Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.und die Forderungen, welche dieselbe an die Politiker stellte. Dazu kamen eine "Die Linke nahm für sich den deutschen Charakter und daS Recht, das Grenzboten III. 18S5.
und die Forderungen, welche dieselbe an die Politiker stellte. Dazu kamen eine „Die Linke nahm für sich den deutschen Charakter und daS Recht, das Grenzboten III. 18S5.
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und die Forderungen, welche dieselbe an die Politiker stellte. Dazu kamen eine
stets schlagfertige Dialektik, eine ungewöhnliche Redegewandtheit, leider aber
auch ein blinder Slawenhaß. der ihn oft gar weit von seinen politischen Zielen
abbrächte. Den verachteten Czechen ein Schnippchen zu schlagen, sie zu ärgern,
war oft der ausschließliche Zweck seiner Theilnahme an den Verhandlungen;
das Geständnis; der Furcht ihnen abzupressen, erschien ihm nicht selten werth-
voller als der Sieg der eignen Sache. Dieses leidenschaftliche Wesen führte
'"ehe Mein zu einer bedauerlichen Kraftverschwendung, sondern raubte Löhner
auch die Mittel, über die Linke deS Reichstags zu herrschen. Statt ihren wilden
Fanatismus zu dämmen, sie politischen Gedanken zugänglich zu machen, lieh
wenn auch nur scheinbar, ihrem Programm, das sich aus lauter Ausrusungs-
M)en zusammensetzte, seine Billigung." —
„Die Linke nahm für sich den deutschen Charakter und daS Recht, das
wahre Volk zu vertreten, ausschließlich in Anspruch. und wer in Rüge, Fröbel
und Genossen die Helden Deutschlands verehrte und in den wiener Studenten
und Arbeitern das eigentliche Volk erblickte, mußte dieser Behauptung zustimmen.»
Sonst waren die Mitglieder der Linken „unselbständige Leute, welche bald von
den listigen Polen, bald von den fieberhaft erhitzten Zeitungsschreibern als
Werkzeug benutzt wurden. Sie waren unfähig, den Abstand zwischen einer
^lubberathung und der Reichsversammlung zu ermessen, den Unterschied zwischen
März- und der Julistimmung zu begreifen. Sie waren eitel und wollten
die Volkstümlichkeit, welche sie sich durch politische Declamationsüvungen
errungen hatten, festhalten. Sie waren unreif und unwissend in demselben
Maße wie die wiener Bevölkerung, aber keineswegs (wie später behauptet wurde)
ihrer privaten Sittlichkeit anders geartet als die conservativen Abgeordnete».
Wie oft geschah es. daß Violand. seines Zeichens k. k. Landrechtsauscultant.
"der Gold mark, ein (jüdischer) Spitalarzt, während der Verhandlungen in den
Aorsaal deS Reichstags eilten und sich hier Raths erholten, für welchen der
schwebenden Anträge sie zu stimmen hätten. „Nur recht radical" verlangten
^ den Rath und rieben sich freudig die Hände, wenn sie glaubten, den radi¬
alsten Vorschlag in die Debatte werfen zu können." Besonders toll und ab-
Seschmackt geberdete sich Umlaufe, ein ehemaliger Polizeiagent, der jetzt den
Demokraten spielte, wogegen der „grundehrliche, stets elegische Schuselka. der
"streichische Venedey" zu vermitteln strebte. „Fischhof lebte noch so sehr in Mai-
Phantasien, daß er bei den grammatikalischen Streitigkeiten, die häufig im
Reichstage vorkamen, von „stilistischen Barrikaden und einem stilistischen Wnr-
^!Mz" zu sprechen pflegte." Fühler. der Universitätsprediger, e.n se.ster
^«ff. der sich mit den Studenten duzte, führte den Wahlspruch 'in Munde:
"Der studirende Jüngling ist der lebensfrische Ausdruck des Zeitgeistes" und
h'-'t allen Ernstes den Reichstag sür eine Art von Collegium. zu welchem den
Grenzboten III. 18S5.
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