Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.philosophisch, historisch, etnographisch, staatsrechtlich, politisch, nationalökonomisch Die hysterischen Anlagen stempelten den Mohammad aber nicht nur zum Wir haben dieses Räsonnement des Verfassers ausführlich mitgetheilt, um Gewiß ist Mohammads Charakter ein Gemisch aus edlen und unlautern philosophisch, historisch, etnographisch, staatsrechtlich, politisch, nationalökonomisch Die hysterischen Anlagen stempelten den Mohammad aber nicht nur zum Wir haben dieses Räsonnement des Verfassers ausführlich mitgetheilt, um Gewiß ist Mohammads Charakter ein Gemisch aus edlen und unlautern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0496" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283849"/> <p xml:id="ID_1431" prev="#ID_1430"> philosophisch, historisch, etnographisch, staatsrechtlich, politisch, nationalökonomisch<lb/> ausgearbeitetes Programm finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1432"> Die hysterischen Anlagen stempelten den Mohammad aber nicht nur zum<lb/> Propheten, sondern gaben ihm auch andere Eigenschaften, welche unter den<lb/> obwaltenden Umständen einem Führer sehr nützlich, fast unentbehrlich waren.<lb/> Aber wohl gemerkt: diese Eigenschaften sind meistens negativ. Der hysterische<lb/> Prophet unterschied sich nur wenig von einer gewissen Classe hysterischer Frauen.<lb/> Seine Begriffe waren weder klar noch scharf bestimmt, flössen aber alle aus<lb/> einer Idee oder vielmehr aus einem Gefühle. Diese Idee erfaßte er mit<lb/> Wärme und sprach sie mit weibischer Ueberschwänglichkeit und prophetischer<lb/> Verwirrtheit aus. Er war so zäh, aber auch so abhängig von seinen Freunden<lb/> wie eine Frau, und infolge der divinatorischen Empfindsamkeit, welche der<lb/> Hysterie eigenthümlich ist, nahm er den leisesten Hauch der öffentlichen Meinung<lb/> wahr; dazu kamen eine oft hervortretende Selbsttäuschung und die damit ver¬<lb/> wandte Verstellungsgabe und Gewandtheit in Ausflüchten. Ein passenderer<lb/> Führer für eine Gemeinde voll Thatkraft und ein geeigneteres Organ für die<lb/> zeitgemäße Gestaltung und Verkörperung der national-religiösen Gefühle ist<lb/> nicht denkbar. Wenn der Geist der Araber der Vater des Islam war, so ist<lb/> Mohammad die Mutter. Seine Größe liegt in seinen Schwächen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1433"> Wir haben dieses Räsonnement des Verfassers ausführlich mitgetheilt, um<lb/> eine Probe zu geben, wie er sich die Dinge zurechtlegt. Vieles davon ist ohne<lb/> Zweifel begründet, anderes widerspricht vorhergehenden Behauptungen, einiges<lb/> ist mehr brillant gesagt, als wahr. Namentlich stellt Sprenger Mohammad<lb/> tiefer als erlaubt ist, und wir können bei aller Anerkennung der Vorzüge des<lb/> Werkes nicht umhin, zu gestehen, daß uns vorkommt, als ob dieses gering'<lb/> schätzige Urtheil nicht so sehr das Ergebniß seiner Studien, als vielmehr schon<lb/> fertig zu diesen Studien mitgebracht sei und die Gruppirung der Thatsachen<lb/> (vgl. das Capitel über die Frauen des Propheten) mitunter beeinflußt habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1434" next="#ID_1435"> Gewiß ist Mohammads Charakter ein Gemisch aus edlen und unlautern<lb/> Elementen, erhabnen und niedrigen Eigenschaften, begeistertem Glauben und<lb/> Neigung zu Betrug. Unzweifelhaft treten bei ihm weibische Züge hervor. Vor-<lb/> trefflich ist die Bemerkung Sprengers, daß der stolze aggressive Geist des Islam<lb/> nicht von seinem Stifter, sondern von dem Kreise der Jünger Mohammads,<lb/> von Abu Bakr, Hamza, vor allem aber von Omar stammt, die den Schwärmer<lb/> nöthigten, sich in einen weltlichen Fürsten und Krieger zu verwandeln. Dagegen<lb/> müssen wir Rottele beipflichten, wenn er meint, Sprenger unterschätze den Pr^<lb/> pheten in Betreff seiner Weltklugheit und Politik. Allerdings hatten, wie dieser<lb/> Beurtheiler des Buchs in den Gött. Gelehrt. Anzeigen bemerkt, Omar, Abu<lb/> Bakr und Andere großen Einfluß auf die Politik Mohammads, und häusig<lb/> lenkten sie selbständig die Angelegenheiten der Muslime; allein weder war der</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0496]
philosophisch, historisch, etnographisch, staatsrechtlich, politisch, nationalökonomisch
ausgearbeitetes Programm finden.
