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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band.

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der alle Übeln Eigenschaften des Vaters, aber nicht eine seiner bessern besitzt,
eine rohe Unterofsiziersnatur, grob sinnlich, aller persönlichen Würde baar, Feind
jeder Bildung, über die Maßen geldgierig, derselbe, der später als Kurfürst
Stein um Entschuldigung bitten mußte, daß er sich unterstanden, ihm einen
Orden anzubieten, und der 1814 den Hessen den abgeschnittenen Zopf wieder
aufzwang. Er spielt Faucitt gegenüber eine Rolle, die sehr von der seines
Vaters absticht. Sein Bestreben geht scheinbar nur dahin, dem König Georg,
seinem "hochherzigen Beschützer und erhabenen Herrn" zu gefallen, und so bietet
er anfangs, was er hat, ganz umsonst an, natürlich nur, um von seinem reichen
Patron den doppelten und dreifachen Kaufpreis als Geschenk zu erhalten.
Kaum giebt eS -- man vergleiche S. 230, 243, 244 und 245 die betreffenden
Schreiben -- eine unterwürfige Wendung in der englischen und französischen
Sprache, deren sich der Prinz in seinem Briefwechsel mit Georg und Suffolk
nicht bediente, um sich in deren Wohlwollen hineinzuwinden. Der alte Land¬
graf, so sehr er feilscht und martlet, wahrt wenigstens seine persönliche Automat
und imponirt sogar den Engländern durch knappes und schroffes Wesen, der
Sohn dagegen erniedrigt sich selbst um des kleinsten Vortheils willen zum
Willenlosen kriechenden Supplicanten. Er liefert schließlich ein Infanterieregi-
ment von 668 Mann nebst etwas Artillerie und streicht dafür ungefähr dasselbe
Blutgeld ein wie der braunschweiger Vetter. Uebrigens. was wahr ist, muß
auch hier wahr bleiben: England wird gut bedient, auch die Waare des Erb¬
prinzen ist preiswürdig, und auch er behält nicht den ganzen Prosit, den sie
bringt, sondern bewilligt wie der Herr Vater dem Lande einen Steuer-
Uachlgß für die Dauer des amerikanischen Krieges. Wie aber der Sohn noch
geiziger als sein würdiger Erzeuger ist, so erstreckt er auch seine Huld nicht auf.
^le Unterthanen, sondern nur auf die Eltern und Eheweiber der von seiner
Firma übers Meer versandten Soldaten und Unteroffiziere.

Der vierte Act spielt am Hofe zu Arolsen, der ebenfalls schon seit einem
Jahrhundert im Soldatenvermiethen Geschäfte gemacht und dabei seine Rechnung
Pfunden hat. Sein ältester und bester Kunde ist Holland, und nur bei beson-
^rs günstigen Conjuncturen deS Menschenmarkts überläßt man hier seine
Truppen an andere Mächte. Dieser Handel hat bisher den Chefs des Hauses
Waldeck die Mittel zu einem Auftreten gebracht, welches weit über das hinaus-
üwg, was ihr winziges Ländchen ihnen eintrug. Jetzt aber haben sie es zu
getrieben. Es ist tiefe Ebbe in der Schatulle des gnädigsten Herrn, und
^ hat Durchlaucht Friedrich den Ausbruch der amerikanischen Rebellion als
srohe Botschaft begrüßt und sofort sich in London bemüht, einen Auftrag auf
Truppenlieferungen zu erbitten. "Mit Leib und Seele dem Monarchen ergeben,
^sser Minister zu sein Sie das Glück haben" -- so schreibt er am 13. No¬
vember 1776 an Suffolk -- "halte ich es für meine Pflicht, was nur in meinen


der alle Übeln Eigenschaften des Vaters, aber nicht eine seiner bessern besitzt,
eine rohe Unterofsiziersnatur, grob sinnlich, aller persönlichen Würde baar, Feind
jeder Bildung, über die Maßen geldgierig, derselbe, der später als Kurfürst
Stein um Entschuldigung bitten mußte, daß er sich unterstanden, ihm einen
Orden anzubieten, und der 1814 den Hessen den abgeschnittenen Zopf wieder
aufzwang. Er spielt Faucitt gegenüber eine Rolle, die sehr von der seines
Vaters absticht. Sein Bestreben geht scheinbar nur dahin, dem König Georg,
seinem „hochherzigen Beschützer und erhabenen Herrn" zu gefallen, und so bietet
er anfangs, was er hat, ganz umsonst an, natürlich nur, um von seinem reichen
Patron den doppelten und dreifachen Kaufpreis als Geschenk zu erhalten.
Kaum giebt eS — man vergleiche S. 230, 243, 244 und 245 die betreffenden
Schreiben — eine unterwürfige Wendung in der englischen und französischen
Sprache, deren sich der Prinz in seinem Briefwechsel mit Georg und Suffolk
nicht bediente, um sich in deren Wohlwollen hineinzuwinden. Der alte Land¬
graf, so sehr er feilscht und martlet, wahrt wenigstens seine persönliche Automat
und imponirt sogar den Engländern durch knappes und schroffes Wesen, der
Sohn dagegen erniedrigt sich selbst um des kleinsten Vortheils willen zum
Willenlosen kriechenden Supplicanten. Er liefert schließlich ein Infanterieregi-
ment von 668 Mann nebst etwas Artillerie und streicht dafür ungefähr dasselbe
Blutgeld ein wie der braunschweiger Vetter. Uebrigens. was wahr ist, muß
auch hier wahr bleiben: England wird gut bedient, auch die Waare des Erb¬
prinzen ist preiswürdig, und auch er behält nicht den ganzen Prosit, den sie
bringt, sondern bewilligt wie der Herr Vater dem Lande einen Steuer-
Uachlgß für die Dauer des amerikanischen Krieges. Wie aber der Sohn noch
geiziger als sein würdiger Erzeuger ist, so erstreckt er auch seine Huld nicht auf.
^le Unterthanen, sondern nur auf die Eltern und Eheweiber der von seiner
Firma übers Meer versandten Soldaten und Unteroffiziere.

Der vierte Act spielt am Hofe zu Arolsen, der ebenfalls schon seit einem
Jahrhundert im Soldatenvermiethen Geschäfte gemacht und dabei seine Rechnung
Pfunden hat. Sein ältester und bester Kunde ist Holland, und nur bei beson-
^rs günstigen Conjuncturen deS Menschenmarkts überläßt man hier seine
Truppen an andere Mächte. Dieser Handel hat bisher den Chefs des Hauses
Waldeck die Mittel zu einem Auftreten gebracht, welches weit über das hinaus-
üwg, was ihr winziges Ländchen ihnen eintrug. Jetzt aber haben sie es zu
getrieben. Es ist tiefe Ebbe in der Schatulle des gnädigsten Herrn, und
^ hat Durchlaucht Friedrich den Ausbruch der amerikanischen Rebellion als
srohe Botschaft begrüßt und sofort sich in London bemüht, einen Auftrag auf
Truppenlieferungen zu erbitten. „Mit Leib und Seele dem Monarchen ergeben,
^sser Minister zu sein Sie das Glück haben" — so schreibt er am 13. No¬
vember 1776 an Suffolk — „halte ich es für meine Pflicht, was nur in meinen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_283352/431>, abgerufen am 15.01.2025.