Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.nie geistig hervorragenden und darum doppelt leicht zu beeinflussenden Erzbischofs Aber damit war es nicht genug. Die Geistlichen der Diöcese wurden zu Dieser Verbindung der Junker mit den Pfaffen hätte es kaum mehr be¬ Trotzdem hielt es die liberale Partei nicht für unnöthig, auch ihrerseits nie geistig hervorragenden und darum doppelt leicht zu beeinflussenden Erzbischofs Aber damit war es nicht genug. Die Geistlichen der Diöcese wurden zu Dieser Verbindung der Junker mit den Pfaffen hätte es kaum mehr be¬ Trotzdem hielt es die liberale Partei nicht für unnöthig, auch ihrerseits <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0541" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283894"/> <p xml:id="ID_1558" prev="#ID_1557"> nie geistig hervorragenden und darum doppelt leicht zu beeinflussenden Erzbischofs<lb/> von Freiburg. Der Ton, in dem dieses Machwerk abgefaßt war, für dessen<lb/> Urheber man mit gutem Grunde den Hofcaplan strebte, einen bekannten<lb/> jesuitischen Intriguanten, den Kcmzleidirector Maas, einen getauften Juden,<lb/> und den Pfarrer Weickum, einen übergetretenen Protestanten, hält, wird am<lb/> besten durch die Bezeichnung charakterisirt, welche ihm die liberalen Blatter<lb/> gegeben haben, die ihn regelmäßig statt Hirtenbrief nur den Brandbrief des<lb/> Erzbischofs nannten. Es spricht in der That aus diesem Actenstück, welches die Lage<lb/> der Dinge so hinstellt, als ob in Baden die grausamste Christenverfolgung wüthe,<lb/> welches mit den pathetischen Worten schließt, die Kirche könne sich vor den Verfol¬<lb/> gungen der Gegner wieder in die Katakomben flüchten, aber zur Dienstmagd des<lb/> Staates könne sie sich nie erniedrigen lassen, es spricht daraus eine vollständige<lb/> Mißachtung der Regierung, des Landesherr«, der Landesgesetze. Die entschie¬<lb/> densten Gegner des alten aufgeklärten Absolutismus haben nicht umhin gekonnt,<lb/> nach der Lectüre dieses Actenstückes die Wiedereinführung des Planet als sehr<lb/> wünschenswert!) zu bezeichnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1559"> Aber damit war es nicht genug. Die Geistlichen der Diöcese wurden zu<lb/> einer Conferenz nach Freiburg berufen und faßten dort Resolutionen, welche<lb/> ihre offene Auflehnung gegen die Staatsgewalt mit nackten Worten proclamirten.<lb/> Sie richteten, ganz im Geiste der polnischen revolutionären Kleriker, das Gesuch<lb/> an den Erzbischof, an einem bestimmten Tage im ganzen Land einen feierlichen<lb/> Gottesdienst „um Erhaltung der katholischen Kirche in Baden" anzuberaumen.<lb/> Und, damit dem aufrührerischen Gebahren auch die komische Seite nicht fehle,<lb/> sie ersuchten den Erzbischof, den deutschen Bund um „Schutz für die badischen<lb/> Katholiken" anzurufen. Den in diesem Sinne agitirenden Priestern, welche<lb/> die Kanzel urplötzlich in eine Tribüne verwandelten, von der im Tone des<lb/> reinsten Jacobinerthums gegen die „Stadtherrn", die „Geldprotzen", die Bour¬<lb/> geois, die kein Herz für das Volk hätten, die Fabriktyranncn u. s. w. gepredigt<lb/> wurde, schlössen sich da und dort ultramontan gesinnte Adelige an. Es war<lb/> ein sonderbares Schauspiel, da und dort die stolzen Junker plötzlich an der<lb/> Spitze von Versammlungen zu sehen, in denen die unterste Schichte der Be¬<lb/> völkerung den wohleinstudirten Reden ihrer Leithammel mit plebejischen Wohl¬<lb/> behagen Beifall zubrüllte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1560"> Dieser Verbindung der Junker mit den Pfaffen hätte es kaum mehr be¬<lb/> durft, um