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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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Erlebnisse eines preußischen Kaufmanns wahrend des
galizischen Aufstandes im Jahre 1846.

Seit längerer Zeit war durch Verräthereien und prahlende Aeußerungen
erhitzter Gemüther der östreichischen Regierung bekannt geworden, daß von dem
polnischen Adel in Galizien ein Aufstand vorbereitet werde, und sogar der Tag
des Losschlagens, der 21. Februar 1846 war nicht verheimlicht geblieben. Um
die Jnsurrection im Voraus jeder Kraft zu berauben, suchte die Regierung den
Bauernstand auf ihre Seite zu bringen, und durch die verheißene Ablösung
des Robots gelang ihr dies in der That. Obgleich infolge dessen der nationalen
Partei nur der Adel, dessen Beamte, Studenten und ähnliche junge Leute treu
blieben, wurde dennoch mit Waffenrüstungen und Anwerbungen in Krakau
fortgefahren, und in den Krakau zunächst liegenden Kreisen Jnsurgentenschaaren
gebildet. In dieser Lage griffen einzelne Organe der östreichischen Regierung,
im höchsten Grade bestürzt und rathlos, zu Mitteln, die zum Theil gar nicht
im Verhältniß zu der unbedeutenden Gefahr standen, jedenfalls unsägliches
Unheil angerichtet haben. Es ist notorisch, daß, obgleich der Statthalter in
Lemberg, Erzherzog Ferdinand, die Bauern zur Ruhe vermahnte, dieselben
dennoch von den für ihr Leben und Eigenthum zitternden Beamten zur Selbst¬
hilfe gegen den insurgirten Adel aufgefordert wurden. Von beiden Seiten,
den regierungsfreundlichen Bauern und den regierungsfeindlichen Insurgenten,
wurde nun, ganz unabhängig von den Maßnahmen der Regierung und der
Insurgenten gegen einander -- den Verhaftungen in Lemberg, dem Zuge gegen
Krakau u. s. w. -- einige Tage lang ein wüthender Krieg geführt, von dem
die Berichte der Zeit mit Schaudern sprechen. Schon vor dem zum Losschlagen
von den Insurgenten bestimmten 21. Februar wurden, namentlich im tarnower
Kreise, wo die Bauern am meisten aufgereizt und die Insurgenten zahlreicher
wie anderswo waren, die ärgsten Gräuelthaten, Mord, Brandstiftung, Plün-
derung, begangen. Die polnischen Patrioten begannen ihre Heldenthaten mit
der Ermordung des Bürgermeisters Marke in Pilsno; in Lisagora fand ein
furchtbares Gemetzel zwischen beiden Parteien statt, indem Bauern die Waffen,


vrenjboten III. 186ö. 6
Erlebnisse eines preußischen Kaufmanns wahrend des
galizischen Aufstandes im Jahre 1846.