Die hysterischen Anlagen stempelten den Mohammad aber nicht nur zum
Propheten, sondern gaben ihm auch andere Eigenschaften, welche unter den
obwaltenden Umständen einem Führer sehr nützlich, fast unentbehrlich waren.
Aber wohl gemerkt: diese Eigenschaften sind meistens negativ. Der hysterische
Prophet unterschied sich nur wenig von einer gewissen Classe hysterischer Frauen.
Seine Begriffe waren weder klar noch scharf bestimmt, flössen aber alle aus
einer Idee oder vielmehr aus einem Gefühle. Diese Idee erfaßte er mit
Wärme und sprach sie mit weibischer Ueberschwänglichkeit und prophetischer
Verwirrtheit aus. Er war so zäh, aber auch so abhängig von seinen Freunden
wie eine Frau, und infolge der divinatorischen Empfindsamkeit, welche der
Hysterie eigenthümlich ist, nahm er den leisesten Hauch der öffentlichen Meinung
wahr; dazu kamen eine oft hervortretende Selbsttäuschung und die damit ver¬
wandte Verstellungsgabe und Gewandtheit in Ausflüchten. Ein passenderer
Führer für eine Gemeinde voll Thatkraft und ein geeigneteres Organ für die
zeitgemäße Gestaltung und Verkörperung der national-religiösen Gefühle ist
nicht denkbar. Wenn der Geist der Araber der Vater des Islam war, so ist
Mohammad die Mutter. Seine Größe liegt in seinen Schwächen."
Wir haben dieses Räsonnement des Verfassers ausführlich mitgetheilt, um
eine Probe zu geben, wie er sich die Dinge zurechtlegt. Vieles davon ist ohne
Zweifel begründet, anderes widerspricht vorhergehenden Behauptungen, einiges
ist mehr brillant gesagt, als wahr. Namentlich stellt Sprenger Mohammad
tiefer als erlaubt ist, und wir können bei aller Anerkennung der Vorzüge des
Werkes nicht umhin, zu gestehen, daß uns vorkommt, als ob dieses gering'
schätzige Urtheil nicht so sehr das Ergebniß seiner Studien, als vielmehr schon
fertig zu diesen Studien mitgebracht sei und die Gruppirung der Thatsachen
(vgl. das Capitel über die Frauen des Propheten) mitunter beeinflußt habe.
Gewiß ist Mohammads Charakter ein Gemisch aus edlen und unlautern
Elementen, erhabnen und niedrigen Eigenschaften, begeistertem Glauben und
Neigung zu Betrug. Unzweifelhaft treten bei ihm weibische Züge hervor. Vor-
trefflich ist die Bemerkung Sprengers, daß der stolze aggressive Geist des Islam
nicht von seinem Stifter, sondern von dem Kreise der Jünger Mohammads,
von Abu Bakr, Hamza, vor allem aber von Omar stammt, die den Schwärmer
nöthigten, sich in einen weltlichen Fürsten und Krieger zu verwandeln. Dagegen
müssen wir Rottele beipflichten, wenn er meint, Sprenger unterschätze den Pr^
pheten in Betreff seiner Weltklugheit und Politik. Allerdings hatten, wie dieser
Beurtheiler des Buchs in den Gött. Gelehrt. Anzeigen bemerkt, Omar, Abu
Bakr und Andere großen Einfluß auf die Politik Mohammads, und häusig
lenkten sie selbständig die Angelegenheiten der Muslime; allein weder war der
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