den Mittelstand noch fester als bisher an das System der Regierung<lb/> ju knüpfen. Daß das ganze Geschrei von bedrohter Religion nichts weiter<lb/> bezweckte, als auch auf dem staatlichen Gebiete die Reaction zurückzuführen, lag<lb/> auf offener Hand für jeden, der hören und sehen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1561" next="#ID_1562"> Trotzdem hielt es die liberale Partei nicht für unnöthig, auch ihrerseits<lb/> eine Wahlagitation zu eröffnen, die sich aber überall in den gesetzlichen Grenzen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0541]
nie geistig hervorragenden und darum doppelt leicht zu beeinflussenden Erzbischofs
von Freiburg. Der Ton, in dem dieses Machwerk abgefaßt war, für dessen
Urheber man mit gutem Grunde den Hofcaplan strebte, einen bekannten
jesuitischen Intriguanten, den Kcmzleidirector Maas, einen getauften Juden,
und den Pfarrer Weickum, einen übergetretenen Protestanten, hält, wird am
besten durch die Bezeichnung charakterisirt, welche ihm die liberalen Blatter
gegeben haben, die ihn regelmäßig statt Hirtenbrief nur den Brandbrief des
Erzbischofs nannten. Es spricht in der That aus diesem Actenstück, welches die Lage
der Dinge so hinstellt, als ob in Baden die grausamste Christenverfolgung wüthe,
welches mit den pathetischen Worten schließt, die Kirche könne sich vor den Verfol¬
gungen der Gegner wieder in die Katakomben flüchten, aber zur Dienstmagd des
Staates könne sie sich nie erniedrigen lassen, es spricht daraus eine vollständige
Mißachtung der Regierung, des Landesherr«, der Landesgesetze. Die entschie¬
densten Gegner des alten aufgeklärten Absolutismus haben nicht umhin gekonnt,
nach der Lectüre dieses Actenstückes die Wiedereinführung des Planet als sehr
wünschenswert!) zu bezeichnen.
Aber damit war es nicht genug. Die Geistlichen der Diöcese wurden zu
einer Conferenz nach Freiburg berufen und faßten dort Resolutionen, welche
ihre offene Auflehnung gegen die Staatsgewalt mit nackten Worten proclamirten.
Sie richteten, ganz im Geiste der polnischen revolutionären Kleriker, das Gesuch
an den Erzbischof, an einem bestimmten Tage im ganzen Land einen feierlichen
Gottesdienst „um Erhaltung der katholischen Kirche in Baden" anzuberaumen.
Und, damit dem aufrührerischen Gebahren auch die komische Seite nicht fehle,
sie ersuchten den Erzbischof, den deutschen Bund um „Schutz für die badischen
Katholiken" anzurufen. Den in diesem Sinne agitirenden Priestern, welche
die Kanzel urplötzlich in eine Tribüne verwandelten, von der im Tone des
reinsten Jacobinerthums gegen die „Stadtherrn", die „Geldprotzen", die Bour¬
geois, die kein Herz für das Volk hätten, die Fabriktyranncn u. s. w. gepredigt
wurde, schlössen sich da und dort ultramontan gesinnte Adelige an. Es war
ein sonderbares Schauspiel, da und dort die stolzen Junker plötzlich an der
Spitze von Versammlungen zu sehen, in denen die unterste Schichte der Be¬
völkerung den wohleinstudirten Reden ihrer Leithammel mit plebejischen Wohl¬
behagen Beifall zubrüllte.
Dieser Verbindung der Junker mit den Pfaffen hätte es kaum mehr be¬
durft, um den Mittelstand noch fester als bisher an das System der Regierung
ju knüpfen. Daß das ganze Geschrei von bedrohter Religion nichts weiter
bezweckte, als auch auf dem staatlichen Gebiete die Reaction zurückzuführen, lag
auf offener Hand für jeden, der hören und sehen wollte.
Trotzdem hielt es die liberale Partei nicht für unnöthig, auch ihrerseits
eine Wahlagitation zu eröffnen, die sich aber überall in den gesetzlichen Grenzen
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