Seit längerer Zeit war durch Verräthereien und prahlende Aeußerungen
erhitzter Gemüther der östreichischen Regierung bekannt geworden, daß von dem
polnischen Adel in Galizien ein Aufstand vorbereitet werde, und sogar der Tag
des Losschlagens, der 21. Februar 1846 war nicht verheimlicht geblieben. Um
die Jnsurrection im Voraus jeder Kraft zu berauben, suchte die Regierung den
Bauernstand auf ihre Seite zu bringen, und durch die verheißene Ablösung
des Robots gelang ihr dies in der That. Obgleich infolge dessen der nationalen
Partei nur der Adel, dessen Beamte, Studenten und ähnliche junge Leute treu
blieben, wurde dennoch mit Waffenrüstungen und Anwerbungen in Krakau
fortgefahren, und in den Krakau zunächst liegenden Kreisen Jnsurgentenschaaren
gebildet. In dieser Lage griffen einzelne Organe der östreichischen Regierung,
im höchsten Grade bestürzt und rathlos, zu Mitteln, die zum Theil gar nicht
im Verhältniß zu der unbedeutenden Gefahr standen, jedenfalls unsägliches
Unheil angerichtet haben. Es ist notorisch, daß, obgleich der Statthalter in
Lemberg, Erzherzog Ferdinand, die Bauern zur Ruhe vermahnte, dieselben
dennoch von den für ihr Leben und Eigenthum zitternden Beamten zur Selbst¬
hilfe gegen den insurgirten Adel aufgefordert wurden. Von beiden Seiten,
den regierungsfreundlichen Bauern und den regierungsfeindlichen Insurgenten,
wurde nun, ganz unabhängig von den Maßnahmen der Regierung und der
Insurgenten gegen einander — den Verhaftungen in Lemberg, dem Zuge gegen
Krakau u. s. w. — einige Tage lang ein wüthender Krieg geführt, von dem
die Berichte der Zeit mit Schaudern sprechen. Schon vor dem zum Losschlagen
von den Insurgenten bestimmten 21. Februar wurden, namentlich im tarnower
Kreise, wo die Bauern am meisten aufgereizt und die Insurgenten zahlreicher
wie anderswo waren, die ärgsten Gräuelthaten, Mord, Brandstiftung, Plün-
derung, begangen. Die polnischen Patrioten begannen ihre Heldenthaten mit
der Ermordung des Bürgermeisters Marke in Pilsno; in Lisagora fand ein
furchtbares Gemetzel zwischen beiden Parteien statt, indem Bauern die Waffen,


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[0049] Erlebnisse eines preußischen Kaufmanns wahrend des galizischen Aufstandes im Jahre 1846. Seit längerer Zeit war durch Verräthereien und prahlende Aeußerungen erhitzter Gemüther der östreichischen Regierung bekannt geworden, daß von dem polnischen Adel in Galizien ein Aufstand vorbereitet werde, und sogar der Tag des Losschlagens, der 21. Februar 1846 war nicht verheimlicht geblieben. Um die Jnsurrection im Voraus jeder Kraft zu berauben, suchte die Regierung den Bauernstand auf ihre Seite zu bringen, und durch die verheißene Ablösung des Robots gelang ihr dies in der That. Obgleich infolge dessen der nationalen Partei nur der Adel, dessen Beamte, Studenten und ähnliche junge Leute treu blieben, wurde dennoch mit Waffenrüstungen und Anwerbungen in Krakau fortgefahren, und in den Krakau zunächst liegenden Kreisen Jnsurgentenschaaren gebildet. In dieser Lage griffen einzelne Organe der östreichischen Regierung, im höchsten Grade bestürzt und rathlos, zu Mitteln, die zum Theil gar nicht im Verhältniß zu der unbedeutenden Gefahr standen, jedenfalls unsägliches Unheil angerichtet haben. Es ist notorisch, daß, obgleich der Statthalter in Lemberg, Erzherzog Ferdinand, die Bauern zur Ruhe vermahnte, dieselben dennoch von den für ihr Leben und Eigenthum zitternden Beamten zur Selbst¬ hilfe gegen den insurgirten Adel aufgefordert wurden. Von beiden Seiten, den regierungsfreundlichen Bauern und den regierungsfeindlichen Insurgenten, wurde nun, ganz unabhängig von den Maßnahmen der Regierung und der Insurgenten gegen einander — den Verhaftungen in Lemberg, dem Zuge gegen Krakau u. s. w. — einige Tage lang ein wüthender Krieg geführt, von dem die Berichte der Zeit mit Schaudern sprechen. Schon vor dem zum Losschlagen von den Insurgenten bestimmten 21. Februar wurden, namentlich im tarnower Kreise, wo die Bauern am meisten aufgereizt und die Insurgenten zahlreicher wie anderswo waren, die ärgsten Gräuelthaten, Mord, Brandstiftung, Plün- derung, begangen. Die polnischen Patrioten begannen ihre Heldenthaten mit der Ermordung des Bürgermeisters Marke in Pilsno; in Lisagora fand ein furchtbares Gemetzel zwischen beiden Parteien statt, indem Bauern die Waffen, vrenjboten III. 186ö. 6

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/49>, abgerufen am 15.01.2025.