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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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des Arbeitertags ziemlich weit sich entfernte. Dazu kommt, daß die oft gerügte
Sünde wider den guten Geschmack, die Unart, bei solchen allgemeinen Festlied,
leiten einen schroffen Parteistandpunkt herauszukehren, auch hier nicht vermieden
wurde. Die Koryphäen der föderalistischen Demokratie hatten sich zusammen-
gefunden, lauter runde, wohlgenährte Gestalten, wie man mit Vergnügen zu
bemerken Gelegenheit hatte, und mit weithin.herrschenden Organen ausgestattet,
welche unterstützt von verwegenen Geberdenspiel ihren Eindruck nicht verfehlen
konnten. So blieb uns denn nicht erspart das confuse Deccntralisationsgerede
des Einen, das verzweifelte Mittelstaatcnpathos eines Anderen, endlich die
Hammelhce'rdenklage eines Hamburgers, der im Namen Schleswig. Holsteins
sprach. Es ist ein ganz artiger Vorwurf für einen eleganten Tischredner. auS-
Zuführen. wie das Princip der Selbsthilfe auch aus politischem Gebiet ange-
wandt werden müsse. Wenn aber solche Worte mit demagogischen Pathos
und unter der Maske politischen Ernstes in eine halbgebildete Menge hinein-
geschleudert werden, so ist dies ebenso eine schlechte Tischrede als eine schlechte
Politik, und die Folge ist nur die. daß die Arbeiter, bethört durch leichtsinnig
hingeworfene Zweideutigkeiten, an den gesunden Grundsätzen ihrer Bewegung
"re werden.

Noch haben wir eine Eigenthümlichkeit dieses Arbeitertags zu erwähnen.
Welche folgenreich zu werden verspricht, Frankreich war stärker vertreten als
l° auf einer ähnlichen deutschen Versammlung. Der Grund lag theils in der
Etlichen Nähe überhaupt, theils in der Bequemlichkeit, mit welcher die Theil-
nehmer des berner Kongresses den Rückweg über die Stuttgarter Versammlung
nehmen konnten. Allein man gefiel sich gegenseitig, und wir sind überzeugt,
daß wir von nun an bei ähnlichen Veranlassungen auf den regelmäßigen Besuch
uberrheinischer Gäste zu rechnen haben. Es waren zum Theil Namen Von
anerkannten Gewicht, wie der Nationalökonom Horn, der Statistiker Moritz^
Block.^>can Mach, der Begründer der Gemeindcbibliotheken im Elsaß, dem
Wir unlängst in diesen Blättern einige Seiten gewidmet haben, dann Vertreter
der französischen Presse. Elsässer. welche mit den Arbeitersragen schon prall.sah
beschäftigt haben. Seinquerlet. der bekannte Mitarbeiter, des Temps der
durch seine journalistische Thätigkeit wie durch sein Buch über dre deutschen
Volksbanken wesentlich dazu beigetragen hat, diesem Zoe.g des Uffo-ratrons-
Wesens in Frankreich Eingang zu verschaffen, konnte in der Anrede zu welcher
^ sich vor dem Schluß des Congresses das Wort erbat, äußern. bMer er er
i" deutschen Versammlungen stets der einzige Vertreter der par.ser Presse ge-
Wesen, diesmal freue er sich, von einem Kranz von Vertretern des französischen
Journalismus umgeben zu sein, und er begrüßte dies als em Zeichen der
Ochsenden brüderlichen Gesinnung beider Völker. In der That waren außer


Wr-nzboten III. 1SK6.

des Arbeitertags ziemlich weit sich entfernte. Dazu kommt, daß die oft gerügte
Sünde wider den guten Geschmack, die Unart, bei solchen allgemeinen Festlied,
leiten einen schroffen Parteistandpunkt herauszukehren, auch hier nicht vermieden
wurde. Die Koryphäen der föderalistischen Demokratie hatten sich zusammen-
gefunden, lauter runde, wohlgenährte Gestalten, wie man mit Vergnügen zu
bemerken Gelegenheit hatte, und mit weithin.herrschenden Organen ausgestattet,
welche unterstützt von verwegenen Geberdenspiel ihren Eindruck nicht verfehlen
konnten. So blieb uns denn nicht erspart das confuse Deccntralisationsgerede
des Einen, das verzweifelte Mittelstaatcnpathos eines Anderen, endlich die
Hammelhce'rdenklage eines Hamburgers, der im Namen Schleswig. Holsteins
sprach. Es ist ein ganz artiger Vorwurf für einen eleganten Tischredner. auS-
Zuführen. wie das Princip der Selbsthilfe auch aus politischem Gebiet ange-
wandt werden müsse. Wenn aber solche Worte mit demagogischen Pathos
und unter der Maske politischen Ernstes in eine halbgebildete Menge hinein-
geschleudert werden, so ist dies ebenso eine schlechte Tischrede als eine schlechte
Politik, und die Folge ist nur die. daß die Arbeiter, bethört durch leichtsinnig
hingeworfene Zweideutigkeiten, an den gesunden Grundsätzen ihrer Bewegung
"re werden.

