Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.keiner abgefaßt. An Stelle Serenissimi regierte in Zerbst ein geheimer Rath, Dieser amüsante kleine Herr hatte es in östreichischen Diensten zum Ge¬ Suffolk ließ den zerbstschen Antrag auf sich beruhen. Friedrich August Hreiijboten III. I"(i5. S7
keiner abgefaßt. An Stelle Serenissimi regierte in Zerbst ein geheimer Rath, Dieser amüsante kleine Herr hatte es in östreichischen Diensten zum Ge¬ Suffolk ließ den zerbstschen Antrag auf sich beruhen. Friedrich August Hreiijboten III. I«(i5. S7
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/283788"/> <p xml:id="ID_1231" prev="#ID_1230"> keiner abgefaßt. An Stelle Serenissimi regierte in Zerbst ein geheimer Rath,<lb/> dessen zwei oder drei Mitglieder die sämmtlichen Instanzen bildeten, so daß man<lb/> von dem Hofrath Hase durch den Hofrath Hase wieder an den Hofrath Hase<lb/> appelliren mußte. Lustig, nicht wahr? Noch lustiger aber, wie dieses ergötzliche<lb/> Ding von einem Fürsten zuletzt an der französischen Revolution verstarb. Als<lb/> Friedrich August vom Ausbruch derselben hörte, wurde er unruhig und erließ<lb/> lange, sehr schwer verständliche Schreiben an die Zerbster, in welchen er sie im<lb/> Namen der heiligen Dreifaltigkeit ermahnte, treu und gehorsam zu bleiben, und<lb/> ihnen für den Fall des Ungehorsams mit den himmlischen Strafen drohte. Dann<lb/> kam die Hinrichtung Ludwigs des Sechzehnten, und auf die erste Nachricht<lb/> von diesem Ereigniß weigerte sich der Fürst, ferner Speise und Trank zu sich<lb/> ju nehmen, und da er dabei blieb. Essen und Trinken aber Leib und Seele<lb/> jusammenhält, so starb der Märtyrer der Legitimität nach einigen Tagen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1232"> Dieser amüsante kleine Herr hatte es in östreichischen Diensten zum Ge¬<lb/> neral gebracht, hielt sich aber auch für eigne Rechnung eine „Armee" von<lb/> 2000 Mann, die nicht weniger als 11 Obersten zählte. Seine Wervcplätze<lb/> Waren über ganz Deutschland zerstreut, und er fand fast immer Beschäftigung<lb/> sür seine Leute und Verdienst für sich. So auch jetzt, doch nicht ohne Mühe.<lb/> Schon bei Eröffnung der Feindseligkeiten zwischen England und Amerika war<lb/> unser Biedermann mit einem Angebot auf den Markt gekommen, indeß nahm<lb/> man damals keine Notiz von seinem Wunsch nach Berücksichtigung. Er hatte<lb/> steh unmittelbar an Georg den Dritten gewendet, aber keine Antwort auf seinen<lb/> Ares erhalten, weil der Inhalt desselben sich nicht enträthseln ließ. Um direct<lb/> an sein Ziel zu gelangen, ließ Friedrich August im Mai 1776 durch den Erb-<lb/> Punzen von Hanau Suffolk Vorschläge machen. „Wenn Sie je" — so schreibt<lb/> ^er hanauisch« Minister v. Malsburg an Faucitt — „von der sonderbaren<lb/> Denk- und Handlungsweise dieses Fürsten gehört haben, so werden Sie über<lb/> d'e Unregelmäßigkeit dieses Schrittes nicht erstaunt sein. Da Sie aber mög¬<lb/> licherweise ein Regiment mehr brauchen können, so hat mein Herr mir befohlen,<lb/> Ihnen den Brief des Fürsten vertraulich mitzutheilen. Die Verwirrung, die in<lb/> seinem Stil und seinen Ausdrücken herrscht, hat mir nicht erlaubt, eine fran¬<lb/> zösische Uebersetzung davon zu machen. Zudem werden Sie wohl jemand haben,<lb/> ^ ihn lesen kann und, soweit dies überhaupt möglich, seinen Sinn erklärt.<lb/> ^ Fürst will also ein Regiment von 627 Mann an England überlassen.<lb/> Mein Herr möchte übrigens in der Sache nicht genannt sein. Der Brief an<lb/> ^u König ist in einer so merkwürdigen Art geschrieben, daß es mir fraglich<lb/> ^scheint, ob er überhaupt dem hohen Adressaten übergeben werden kann.*</p><lb/> <p xml:id="ID_1233" next="#ID_1234"> Suffolk ließ den zerbstschen Antrag auf sich beruhen. Friedrich August<lb/> ^ar aber so leicht nicht abzuschrecken. Im November 1776 suchte er durch den<lb/> Hu-zog von Braunschweig seine Absicht zu erreichen. „Der Fürst von Anhalt-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Hreiijboten III. I«(i5. S7</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0435]
