worden ist, hält Dr. Büchner, der bis dahin<lb/> zufrieden war, über Metz und Lassalle gleichsam die Achseln zu zucken, seine<lb/> Zeit offenbar für gekommen. Ihm zunächst an öffentlicher Bekanntheit stand<lb/> Dr. Ludwig Eckardt, der vormalige Bibliothekar des Großherzogs von Baden.<lb/> Im vorigen Herbste suchte dieser mehr eitle als ehrgeizige Schönredner an der<lb/> Spitze des äußersten linken Flügels des Nationalvereins einen Platz in dessen<lb/> Ausschuß zu erobern; aber der Ausschuß glaubte genug Nachgiebigkeit bewiesen<lb/> zu haben, indem er seine Anträge radicalen Gaumen genießbar machte, und<lb/> überging im Aerger über den impotenten Frondeur bei der Kooptation Eckardt<lb/> gegen alle Praxis und Tradition, um sich dafür von dreien seiner Genossen<lb/> Körbe zu holen. Diejenigen Ausschußmitglieder, welche von jeher bemüht ge¬<lb/> wesen sind, keine radicale Partei neben dem Nationalverein aufkommen zu lasse»,<lb/> sehen sich nun durch Eckardts unermüdliche Betriebsamkeit schließlich doch um<lb/> diesen Theil ihres Anhangs verkürzt. Indessen bedürfte es auch noch einiger<lb/> anderer Dinge als Eckardtscher „Kreisschreiber" und Leitartikel, um den Tag<lb/> von Darmstadt am Ende möglich zu machen. Hinzukommen mußte jene Nach'<lb/> blüthe des Particularismus, welche wir heutzutage in Würtemberg und in<lb/> Schleswig-Holstein erleben. Die einzigen bedeutenderen Namen, welche neben<lb/> Büchner und Eckardt aus den Berichten der frankfurter Blätter noch hervor¬<lb/> treten, sind Oesterlen aus Stuttgart und N. v. Neergaard aus Kiel. Grade<lb/> so hatten sich bereits aus dem bremer Schützenfest Mayer aus Stuttgart und<lb/> May aus Altona gefunden, der verkörperte Preußenhaß aus Süden und Norden.<lb/> N. v. Neergaard, seit Mays gewaltsamer Abführung der Lenker der schleswig¬<lb/> holsteinischen Vereine, ist nach Darmstadt gegangen, um denjenigen den Staar</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0544]
und beschnitten aus: Der vorsichtige Stuttgarter „Beobachter" sagt ganz all¬
gemein, es seien Leute aus zehn Bundesstaaten beisammengewesen; aber die
Neue Frankfurter Zeitung, weniger weise oder ^weniger wohlwollend, verräth,
daß „Preußen nur durch Briefe und Telegramme vertreten war". In der That
eine kostbare Vertretung! Wenn der Gedanke Beifall findet, so wetten wir,
Herr v. Bismarck befreundet sich mit der Idee eines deutschen Parlaments,
gebildet auf der Grundlage brieflicher und telegraphischer Vertretung. Aber
nicht allein Preußen, auch Bayern und Hannover scheinen durch völlige Un-
vertretenheit geglänzt, ja schändlicherweise nicht einmal Briefe und Telegramme
abgelassen zu haben. Vielleicht indessen, denkt der gutmüthige Leser, ersetzt das
Gewicht, was die Zahl und der räumliche Rückhalt zu wünschen übriglassen.
Wir wollen sehen. Der bekannteste Mann unter den Darmstädtern vom
18. September war eine dortige locale Celebrität von allerdings nicht unan¬
gefochtenem Werthe, I)r. Louis Büchner, Verfasser von „Kraft und Stoff".
Seit ihm in Paris einmal von jungen französischen und deutschen Weltver¬
besserern ein Ständchen gebracht worden ist, hält Dr. Büchner, der bis dahin
zufrieden war, über Metz und Lassalle gleichsam die Achseln zu zucken, seine
Zeit offenbar für gekommen. Ihm zunächst an öffentlicher Bekanntheit stand
Dr. Ludwig Eckardt, der vormalige Bibliothekar des Großherzogs von Baden.
Im vorigen Herbste suchte dieser mehr eitle als ehrgeizige Schönredner an der
Spitze des äußersten linken Flügels des Nationalvereins einen Platz in dessen
Ausschuß zu erobern; aber der Ausschuß glaubte genug Nachgiebigkeit bewiesen
zu haben, indem er seine Anträge radicalen Gaumen genießbar machte, und
überging im Aerger über den impotenten Frondeur bei der Kooptation Eckardt
gegen alle Praxis und Tradition, um sich dafür von dreien seiner Genossen
Körbe zu holen. Diejenigen Ausschußmitglieder, welche von jeher bemüht ge¬
wesen sind, keine radicale Partei neben dem Nationalverein aufkommen zu lasse»,
sehen sich nun durch Eckardts unermüdliche Betriebsamkeit schließlich doch um
diesen Theil ihres Anhangs verkürzt. Indessen bedürfte es auch noch einiger
anderer Dinge als Eckardtscher „Kreisschreiber" und Leitartikel, um den Tag
von Darmstadt am Ende möglich zu machen. Hinzukommen mußte jene Nach'
blüthe des Particularismus, welche wir heutzutage in Würtemberg und in
Schleswig-Holstein erleben. Die einzigen bedeutenderen Namen, welche neben
Büchner und Eckardt aus den Berichten der frankfurter Blätter noch hervor¬
treten, sind Oesterlen aus Stuttgart und N. v. Neergaard aus Kiel. Grade
so hatten sich bereits aus dem bremer Schützenfest Mayer aus Stuttgart und
May aus Altona gefunden, der verkörperte Preußenhaß aus Süden und Norden.
N. v. Neergaard, seit Mays gewaltsamer Abführung der Lenker der schleswig¬
holsteinischen Vereine, ist nach Darmstadt gegangen, um denjenigen den Staar
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