Noch haben wir eine Eigenthümlichkeit dieses Arbeitertags zu erwähnen.
Welche folgenreich zu werden verspricht, Frankreich war stärker vertreten als
l° auf einer ähnlichen deutschen Versammlung. Der Grund lag theils in der
Etlichen Nähe überhaupt, theils in der Bequemlichkeit, mit welcher die Theil-
nehmer des berner Kongresses den Rückweg über die Stuttgarter Versammlung
nehmen konnten. Allein man gefiel sich gegenseitig, und wir sind überzeugt,
daß wir von nun an bei ähnlichen Veranlassungen auf den regelmäßigen Besuch
uberrheinischer Gäste zu rechnen haben. Es waren zum Theil Namen Von
anerkannten Gewicht, wie der Nationalökonom Horn, der Statistiker Moritz^
Block.^>can Mach, der Begründer der Gemeindcbibliotheken im Elsaß, dem
Wir unlängst in diesen Blättern einige Seiten gewidmet haben, dann Vertreter
der französischen Presse. Elsässer. welche mit den Arbeitersragen schon prall.sah
beschäftigt haben. Seinquerlet. der bekannte Mitarbeiter, des Temps der
durch seine journalistische Thätigkeit wie durch sein Buch über dre deutschen
Volksbanken wesentlich dazu beigetragen hat, diesem Zoe.g des Uffo-ratrons-
Wesens in Frankreich Eingang zu verschaffen, konnte in der Anrede zu welcher
^ sich vor dem Schluß des Congresses das Wort erbat, äußern. bMer er er
i" deutschen Versammlungen stets der einzige Vertreter der par.ser Presse ge-
Wesen, diesmal freue er sich, von einem Kranz von Vertretern des französischen
Journalismus umgeben zu sein, und er begrüßte dies als em Zeichen der
Ochsenden brüderlichen Gesinnung beider Völker. In der That waren außer


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[0501] des Arbeitertags ziemlich weit sich entfernte. Dazu kommt, daß die oft gerügte Sünde wider den guten Geschmack, die Unart, bei solchen allgemeinen Festlied, leiten einen schroffen Parteistandpunkt herauszukehren, auch hier nicht vermieden wurde. Die Koryphäen der föderalistischen Demokratie hatten sich zusammen- gefunden, lauter runde, wohlgenährte Gestalten, wie man mit Vergnügen zu bemerken Gelegenheit hatte, und mit weithin.herrschenden Organen ausgestattet, welche unterstützt von verwegenen Geberdenspiel ihren Eindruck nicht verfehlen konnten. So blieb uns denn nicht erspart das confuse Deccntralisationsgerede des Einen, das verzweifelte Mittelstaatcnpathos eines Anderen, endlich die Hammelhce'rdenklage eines Hamburgers, der im Namen Schleswig. Holsteins sprach. Es ist ein ganz artiger Vorwurf für einen eleganten Tischredner. auS- Zuführen. wie das Princip der Selbsthilfe auch aus politischem Gebiet ange- wandt werden müsse. Wenn aber solche Worte mit demagogischen Pathos und unter der Maske politischen Ernstes in eine halbgebildete Menge hinein- geschleudert werden, so ist dies ebenso eine schlechte Tischrede als eine schlechte Politik, und die Folge ist nur die. daß die Arbeiter, bethört durch leichtsinnig hingeworfene Zweideutigkeiten, an den gesunden Grundsätzen ihrer Bewegung "re werden. Noch haben wir eine Eigenthümlichkeit dieses Arbeitertags zu erwähnen. Welche folgenreich zu werden verspricht, Frankreich war stärker vertreten als l° auf einer ähnlichen deutschen Versammlung. Der Grund lag theils in der Etlichen Nähe überhaupt, theils in der Bequemlichkeit, mit welcher die Theil- nehmer des berner Kongresses den Rückweg über die Stuttgarter Versammlung nehmen konnten. Allein man gefiel sich gegenseitig, und wir sind überzeugt, daß wir von nun an bei ähnlichen Veranlassungen auf den regelmäßigen Besuch uberrheinischer Gäste zu rechnen haben. Es waren zum Theil Namen Von anerkannten Gewicht, wie der Nationalökonom Horn, der Statistiker Moritz^ Block.^>can Mach, der Begründer der Gemeindcbibliotheken im Elsaß, dem Wir unlängst in diesen Blättern einige Seiten gewidmet haben, dann Vertreter der französischen Presse. Elsässer. welche mit den Arbeitersragen schon prall.sah beschäftigt haben. Seinquerlet. der bekannte Mitarbeiter, des Temps der durch seine journalistische Thätigkeit wie durch sein Buch über dre deutschen Volksbanken wesentlich dazu beigetragen hat, diesem Zoe.g des Uffo-ratrons- Wesens in Frankreich Eingang zu verschaffen, konnte in der Anrede zu welcher ^ sich vor dem Schluß des Congresses das Wort erbat, äußern. bMer er er i" deutschen Versammlungen stets der einzige Vertreter der par.ser Presse ge- Wesen, diesmal freue er sich, von einem Kranz von Vertretern des französischen Journalismus umgeben zu sein, und er begrüßte dies als em Zeichen der Ochsenden brüderlichen Gesinnung beider Völker. In der That waren außer Wr-nzboten III. 1SK6.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/501>, abgerufen am 15.01.2025.