keiner abgefaßt. An Stelle Serenissimi regierte in Zerbst ein geheimer Rath,
dessen zwei oder drei Mitglieder die sämmtlichen Instanzen bildeten, so daß man
von dem Hofrath Hase durch den Hofrath Hase wieder an den Hofrath Hase
appelliren mußte. Lustig, nicht wahr? Noch lustiger aber, wie dieses ergötzliche
Ding von einem Fürsten zuletzt an der französischen Revolution verstarb. Als
Friedrich August vom Ausbruch derselben hörte, wurde er unruhig und erließ
lange, sehr schwer verständliche Schreiben an die Zerbster, in welchen er sie im
Namen der heiligen Dreifaltigkeit ermahnte, treu und gehorsam zu bleiben, und
ihnen für den Fall des Ungehorsams mit den himmlischen Strafen drohte. Dann
kam die Hinrichtung Ludwigs des Sechzehnten, und auf die erste Nachricht
von diesem Ereigniß weigerte sich der Fürst, ferner Speise und Trank zu sich
ju nehmen, und da er dabei blieb. Essen und Trinken aber Leib und Seele
jusammenhält, so starb der Märtyrer der Legitimität nach einigen Tagen.
Dieser amüsante kleine Herr hatte es in östreichischen Diensten zum Ge¬
neral gebracht, hielt sich aber auch für eigne Rechnung eine „Armee" von
2000 Mann, die nicht weniger als 11 Obersten zählte. Seine Wervcplätze
Waren über ganz Deutschland zerstreut, und er fand fast immer Beschäftigung
sür seine Leute und Verdienst für sich. So auch jetzt, doch nicht ohne Mühe.
Schon bei Eröffnung der Feindseligkeiten zwischen England und Amerika war
unser Biedermann mit einem Angebot auf den Markt gekommen, indeß nahm
man damals keine Notiz von seinem Wunsch nach Berücksichtigung. Er hatte
steh unmittelbar an Georg den Dritten gewendet, aber keine Antwort auf seinen
Ares erhalten, weil der Inhalt desselben sich nicht enträthseln ließ. Um direct
an sein Ziel zu gelangen, ließ Friedrich August im Mai 1776 durch den Erb-
Punzen von Hanau Suffolk Vorschläge machen. „Wenn Sie je" — so schreibt
^er hanauisch« Minister v. Malsburg an Faucitt — „von der sonderbaren
Denk- und Handlungsweise dieses Fürsten gehört haben, so werden Sie über
d'e Unregelmäßigkeit dieses Schrittes nicht erstaunt sein. Da Sie aber mög¬
licherweise ein Regiment mehr brauchen können, so hat mein Herr mir befohlen,
Ihnen den Brief des Fürsten vertraulich mitzutheilen. Die Verwirrung, die in
seinem Stil und seinen Ausdrücken herrscht, hat mir nicht erlaubt, eine fran¬
zösische Uebersetzung davon zu machen. Zudem werden Sie wohl jemand haben,
^ ihn lesen kann und, soweit dies überhaupt möglich, seinen Sinn erklärt.
^ Fürst will also ein Regiment von 627 Mann an England überlassen.
Mein Herr möchte übrigens in der Sache nicht genannt sein. Der Brief an
^u König ist in einer so merkwürdigen Art geschrieben, daß es mir fraglich
^scheint, ob er überhaupt dem hohen Adressaten übergeben werden kann.*
Suffolk ließ den zerbstschen Antrag auf sich beruhen. Friedrich August
^ar aber so leicht nicht abzuschrecken. Im November 1776 suchte er durch den
Hu-zog von Braunschweig seine Absicht zu erreichen. „Der Fürst von Anhalt-
Hreiijboten III. I«(i5. S7
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